OGH 6Ob221/01w

OGH6Ob221/01w27.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wels zu FN 186937h eingetragenen T***** AG mit dem Sitz in Wels, vertreten durch Dr. Bernhard Humer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Eintragung einer Satzungsänderung, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 27. Juni 2001, GZ 6 R 93/01s-6, womit über den Rekurs der Gesellschaft der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 9. April 2001, GZ 27 Fr 1530/01i-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Nach § 13 Z 3 der Gründungssatzung der Aktiengesellschaft ist der Aufsichtsrat der Gesellschaft berechtigt, Abänderungen und Ergänzungen der Satzung, die nur die Fassung betreffen, vorzunehmen. In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 20. 10. 1999 beschlossen die Aktionäre die Erhöhung des Grundkapitals von 2 Mio S auf 3 Mio S "durch Ausgabe von 10.000 Stück sechsprozentiger auf Inhaber lautende Vorzugsaktien ohne Stimmrecht im Nennbetrag je ATS 100" mit einem "Ausgabekurs der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht" von 500 S pro Aktie. Die Aktionäre beschlossen ferner im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung eine Satzungsänderung. Nach dem neu gefassten § 5 der Satzung ist das Grundkapital von 3 Mio S zerlegt in 20.000 Stück Namensaktien und 10.000 Stück "auf Inhaber lautende Vorzugsaktien" (§ 5 Z 1). "Die Vorzugsaktien erhalten vor den Stammaktien aus dem alljährlich ausgewiesenen Reingewinn (Paragraph dreiundzwanzig) eine Vorzugsdividende von sechs Prozent des Nennbetrages" (§ 5 Z 4). Im Gegensatz zum Beschluss auf Erhöhung des Grundkapitals enthält die geänderte Satzung keinen Hinweis darauf, dass die Inhabervorzugsaktien stimmrechtslos sein sollen. Die Kapitalerhöhung und die Satzungsänderung wurden im Firmenbuch eingetragen.

Am 13. 2. 2001 beschloss der Aufsichtsrat unter Bezugnahme auf seine Ermächtigung zu Satzungsänderungen, § 5 Z 4 der Satzung zum Zwecke der Klarstellung so zu ergänzen, dass diese Satzungsbestimmung zu lauten habe:

"Die stimmrechtslosen Vorzugsaktien erhalten vor den Stammaktien aus dem alljährlich ausgewiesenen Reingewinn (§ 23) eine Vorzugsdividende von 6 % des Nennbetrages, wobei auf die Bestimmung des § 116 Abs 2 AktG Bedacht zu nehmen ist". Unter Vorlage dieses Aufsichtsratsbeschlusses beantragte der Vorstand der Aktiengesellschaft die Eintragung der Änderung der Satzung im angeführten Punkt auf Grund des Beschlusses des Aufsichtsrates vom 13. 2. 2001.

Das Erstgericht lehnte die begehrte Eintragung ab. Es hätten 11 Vorzugsaktionäre Zeichnungsscheine gefertigt, aus denen ein Stimmrechtsausschluss ebensowenig ersichtlich sei wie aus der geänderten Satzung in der Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 20. 10. 1999. Die Satzung sei nicht wie ein Rechtsgeschäft, sondern wie eine Rechtsvorschrift auszulegen. Die vom Aufsichtsrat beschlossene neue Fassung gehe über die Ermächtigung des Aufsichtsrates zu formellen Satzungsänderungen hinaus.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft nicht Folge. Gemäß § 145 Abs 1 AktG bedürfe jede Satzungsänderung eines Beschlusses der Hauptversammlung. Die Befugnis zu Änderungen, die nur die Fassung betreffen, könne die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat übertragen. Eine solche Ermächtigung der Hauptversammlung liege nicht vor, sondern bloß eine Ermächtigung in der Gründungssatzung. Selbst wenn man aber mit verschiedenen Literaturmeinungen davon ausgehen wollte, dass die Ermächtigung des Aufsichtsrates auch in der Gründungssatzung ausgesprochen werden dürfe, sei hier für den Standpunkt der Rekurswerberin nichts gewonnen, weil die Hauptversammlung selbst eine Satzungsänderung vorgenommen habe, ohne den Stimmrechtsausschluss für Vorzugsaktien festzulegen. Bei der nun vom Aufsichtsrat beschlossenen Klarstellung handle es sich um eine authentische Interpretation des von der Hauptversammlung geänderten § 5 Z 4 der Satzung. Diese Interpretation gehe über die bloße Änderung der Fassung der Satzung hinaus und müsse der Hauptversammlung vorbehalten bleiben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob eine Ermächtigung des Aufsichtsrates im Sinne des § 145 Abs 1 zweiter Satz AktG auch in der Gründungssatzung erteilt werden könne.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die durch ihren Vorstand vertretene Aktiengesellschaft die Abänderung dahin, dass die angemeldete Satzungsänderung im Firmenbuch eingetragen werde.

Der Revisionsrekurs ist mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Neben der vom Rekursgericht verneinten Rechtsfrage, ob eine Ermächtigung des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zur Satzungsänderung (§ 145 Abs 1 AktG) schon in der Gründungssatzung wirksam verfügt werden könne, ist deren Auslegung entscheidungswesentlich, ob also die vom Aufsichtsrat vorgenommene Ergänzung der Satzung eine solche ist, die nur die "Fassung" der Satzung betrifft. Die dem Aufsichtsrat nach § 13 Z 3 der Satzung eingeräumte Befugnis zu Abänderungen und Ergänzungen der Satzung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe. Nach § 145 Abs 1 erster Satz AktG bedarf jede Satzungsänderung eines Beschlusses der Hauptversammlung. Die Befugnis zu Änderungen, die nur die Fassung (der Satzung) betreffen, kann die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat übertragen (§ 145 Abs 1 zweiter Satz AktG). Die Auslegung des Begriffes "Fassung" in der hier maßgeblichen Satzungsbestimmung stellt daher gleichzeitig eine Auslegung desselben Begriffes in der bezogenen Gesetzesstelle dar.

Korporative Regelungen sind solche, die nicht nur für die derzeitigen, sondern auch für künftige Gesellschafter und Dritte von Bedeutung sind (SZ 70/242). Die Befugnisse eines Aufsichtsrats zu Satzungsänderungen gehören zu den korporativen Satzungsbestimmungen. Nach der gebotenen objektiven Auslegung ist die Gründungssatzung hier dahin auszugelegen, dass der Aufsichtsrat zwar zu formellen, also bloß erläuternden Abänderungen der Satzung, nicht aber zu inhaltlichen, mit dem Wortlaut der Satzung nicht vereinbaren Abänderungen berechtigt ist. Dieses Auslegungsergebnis entspricht der Auffassung der Lehre, die die Bestimmung des § 145 Abs 1 zweiter Satz AktG ("... Änderungen, die nur die Fassung betreffen ..."), dahin versteht, dass der Aufsichtsrat zwar zu sprachlichen Umformulierungen, zur Eliminierung überholt gewordener Satzungsbestimmungen und zur Richtigstellung der Grundkapitalsziffer entsprechend einer eingetragenen Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung ermächtigt werden kann, keinesfalls aber zu inhaltlichen Abänderungen des in sachlicher Hinsicht unverändert bleibenden Verbandsstatuts (Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser AktG3 Rz 2 und 5 zu § 145). Den selben Standpunkt nimmt die deutsche Lehre zum inhaltsgleichen § 179 Abs 1 dAktG ein (Wiedemann in Großkomm AktG4 Rz 106 f zu § 179; Hüffer AktG2 Rz 11 zu § 179; Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff Aktiengesetz Rz 145 f zu § 179). Da es sowohl bei der Gesetzesauslegung als auch bei der Auslegung korporativer Satzungsbestimmungen nicht auf den subjektiven Willen der für Satzungsänderungen zuständigen Hauptversammlung ankommt und nur der einer objektiven Auslegung zugängliche Wortlaut entscheidend ist, durfte der Aufsichtsrat die in der Hauptversammlung vom 20. 10. 1999 beschlossene Satzungsänderung, die mit keinem Wort erwähnt, dass die Vorzugsaktien stimmrechtslos sein sollen, inhaltlich nicht abändern, auch wenn der Ausschluss des Stimmrechts nach der subjektiven Auslegungsmethode dem in der Hauptversammlung erklärten Willen der Aktionäre entsprechen sollte. Den Irrtum bei der Formulierung der Satzungsänderung müsste das zuständige Gesellschaftsorgan, also die Hauptversammlung, korrigieren.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen, ohne dass zu der oben bezeichneten weiteren Rechtsfrage Stellung genommen werden muss.

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