Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 8.365,50 S (darin 1.394,25 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Rechtsanwaltsanwärter und Konzipient bei einem Rechtsanwalt, der in einem beim Handelsgericht Wien gegen die Erstbeklagte anhängigen Verfahren die klagende Partei vertritt. In diesem Verfahren geht es um den wettbewerbswidrigen Vertrieb von Arzneimitteln. Die Erstbeklagte wurde mit einstweiliger Verfügung zur Unterlassung der Inverkehrbringung eines bestimmten Arzneimittels vor dessen Zulassung als Arzneispezialität in Österreich verpflichtet. Der Kläger hatte als Testkäufer zum Nachweis wettbewerbswidrigen Verhaltens der Erstbeklagten in einer Apotheke in Wien das Arzneimittel gekauft. Im Provisorialverfahren war eine eidesstättige Erklärung des Klägers, wonach er das Medikament der Erstbeklagten in Wiener Apotheken ohne Vorlage eines ärztlichen Rezepts erworben habe, Grundlage der einstweiligen Verfügung. Die Erstbeklagte brachte im erwähnten Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 25. 5. 1998 ua vor, Nachforschungen hätten ergeben, daß der Testkauf des Klägers unter Verwendung eines Rezepts einer Ärztin erfolgt sei. Daraus ergebe sich "die völlige Unglaubwürdigkeit des in diesem Zusammenhang verwendeten Bescheinigungsmittels (RAA Mag. M***** hat ein Rezept verwendet, obgleich er in der Klage an Eides statt das Gegenteil behauptet!)".
Mit der am 28. 5. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger von der hier Erstbeklagten (der Beklagten im anhängigen Prozeß vor dem HG Wien) sowie von ihrem zweitbeklagten Geschäftsführer eine Schadenersatzzahlung sowie die Unterlassung und den Widerruf der Behauptung, er habe "ein Rezept verwendet, obgleich er in der Klage an Eides statt das Gegenteil behauptet" habe und stellte zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs ein Sicherungsbegehren. Der gegen ihn erhobene Vorwurf sei falsch. Er habe beim Testkauf die Arzneispezialität der Erstbeklagten ohne Rezept erworben. Die Erstbeklagte unterstelle dem Kläger in voller Kenntnis der Unwahrheit ihrer Behauptung ein strafrechtlich relevantes Verhalten, nämlich vorsätzlich falsche Angaben in einem Gerichtsverfahren. Die Recherchen des Klägers bei der Apotheke, in welcher der Testkauf durchgeführt worden sei, hätten ergeben, daß eine Mitarbeiterin der Erstbeklagten bei der Apotheke unter Hinweis auf eine Betriebsprüfung um die Übersendung eines "auf einen gewissen Mag. M*****" ausgestellten Rezepts ersucht habe. Zwei Mitarbeiter der Apotheke hätten daraufhin die nachträgliche Ausstellung eines undatierten Rezepts durch eine Ärztin erreicht. Eine Apothekenangestellte habe das Rezept mit dem Datum 20. 5. 1997 versehen und es der Erstbeklagten übermittelt. Der Zweitbeklagte hafte als Geschäftsführer der Erstbeklagten für deren wahrheitswidrigen und rufschädigenden Behauptungen. Durch den falschen Vorwurf der Erstbeklagten sei der Kredit des Klägers, der kurz vor seiner Ernennung zum Rechtsanwalt stehe, gefährdet.
Das Erstgericht erließ ohne Anhörung der Beklagten die beantragte einstweilige Verfügung. Es stellte nach Vernehmung des Klägers als Auskunftsperson den auf den S 3 f in ON 3 ersichtlichen Sachverhalt fest, von dem folgendes hervorzuheben ist:
Unter anderem aufgrund einer eidesstättigen Erklärung des Klägers über den Testkauf habe das Handelsgericht Wien im Vorprozeß als bescheinigt angenommen, daß die Erstbeklagte die Arzneispezialität über öffentliche Apotheken in Verkehr bringe. Die Erstbeklagte habe in diesem Verfahren gegen die auf Unterlassung eines Wettbewerbsverstoßes gerichtete Klage zunächst mit keinem Wort angedeutet, daß beim Testkauf vom 23. 5. 1997 ohnehin ein Rezept verwendet worden wäre. Das von der Erstbeklagten vorgelegte Rezept einer praktischen Ärztin mit dem Ausstellungsdatum 20. 5. 1997 und dem Vermerk "für Mag. M*****" sei erst nachträglich im Mai 1998 aufgrund eines Anrufes einer Mitarbeiterin der Erstbeklagten in der Apotheke ausgestellt worden. Der Kläger könne ab 1. 9. 1998 in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werden.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs nach § 1330 ABGB vorlägen. Die Feststellungen ließen die Schlußfolgerung zu, daß die Beklagten die Unrichtigkeit ihres Vorbringens im Schriftsatz vom 25. 5. 1998 "sehr wohl kannten". Aufgrund der nachträglichen Beschaffung des Rezeptes sei nicht anzunehmen, "daß dies ohne Kenntnis leitender Angestellter der erstbeklagten" Partei und des Zweitbeklagten erfolgt sei. Das bekämpfte Parteivorbringen im Vorprozeß könne nur im Einvernehmen mit dem Zweitbeklagten erstattet worden sein. Die juristische Person hafte für den Geschäftsführer. Dadurch werde seine eigene deliktische Haftung nicht ausgeschlossen. Unter Hinweis auf eine Vorentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß das Recht auf rechtliches Gehör oder das Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege sowie das Recht, in einem Verfahren alle für den eigenen Prozeßstandpunkt sprechenden Umstände vorbringen zu dürfen, eine Grenze dort fänden, wo unwahre Behauptungen wider besseres Wissen aufgestellt würden. In einem solchen Fall sei eine sofortige strafrechtliche Reaktion (§§ 111 und 297 StGB) vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen. Es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber eine zivilrechtliche Reaktion habe ausschließen wollen. Es könne dahingestellt bleiben, ob eine Unterlassungsklage allenfalls dann nicht gerechtfertigt sei, wenn die Ehrenbeleidigung in einem Verfahren zwischen denselben Parteien gefallen sei und die Richtigkeit der Behauptung dann in diesem Verfahren ohnehin geprüft werde. Aus dem bescheinigten Sachverhalt ergebe sich die Wiederholungsgefahr und auch die Gefährdung des Klägers.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Sicherungsantrag abgewiesen wurde. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich im wesentlichen wie folgt:
Nach der Entscheidung SZ 56/74 könne im Hinblick auf das rechtliche Gehör keinem Prozeßbeteiligten (Parteien, Zeugen) im Hinblick auf das Interesse an einem sachgerechten Funktionieren der Rechtspflege eine Äußerung verboten werden. Man könne zur Auffassung gelangen, daß eine Partei im Rahmen ihres Prozeßvorbringens von der Bestimmung des § 1330 ABGB ausgenommen sei, selbst wenn sie dort Äußerungen tätige, die den Tatbestand dieser Gesetzesstelle erfüllten. Dies werde in der deutschen Rechtsprechung und Lehre vertreten. Einschränkungen fänden sich aber auch dort im Falle der "bewußten Unwahrheit oder leichtfertiger Aufstellung handgreiflich unwahrer Behauptungen" oder bei Behauptungen "wider besseres Wissen". Die Rechtswidrigkeit einer rufschädigenden Äußerung sei nach einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs sei zugunsten des absolut geschützten Persönlichkeitsrechts zu entscheiden, wenn die Äußerung den Rahmen eines sachdienlichen Vorbringens überschreite oder die Äußerung wider besseres Wissen erhoben worden sei (SZ 59/190). Die Beklagten hätten sich im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien nicht damit begnügt, den Testkauf durch den Kläger unter Verwendung eines Rezepts zu behaupten, sie hätten darüber hinaus nicht nur die objektive Glaubwürdigkeit des Klägers in Frage gestellt, sondern ihm vielmehr unterstellt, er hätte in einer Erklärung an Eides statt wider besseres Wissen unrichtige Behauptungen aufgestellt. Ansprüche nach § 1330 ABGB richteten sich nicht nur gegen den unmittelbaren Täter, sondern auch gegen Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Die Beklagten hätten die Äußerung ihres Rechtsanwalts gegen sich gelten zu lassen. Trotzdem sei das Rekursgericht der Meinung, daß kein im Provisorialverfahren zu sichernder Unterlassungsanspruch bestehe. Die Frage, ob der Kläger als Testkäufer die Arzneispezialität mit oder ohne Vorlage eines Rezeptes erworben habe, sei die zentrale Frage des Vorprozesses. Die Beklagten hätten mit dem Nebensatz "obgleich in der Klage an Eides statt das Gegenteil behauptet" wurde, nur den allen Beteiligten ohnehin bekannten Akteninhalt wiedergegeben. Es gehe nicht an, den Beklagten in diesem Verfahren, noch dazu mit einer einstweiligen Verfügung, wo die bloße Bescheinigung des Sachverhalts genüge, Prozeßbehauptungen in einem anderen Verfahren zu verbieten. Mit einer bloßen Provisorialentscheidung dürfe nicht empfindlich in den Prozeßstoff eines anderen Verfahrens eingegriffen werden. Dies werde in einer deutschen Lehrmeinung (Helle in GRUR 1982, 207 ff) ausdrücklich vertreten. Der Anspruchsausschluß gelte auch für die am Erstprozeß nicht beteiligten Dritten. Gegen die Zulässigkeit eines vorläufigen Verbots von Prozeßbehauptungen spreche auch, daß bei einer Provisorialentscheidung der vom Erstgericht nach unmittelbarer Beweisaufnahme festgestellte Sachverhalt in der Beweisfrage vom Rekursgericht nicht überprüft werden könne. Eine Erweiterung der Sachverhaltsgrundlage sei zwar im Widerspruchsverfahren möglich, auch dort genüge aber nur die Bescheinigung eines Sachverhalts, sodaß nicht die Bestandsgarantien eines förmlichen Beweisverfahrens gegeben wären. Das Recht auf unbehindertes Prozeßvorbringen sei bei einer Interessenabwägung vorrangig gegenüber dem Anspruch nach § 1330 ABGB.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Rechtsansicht des Rekursgerichtes über die Unzulässigkeit einer provisorialen Sicherung des auf § 1330 ABGB gestützten Anspruchs auf Unterlassung mißbräuchlich erhobener wissentlich falscher Prozeßbehauptungen eine oberstgerichtliche Judikatur fehlt. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
§ 1330 ABGB ist eine Schadenersatznorm gegen deliktische Eingriffe in das absolut geschützte Gut der Ehre. Zum Schutz gegen rufschädigende und ehrverletzende Eingriffe steht der verschuldensunabhängige Unterlassungsanspruch zur Verfügung. Der erkennende Senat hat bereits die Auffassung vertreten, daß die Ehre eines anderen auch durch falsche Prozeßbehauptungen verletzt werden kann und daß dem Betroffenen auch in diesem Fall der Ehrenschutz unter gewissen Voraussetzungen zusteht. Dieser Standpunkt wurde zuletzt in einem Zurückweisungsbeschluß unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung vertreten (6 Ob 50/98s). Zentrales Thema ist die Frage, ob der Prozeßpartei bei der Wahrnehmung ihres Rechts als Rechtsuchende, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Behörden in Anspruch nehmen zu können, im Wege der gebotenen Interessenabwägung ein Rechtfertigungsgrund zuzubilligen ist, wie dies für Strafanzeigen und Anzeigen an zur Verschwiegenheit verpflichtete Behörden (SZ 59/190), für Partei- und Zeugenaussagen (SZ 56/74) oder für Äußerungen eines Sachverständigen in einem Prozeß (MR 1995, 138) zutrifft. Die Partei eines Zivilprozesses soll den für ihren Standpunkt sprechenden Sachverhalt frei und nicht belastet durch eine abschreckende Verantwortlichkeit vorbringen dürfen (SZ 51/172; SZ 59/159 uva). Dieser Grundsatz wurde vor allem in Schadenersatzprozessen entwickelt und vertreten, in denen es um die durch eine schuldhafte Prozeßführung verursachten, bereits entstandenen Schäden ging (etwa um einen Verdienstentgang aufgrund der durch die Prozeßführung verzögerten Leistung des Beklagten). Aus der bloßen Stattgebung des Klagebegehrens wurde aber noch kein Verschulden abgeleitet. Es wurde vielmehr in ständiger Rechtsprechung eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichtes für erforderlich erachtet, um die Prozeßführung einer Partei als Verschulden an der Schadenszufügung werten zu können (SZ 57/128; 4 Ob 61/95 uva.). Dies wird auch in der Lehre anerkannt. F. Bydlinski stimmt der in der Begründung mitunter nicht einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Ergebnis voll zu und bietet in seiner Judikaturanalyse (Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen in JBl 1986, 626) für die Rechtswidrigkeit der Verfahrenshandlung als Grundlage des Schadenersatzanspruches das Verbot absichtlicher sittenwidriger Schädigung an. Die Rechtswidrigkeit sei aus dem materiellen Recht abzuleiten. Dies gelte vor allem dort, wo ein im Prozeßrecht normierter Schadenersatz, also § 408 ZPO nicht unmittelbar anwendbar sei. Aus dem Prozeßgesetz ergebe sich aber immerhin die Wertung des Gesetzgebers, daß Verfahrenshandlungen, die im Bewußtsein der Unrichtigkeit des eigenen Rechtsstandpunkts gesetzt werden, unerlaubte Handlungen seien. Das Recht auf Rechtsschutz in einem geordneten gerichtlichen Verfahren bedeute nicht schlechthin einen Rechtfertigungsgrund. Eine Schadenersatzpflicht bestehe schon dann, wenn ein bei gehöriger Aufmerksamkeit ein erkennbar aussichtsloser Verfahrensstandpunkt vertreten werde. Diese Grundsätze werden auch vom Obersten Gerichtshof in ständiger Judikatur vertreten. Eine für den vorliegenden Fall einschlägige Vorentscheidung ist die in EvBl 1994/97 = SZ 67/10 veröffentlichte. Der 4. Senat hatte zu beurteilen, ob aus einer Exekutionsführung gegen einen Rechtsanwalt und wegen der darin innewohnenden Tatsachenbehauptung, der beklagte Rechtsanwalt sei der Titelschuldner und habe noch nicht gezahlt, ein Anspruch nach § 1330 ABGB abgeleitet werden könne, wenn der Exekutionstitel tatsächlich nicht gegen den Rechtsanwalt persönlich, sondern nur gegen ihn als Masseverwalter im Konkurs einer Gemeinschuldnerin erlassen wurde, sodaß der Vorwurf der Nichtzahlung von titulierten Schulden als falsch zu qualifizieren wäre. Der Oberste Gerichtshof bejahte einen Rechtfertigungsgrund und führte mit zahlreichen Hinweisen aus Lehre und Rechtsprechung aus, daß die Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Möglichkeiten nur dann rechtswidrig sei, wenn die Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte voraussehen können, daß ihre Prozeßführung aussichtslos sei. Der erkennende Senat vertritt keine andere Auffassung und hat unter Bezugnahme auf die zitierte Vorentscheidung ausgeführt, daß bei ehrverletzenden Prozeßbehauptungen ein Rechtfertigungsgrund vorliegen könne, nicht aber dann, wenn die unwahre Behauptung wider besseres Wissen erhoben wurde (6 Ob 2042/96d; 6 Ob 50/98s). Bei einem derartigen Sachverhalt wäre die bekämpfte Prozeßbehauptung nicht gerechtfertigt und ein auf § 1330 ABGB und Rechtsmißbrauch gestützter Schadenersatzanspruch auch berechtigt. Das Verschulden läge dann in der stärksten Form des Vorsatzes vor.
Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger nicht den Ersatz eines schon eingetretenen Schadens begehrt, sondern vorbeugend die Unterlassung künftiger rufschädigender Behauptungen anstrebt. Zu prüfen wäre also, ob für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch, der ebenfalls im Schadenersatzrecht begründet ist, ein von den schon dargelegten Grundsätzen abweichendes Ergebnis dogmatisch begründbar sein kann, etwa aus dem Grund, daß eine Interessenabwägung zunächst (also vor Schadenseintritt) zugunsten der Freiheit der Prozeßbehauptung ausschlägt. Rechtsvergleichend ist zu der vom Rekursgericht zitierten Lehrmeinung Helles (in GRUR 1982, 207) auszuführen, daß in Deutschland der BGH nach anfänglich gegenteiliger Rechtsprechung den Rechtssatz entwickelte, daß gegenüber dem Vorbringen einer Partei oder ihres Rechtsanwalts, das der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Zivilprozeß dient, der hiedurch in seiner Ehre Betroffene nicht Widerruf oder Unterlassung fordern könne (NJW 1962, 243). Es war aber nicht über bewußt falsche Prozeßbehauptungen zu entscheiden. Schon in dieser und in späteren Entscheidungen deutete der BGH aber mehrmals (worauf schon Helle aaO 216 hinwies) an, daß Ausnahmen von diesem Prinzip möglich seien, etwa der Fall der bewußt unwahren Rufschädigung. In den deutschen Kommentaren wird nunmehr ganz überwiegend und im Gegensatz zur Meinung Helles die Auffassung vertreten, daß der Anspruchsausschluß für wahrheitswidrige Äußerungen in behördlichen Verfahren nicht gelte und daß durch die bewußte Äußerung der Unwahrheit die Grenzen zur Rechtswidrigkeit überschritten werden (Mertens in Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch3 Rz 59f zu § 824 mwN). Das Vorbringen der Parteien im Prozeß diene nicht der objektiven Darstellung, sondern den einseitigen Parteiinteressen. Diese Interessenwahrnehmung dürfe nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß die Partei oder ihr Anwalt befürchten müßten, in einem anderen Verfahren mit Unterlassungs- oder Widerrufsklage überzogen zu werden. Von der Interessenwahrnehmung ausgeschlossen seien aber die bewußt (vorgetragene) Unwahrheit oder das leichtfertige Aufstellen "handgreiflich" unwahrer Behauptungen (Staudinger, BGB12 Rz 61 e zu § 824 mwN).
Die Anwendbarkeit der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zum Schadenersatz wegen rechtswidriger Verfahrenshandlungen auf den vorbeugenden Unterlassungsanspruch sowie die vom Rekursgericht in den Vordergrund gerückte Frage, ob ein bloß bescheinigter Sachverhalt im Ergebnis die Grundlage für ein Behauptungsverbot in einem anhängigen Prozeß schaffen darf, sind zwar durchaus erhebliche Rechtsfragen, die hier aber aus folgendem Grund nicht entscheidungswesentlich sind und daher nicht näher untersucht werden müssen:
Nach Ansicht des erkennenden Senates greifen nämlich die Prozeßbehauptungen der Beklagten nicht in die Ehre des Klägers ein, weil sie im Ergebnis nicht über ein die Wahrheit der Klagebehauptungen bestreitendes Parteivorbringen hinausgehen. Die Beklagten bestritten zwar nicht nur die Richtigkeit der Klagebehauptungen im anhängigen Prozeß, sondern auch die Richtigkeit der Tatsachen, die der hier klagende "Testkäufer" in seiner eidesstättigen Erklärung bekundete. Damit wurde aber dem Kläger noch nicht unterstellt, daß er vorsätzlich, also seinerseits wider besseres Wissen falsche Tatsachen über die Beklagten behauptet habe. Die Auffassung des Klägers, ihm sei mit dem Prozeßvorbringen der Beklagten ein "strafrechtlich relevantes Verhalten" vorgeworfen worden, kann nicht geteilt werden. Zutreffend verweisen die Beklagten in ihrer Revisionsrekursbeantwortung darauf, daß ein solcher Vorwurf der Wendung "... obgleich er in der Klage an Eides statt das Gegenteil behauptet" nicht zu entnehmen ist. Da der bescheinigungspflichtige Kläger nicht einmal einen Eingriff in seine Ehre bescheinigte, ist die Abweisung des Sicherungsantrags im Ergebnis schon aus diesem Grund zu bestätigen, ohne daß die aufgezeigten Rechtsprobleme zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch neuerlich und teilweise auch erstmalig untersucht werden müßten.
Nur ergänzend sei noch darauf verwiesen, daß der Sicherungsantrag auch noch aus weiteren Gründen abzuweisen ist:
Zum Bewußtsein der Beklagten über die Unrichtigkeit ihrer Behauptungen sowie zur Tätigkeit des beklagten Geschäftsführers fehlt es nicht nur an ausreichenden Feststellungen des Erstgerichtes, sondern schon an ausreichendem Vorbringen des Klägers. Dieser hat sich zwar allgemein auf wissentlich falsche Tatsachenbehauptungen der Beklagten berufen, dazu aber nur den Sachverhalt vorgetragen, daß eine Mitarbeiterin der Beklagten über die Apotheke die nachträgliche Ausstellung eines Rezepts durch eine Ärztin erwirkt habe. Ob dies mit Wissen oder im Auftrag des beklagten Geschäftsführers der Erstbeklagten geschehen ist, wurde nicht behauptet. Es ist zwar dem Erstgericht einzuräumen, daß man dies annehmen könne, eine solche Vermutung ist aber weder eine Feststellung noch "per se" ein Beweiswürdigungsargument, weil ohne nähere Parteibehauptung eine Fülle von Sachverhalten denkbar ist, die gegen eine Kenntnis des Zweitbeklagten sprechen könnten (beispielhaft eine Tätigkeit einer untergeordneten Mitarbeiterin ohne jeden Auftrag des Geschäftsführers). Zur Haftung des Zweitbeklagten führte der Kläger überhaupt nur ins Treffen, daß er als Geschäftsführer für die falschen Äußerungen der Erstbeklagten einzustehen hätte, was insofern unschlüssig ist, als die erstbeklagte juristische Person sich ja nur durch ihr Organ als unmittelbaren Vertreter äußern kann (oder durch andere Vertreter, die ihre Befugnis vom Geschäftsführer ableiten) und nicht umgekehrt. Andererseits kann der Geschäftsführer bei einer Überschreitung der (etwa dem Rechtsanwalt erteilten) Vollmacht und des Auftrags nicht haftbar gemacht werden, weil dies einer Erfolgshaftung für fremde Delikte gleichkäme. Derartiges geht auch nicht aus der Entscheidung MR 1997, 23 (mit Anm. Korns) hervor, in der zu prüfen war, ob eine Partei sich die Äußerungen ihres Rechtsanwalts zurechnen lassen müsse. Der erkennende Senat bejahte dies für den Fall, daß die Äußerung des Rechtsanwalts auf den falschen Informationen der Partei beruhte, keine Überschreitung des Vollmachtsrahmens erfolgte und (was in der kritischen Entscheidungsanmerkung Korns aaO offenbar übersehen wurde) die Partei der Veröffentlichung der Tatsachenbehauptung in ihrem Namen durch den Rechtsanwalt auch zugestimmt hatte. Es wäre auch im vorliegenden Fall Sache des Klägers gewesen, einen derartigen Sachverhalt zu behaupten und zu bescheinigen, damit die vom Rechtsvertreter der Erstbeklagten aufgestellte Prozeßbehauptung auch als wissentlich falsche Behauptung den Beklagten zugerechnet werden könnte. Der Sicherungsantrag wäre daher auch aus diesem Grund abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 78 und 402 EO, §§ 41 und 50 ZPO. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt 120.000 S (§ 10 RATG).
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