OGH 6Ob248/12g

OGH6Ob248/12g20.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. (FH) D***** B*****, 2. E***** S*****, 3. K***** W*****, alle vertreten durch Pascher & Schostal Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G***** K*****, vertreten durch Mag. Thomas Nitsch ua Rechtsanwälte in Mödling, 2. k*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. Oktober 2012, GZ 3 R 187/12h-16, womit der Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 18. September 2012, GZ 6 Cg 80/12i-10, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Jede klagende Partei ist schuldig, jeder beklagten Partei jeweils 751,86 EUR (darin jeweils 125,31 EUR USt) an anteiligen Kosten der jeweiligen Revisionsrekurs-beantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit ihrer Klage begehren die Kläger gegenüber den Beklagten die Feststellung der Haftung für jenen Schaden, der ihnen aufgrund der Fehlberatung bei ihrer Kapitalanlage (Erwerb von AvW-Genussscheinen) entstanden sei und noch entstehen werde. Damit verbinden sie ein Eventualbegehren auf Zahlung in jeweils unterschiedlicher Höhe jeweils gegen Rückgabe von einer jeweils verschiedenen Zahl von Genussscheinen.

Sie brachten dazu vor, über Beratung des für die Zweitbeklagte tätigen Erstbeklagten in AvW-Genussscheine investiert zu haben. Die Beklagten hafteten für schwerwiegende Aufklärungs- sowie Beratungsfehler. Die Zweitbeklagte habe sich das Fehlverhalten des Erstbeklagten zurechnen zu lassen. Die Beratungsgespräche hätten einander in wesentlichen Punkten, insbesondere in Hinblick auf das Fehlen der entsprechenden Risikohinweise geglichen. Die Zulässigkeit der subjektiven Klagshäufung ergebe sich aus den im Wesentlichen gleichartigen Anspruchsgrundlagen.

Die Beklagten wendeten in ihren Klagebeantwortungen die Unzulässigkeit der „Sammelklage“ ein. Darauf gestützt beantragte die Zweitbeklagte die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit der Sammelklage, in eventu die Trennung des Verfahrens hinsichtlich der einzelnen klagenden Parteien. Die gemeinsame Einbringung der Klage durch die drei klagenden Parteien sei unzulässig, weil gleiche Fragen tatsächlicher oder rechtlicher Natur nicht vorlägen; die Erwerbe der AvW-Genussscheine durch die einzelnen Kläger differierten hinsichtlich der geführten Gespräche, des jeweiligen Hintergrundes und der Vorkenntnisse. Es liege keine gleichartige Anspruchsgrundlage vor.

Das Erstgericht sprach aus, es liege hinsichtlich der drei Kläger keine Streitgenossenschaft iSd § 11 ZPO vor. Das Verfahren sei daher entsprechend 3 Ob 133/03k von Amts wegen je nach Kläger in drei einzelne Verfahren zu trennen; die getrennten Verfahren seien mit allen geschäftsverteilungsmäßigen, geschäftsordnungsmäßigen und gebührenrechtlichen Folgen so weiterzuführen, als wären insgesamt drei Klagen eingebracht worden (Spruchpunkt 1.). Weiters ordnete das Erstgericht den Verbleib des den Erstkläger betreffenden Verfahrens in seiner Gerichtsabteilung an (Spruchpunkt 2.) und verfügte die Vorlage des Akts an den Personalsenat des Erstgerichts zur Klärung der Frage, ob hinsichtlich der übrigen Kläger je nach erfolgter Aktenbildung im Sinne der Radaufteilung vorzugehen ist oder im (vom Fall der Trennung aus Zweckmäßigkeitsgründen zu unterscheidenden) Falle der Trennung eines Verfahrens mangels Vorliegens einer Streitgenossenschaft nach § 11 ZPO die neu gebildeten Akten in jener Abteilung verbleiben, in der sie angefallen sind, wobei sie diesbezüglich jeweils als Neuanfall zu bewerten wären (Spruchpunkt 3.). Die Kläger stellten keine formelle Streitgenossenschaft iSd § 11 Z 2 ZPO dar. Nach der Klagserzählung lägen verschiedene Verträge vor, mit denen die drei Kläger jeweils für sich AvW-Genussscheine erworben hätten. Die gegen den Erstbeklagten erhobenen Verhaltensvorwürfe deckten sich nur zum Teil. Im Verhältnis zwischen Drittklägerin und Erstbeklagtem würden überhaupt ganz andere Vorwürfe herangezogen. Damit würden dem Erstbeklagten verschiedene schuldbare Handlungen als Grundlage der Urteilsbegehren vorgeworfen. Deshalb habe das Prozessgericht von Amts wegen die drei Verfahren zu trennen und die getrennten Verfahren so weiterzuführen, als wären drei einzelne Klagen eingebracht worden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Kläger zurück. Der Gesetzgeber der Zivilverfahrensnovelle 1983 sei bei der Neuregelung des § 45 JN vor allem von der Überlegung ausgegangen, Streitigkeiten über die sachliche Zuständigkeit soweit wie möglich zu verhindern und Anfechtungsmöglichkeiten einzuschränken. Aus der Anfechtungsbeschränkung des zweiten Halbsatzes des § 45 JN sei abzuleiten, dass der Gesetzgeber der sachlichen Zuständigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung beimesse. In Verfahren über „Sammelklagen österreichischer Prägung“ (Abtretung mehrerer individueller Ansprüche einzelner Geschädigter an einen klagsführenden Verband) habe der Oberste Gerichtshof judiziert, die bejahte Zulässigkeit einer objektiven Klagenhäufung nach § 227 Abs 1 ZPO stelle inhaltlich eine Entscheidung über die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit dar und sei daher zufolge § 45 erster Halbsatz JN nicht anfechtbar (3 Ob 133/03k; 4 Ob 116/05w; RIS-Justiz RS0118247). Nach § 192 Abs 2 ZPO seien die nach §§ 187 bis 191 ZPO erlassenen Anordnungen unanfechtbar, also - ebenso wie die Verbindung von Verfahren nach § 187 ZPO sowie deren Aufhebung - auch die Anordnung, dass über mehrere in derselben Klage erhobene Ansprüche getrennt verhandelt werde (§ 188 ZPO). Die Anfechtungsbeschränkung des § 192 Abs 2 ZPO sei zwar nicht unmittelbar auf den konkreten Fall anwendbar, weil das Erstgericht nicht bloß die Verhandlung über die einzelnen Ansprüche getrennt, sondern die gänzliche Trennung der Klagen und der daran anschließenden Verfahren angeordnet habe. Dieser Wertung des Gesetzgebers komme aber für den konkreten Fall eine gewisse Indizwirkung zu. In dieselbe Richtung weise die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach ein Beschluss nach § 17 Geo, mit dem eine Klage von einer Abteilung an eine andere desselben Gerichtshofs abgetreten werde, unanfechtbar sei (RIS-Justiz RS0043741). Eine mangels Vorliegens einer Streitgenossenschaft unzulässige subjektive Klagenhäufung verletze bloß eine Formvorschrift. Es wäre demgegenüber ein Wertungswiderspruch, wenn ein Beschluss, mit dem eine Klage in Ansehung der einzelnen Kläger getrennt und die getrennten Verfahren danach (gegebenenfalls) auf mehrere Gerichtsabteilungen desselben Gerichts aufgeteilt werden, anfechtbar wäre. Der Rekurs der Kläger gegen den Trennungsbeschluss des Erstgerichts sei daher unzulässig.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil die Frage der Anfechtbarkeit eines Trennungsbeschlusses wie des vorliegenden erhebliche Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

2.1. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung ist auch eine Entscheidung, die die Zulässigkeit einer objektiven Klagenhäufung nach § 227 Abs 1 ZPO bejaht, eine Entscheidung über die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit und daher zufolge § 45 erster Halbsatz JN unanfechtbar (3 Ob 133/03k; 4 Ob 116/05w; RIS-Justiz RS0118247). Selbst eine unzulässige objektive Klagenhäufung stellt bloß einen verbesserungsfähigen Formmangel dar, wenn das Prozessgericht für alle Ansprüche zuständig ist (RIS-Justiz RS0080955).

2.2. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die Zulässigkeit einer (subjektiven) Klagenhäufung verneint. Dass ein anderes Gericht (das seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde wie das Erstgericht hat) für Zweit- und Drittklägerin zuständig wäre, ergibt sich aus dem erstgerichtlichen Beschluss nicht. In Analogie zur zitierten Rechtsprechung ist dieser Fall wertungsmäßig dem Rechtsmittelausschluss gemäß § 45 zweiter Halbsatz JN gleichzuhalten, wonach nach Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen das Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar sind, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. In der Lehre wird überdies die analoge Anwendung des § 45 JN auf (hier vom Erstgericht im Ergebnis ebenfalls relevierte) Verstöße gegen die Geschäftsverteilung befürwortet (G. Kodek in Fasching/Konecny, ZPO2 § 260 Rz 66 - 68).

3. Zutreffend ist das Rekursgericht auch davon ausgegangen, dass die Rechtsmittelbeschränkung des § 192 Abs 2 ZPO wertungsmäßig auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 46 Abs 1 und § 50 ZPO (vgl 5 Ob 4/93).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte