Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie ersatzlos behoben werden.
Text
Begründung
Dem Akteninhalt kann entnommen werden - Feststellungen der Vorinstanzen fehlen zur Gänze -, daß der Untergebrachte mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.11.1996 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Nach Verbüßung der Strafhaft begann der Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 2 StGB am 26.9.1996.
Am 21.1.1997 wurde der Untergebrachte wegen aggressiver Durchbrüche und Selbstmordgedanken in das Psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien Baumgartner Höhe überstellt. Nach der Erstanhörung faßte das Erstgericht den Beschluß, daß es als Unterbringungsgericht zur Durchführung der Rechtssache gemäß § 2 iVm § 46 UbG unzuständig sei. Neben der Einweisung eines geistig abnormen Rechtsbrechers in eine entsprechende Anstalt sei für nach § 21 Abs 2 StGB Verurteilte gemäß § 158 Abs 5 StVG auch der Vollzug in besonderen Abteilungen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen möglich, wo neben der allgemeinen Freiheitsbeschränkung wegen der besonderen Gefährlichkeit auch psychiatrische Behandlungen ohne Einwilligung des Betroffenen angeordnet werden könnten. Der in § 71 Abs 3 StVG statuierte Schutz erscheine hier nicht erforderlich. Diese Bestimmung stelle auf jene Strafgefangenen ab, die während der Haft psychisch erkrankten und aus diesem Grund in eine entsprechende Krankenanstalt überstellt würden. Nur dann, wenn eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erfolgt sei, der Straftäter während seiner Haft erkranke und zusätzlich die Unterbringungsvoraussetzungen im Sinne des § 3 UbG vorlägen, sei nach dieser Bestimmung das Unterbringungsverfahren tatsächlich durchzuführen, weil davon ausgegangen werden könne, daß die Verurteilung zu einer bloßen Haftstrafe jene Freiheitsbeschränkungen, die mit der Anhaltung des Delinquenten gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus und eine unter Umständen durchgeführte Behandlung wider Willen nicht mitumfaßt seien. Diese Umstände würden sowohl bei einer Verurteilung nach § 21 Abs 1 StGB als auch bei einer solchen nach dessen Abs 2 berücksichtigt, so daß eine weitere Überprüfung der Gesetzmäßigkeit im Rahmen des Unterbringungsverfahrens entbehrlich scheine. Der Vollzug vorbeugender Maßnahmen gemäß § 21 Abs 1 und 2 StGB iVm § 158 Abs 4 und 5 StVG in einer Krankenanstalt als stellvertretendes Strafvollzugsorgan sei nach der StPO und dem StVG zu beurteilen. Der Untergebrachte sei nach diesen Bestimmungen angehalten und daher auch jenen Einschränkungen unterworfen, die auf die spezifische Gestaltung der Freiheitsentziehung in psychiatrischen Krankenhäusern zurückzuführen und dem haftanordnenden Gericht zuzurechnen seien. Das Unterbringungsgericht sei daher unzuständig und nicht berechtigt, das Unterbringungsverfahren durchzuführen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Patientenanwältin keine Folge. Eine ausdrückliche Regelung über die Zuständigkeit des Unterbringungsgerichtes bzw des Vollzugsgerichtes für den Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 1 StGB finde sich im § 167 a Abs 2 Z 1 StVG, andererseits für Strafgefangene im § 71 StVG, nicht aber für Personen im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 2 StGB. Beide Arten der Anstaltsunterbringung nach § 21 StGB seien nach der kriminalpolitischen Zielsetzung auf Rechtsbrecher beschränkt, die eine ausgeprägte schwere psychische Abwegigkeit aufwiesen; beide Unterbringungen seien auf unbestimmte Zeit anzuordnen und solange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erforderlich mache. Nach § 158 Abs 4 StVG könne der Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 1 StGB unter bestimmten Voraussetzungen durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie vollzogen werden. Die vorbeugenden Maßnahmen nach § 21 Abs 1 und 2 StGB seien in den §§ 165 und 166 StVG zwar getrennt geregelt, aber auch die nach § 21 Abs 2 StGB Untergebrachten seien nach dem Vollzugszweck entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen. Soweit danach Abweichungen von den Bestimmungen über den Vollzug der Unterbringung (§ 167) erforderlich seien, habe der Anstaltsleiter diese Abweichungen im Rahmen des § 165 Abs 1 Z 1 und 2 StVG anzuordnen. Damit könnten die für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB geltenden Bestimmungen auf Anordnungen des Anstaltsleiters auch auf zurechnungsfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher angewendet werden. Die grundsätzliche Gestaltung des Vollzuges der Unterbringung zurechnungsfähiger geistig abnormer Rechtsbrecher deute zwar darauf hin, daß eine während der Dauer dieser Maßnahmen notwendige Unterbringung ebenso wie bei sonstigen Strafgefangenen durch das Unterbringungsgericht zu prüfen wäre. Da mit der Verhängung der freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme die schwere Abnormität des Rechtsbrechers bekämpft werden solle und auch die Anhaltung nach § 21 Abs 2 StGB materiellrechtlich von jener nach dessen Abs 1 sich nur dadurch unterscheide, daß im ersten Fall die Anstaltsunterbringung die einzige mögliche strafrechtliche Sanktion darstelle, während im letzteren Fall der Täter für die von ihm verübte Straftat bestraft und zusätzlich der vorbeugenden Maßnahme unterzogen werde, sei für alle aus der geistigen Abnormität erforderlichen besonderen Maßnahmen im Rahmen des Maßnahmenvollzuges im Sinne des § 167 a Abs 2 Z 1 StVG das Vollzugsgericht zuständig.
Mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dieser Zuständigkeitsfrage sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Patientenanwältin ist zulässig und berechtigt.
Das Strafvollzugsgesetz regelt im allgemeinen Teil über die Grundsätze des Strafvollzuges im Abschnitt "ärztliche Betreuung" in § 71 die Überstellung in eine andere Anstalt, wenn ein kranker oder verletzter Strafgefangener in der Anstalt nicht sachgemäß behandelt werden kann oder von ihm eine nicht anders abwendbare Gefährdung für die Gesundheit anderer ausgeht. Im Fall einer Überstellung in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie oder eine psychiatrische Abteilung eines öffentlichen allgemeinen Krankenhauses gelten nach Abs 3 leg cit die Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung mit folgenden Ausnahmen: 1. Die Überstellung ist ohne das in den §§ 8 und 9 des Unterbringungsgesetzes vorgesehene Verfahren unmittelbar vorzunehmen.
2. Die Aufnahme und Anhaltepflicht der Krankenanstalten richtet sich nach Abs 2 erster und zweiter Satz. Untergebracht werden im Sinne des Unterbringungsgesetzes darf der Strafgefangene nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 des Unterbringungsgesetzes. 3. Bei Prüfung der Voraussetzungen des § 3 Z 2 des UbG ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die ausreichende ärztliche Behandlung oder Betreuung im Sinne dieser Bestimmungen im Rahmen und mit den Mitteln des allgemeinen Strafvollzuges gewährleistet sein muß. 4. Der Wirkungskreis des Patientenanwaltes umfaßt ausschließlich die sich aus der Unterbringung ergebenden Beziehungen des Strafgefangenen zur Krankenanstalt. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage verweisen ausdrücklich auf die vom Unterbringungsgericht zu beachtenden Besonderheiten des Unterbringungsverfahrens. Im Erlaß des Bundesministeriums für Justiz JMZ 440.010/19-II 1/91 betreffend die Einweisungen und Überstellungen von psychisch kranken Untersuchungshäftlingen, Strafgefangenen, entwöhnungsbedürftigen Rechtsbrechern, gefährlichen Rückfallstätern und geistig abnormen Rechtsbrechern in öffentliche Krankenanstalten für Psychiatrie wird darauf hingewiesen, daß psychische kranke Strafgefangene, die in einer (anderen) Justizanstalt nicht sachgemäß behandelt werden können, in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie zu überstellen sind, der Strafgefangene nach erfolgter Überstellung der Aufnahmeuntersuchung nach § 10 UbG zu unterziehen ist, die Voraussetzungen des § 3 Z 2 UbG geprüft werden müssen und abgesehen von den im Gesetz normierten Besonderheiten im übrigen für untergebrachte psychisch kranke Strafgefangene die Regelungen des UbG, insbesondere gerichtliches Verfahren, Vertretung, ärztliche Behandlung gelten. Nur für psychisch kranke Insassen, die in Justizanstalten behandelt werden, gelten ausschließlich die entsprechenden Bestimmungen des StVG (insbesondere §§ 66 f, 165 Abs 1 Z 1 und 166) (vgl Holzbauer-Brugger StVG 365-373).
Nach § 158 StVG ist die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher grundsätzlich in den dafür besonders bestimmten Anstalten zu vollziehen. Nach dessen Abs 4 darf die Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB unter bestimmten Voraussetzungen durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie vollzogen werden, während die Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB auch in besonderen Abteilungen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen vollzogen werden darf (Abs 5). Auch bei den Regelungen über die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterscheidet das Strafvollzugsgesetz ausdrücklich zwischen der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StG (§ 165 StVG) und jener nach § 21 Abs 2 StGB (§ 166 StVG) und normiert im § 167, daß, soweit die §§ 164 bis 166 nichts anderes bestimmen, die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 gelten. Es wird somit auch § 71 StVG übernommen.
§ 167 a StVG verpflichtet die öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie, die nach §§ 158 Abs 4 und § 161 eingewiesenen Personen - also nur nach § 21 Abs 1 StGB Verurteilte aufzunehmen und anzuhalten. Für diese wird normiert, daß für die Vollziehung der Anhaltung unter anderem die §§ 33 und 38 des UbG mit der Maßgabe gelten, daß anstelle des UbG das Vollzugsgericht entscheidet.
Nach der dargestellten Systematik und der klaren Trennung und der abweichenden Regelungen für Personen im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 1 StGB einerseits und Abs 2 andererseits, vor allem aber durch die ausdrückliche Einschränkung der Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes nur für jene (gemäß § 21 Abs 1 StGB verurteilten) Personen, die in eine Krankenanstalt für Psychiatrie nach § 158 Abs 4 StVG eingewiesen werden, kommt eine analoge Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen des § 167 a Abs 2 Z 1 StVG auch auf Personen im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs 2 StGB nicht in Betracht. Die Differenzierung ist nicht nur gerechtfertigt, weil nach § 21 Abs 2 StGB verurteilte Personen ja nicht unzurechnungsfähig, sondern nur geistig abnorm sind, sondern vor allem deshalb, weil die Unterbringung durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie nach § 158 Abs 4 StVG anstelle einer Unterbringung in einer besonders bestimmten Anstalt erfolgt, während in allen übrigen Fällen nur eine - vorübergehende - Überstellung eines grundsätzlich in einer Vollzugsanstalt Untergebrachten wegen einer dort diagnostizierten, aber nicht ausreichend behandelbaren aufgetretenen psychischen Krankheit vorgesehen ist. Stellt sich daher im Unterbringungsverfahren heraus, daß die zu prüfenden Voraussetzungen des § 3 UbG nicht gegeben sind, ist der Untergebrachte wieder in die von der Justizverwaltung angeordnete Vollzugsanstalt zurückzuüberstellen.
Aus allen genannten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes ist die Absicht des Gesetzgebers abzuleiten, den im Unterbringungsgesetz verankerten Persönlichkeitsschutz auch allen strafgerichtlich Verurteilten zukommen zu lassen, soweit sich nicht aus den Besonderheiten einer solchen Verurteilung zwingende Einschränkungen ergeben. Nur dies kann aus § 46 UbG abgeleitet werden, nicht aber eine mangelnde Zuständigkeit des Unterbringungsgerichtes, wo diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Wird daher ein nach § 21 Abs 2 StGB verurteilter abnormer Rechtsbrecher in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie oder eine psychiatrische Abteilung eines öffentlichen allgemeinen Krankenhauses überstellt, ist das Unterbringungsgericht zur Führung des Unterbringungsverfahrens mit den in § 71 StVG genannten Einschränkungen zuständig.
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