OGH 6Ob220/18y

OGH6Ob220/18y27.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Verein *****, vertreten durch Mag. Stefan Traxler, Rechtsanwalt in Mödling, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei M*****, vertreten durch Dr. Maximilian Schaffgotsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 15.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. September 2018, GZ 2 R 117/18s‑36, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 31. Juli 2018, GZ 5 Cg 144/17y‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00220.18Y.0227.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

1. Das Rekursgericht hat seinen über Antrag des klagenden Vereins abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, dieser werfe ihm eine unvertretbare Beurteilung des Bedeutungsinhalts der Äußerung des Beklagten vor. Der bloße Umstand eines solchen Vorwurfs rechtfertigt für sich allein aber noch nicht die Zulassung eines Revisionsrekurses (vgl 9 Ob 17/14m).

2. Es gelingt aber auch dem klagenden Verein nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:

2.1. In einer APA-Meldung vom 21. 11. 2017, welche mit //Verein ***** erhob Vorwurf des Raubes und Körperverletzung – Grundeigentümer// indiziert war (Beilage ./B), hieß es wie folgt:

Nach Zwischenfall bei Gatterjagd in S*****: Polizei ermittelt

S*****. Nach einer Anzeige von Tierschützern wegen Raubes bei einer Gatterjagd im F***** gestern Montag hat die Polizei Ermittlungen eingeleitet. M***** vom Verein ***** (V*****) erhob den Vorwurf, wonach zwei Aktivisten, die „friedlich von der öffentlichen Straße“ in das Jagdgatter filmten, von „Schlägern“ angegriffen worden seien. Diese hätten ihnen Film- und Fotomaterial geraubt. Die „Schläger“ seien Begleiter von Gatterjagdbesitzer [dem Beklagten] gewesen, der sich an diesen Übergriffen auch selbst beteiligt hätte, erklärte V*****-Obmann ***** in einer Aussendung. Wegen den Vorfällen in der ***** Au seien auch Anzeigen wegen Körperverletzung, Nötigung und gefährlicher Drohung in Vorbereitung. Der Wert der „geraubten Gegenstände“ betrage 1.300 EUR.

Jagdleiter und Grundeigentümer [der Beklagte] bestritt die Vorwürfe im Gespräch mit der APA vehement. Die Anschuldigungen seien eine „infame Lüge“. „Wir haben niemandem etwas geraubt, ich habe auch niemanden gewürgt.“ Dass er oder einer seiner Begleiter Personen tätlich angegriffen oder beraubt hätten, entbehre jeder Grundlage. „Meine Überzeugung ist, dass sie zum einen von ihren massiven, tätlichen Angriffen auf ein Jagdschutzorgan ablenken wollten und zum anderen, dass sie – auf Kosten der Wahrheit – ihre aktuelle Kampagne befeuern wollen.“ […]

Unter der Internet-Adresse http://salzburg.orf.at/news/stories/ ***** wurde folgender Artikel veröffentlicht:

Neue Runde im Wildschwein-„Krieg“

Der schwere und lange Konflikt zwischen dem Gatterjagd-Besitzer [dem Beklagten] und Tierschützern geht in die nächste Runde. Nun bezichtigen diese den Forstwirt und Jagdherrn des Raubes. Der weist das vehement zurück.

Nach einer Anzeige von Tierschützern wegen Raubes bei einer Gatterjagd im F***** gestern, Montag, hat die Polizei Ermittlungen eingeleitet. M***** vom Verein ***** (V*****) erhob den Vorwurf, wonach zwei Aktivisten, die „friedlich von der öffentlichen Straße“ in das Jagdgatter filmten, von „Schlägern“ angegriffen worden seien. Diese hätten ihnen Film- und Fotomaterial geraubt.

*****: „Verletzung, Nötigung, Drohung“

Die „Schläger“ seien Begleiter von Gatterjagd-Besitzer [dem Beklagten] gewesen, der sich an diesen Übergriffen auch selbst beteiligt hätte, erklärte V*****-Obmann ***** in einer Aussendung. Wegen den Vorfällen in der ***** Au seien auch Anzeigen wegen Körperverletzung, Nötigung und gefährlicher Drohung in Vorbereitung. Der Wert der „geraubten Gegenstände“ betrage 1.300 EUR.

[Der Beklagte]: „Infame Lüge“

Jagdleiter und Grundeigentümer [der Beklagte] bestritt die Vorwürfe im Gespräch mit der APA vehement. Die Anschuldigungen seien eine „infame Lüge“. „Wir haben niemandem etwas geraubt. Ich habe auch niemanden gewürgt.“ Dass er oder einer seiner Begleiter Personen tätlich angegriffen oder beraubt hätten, entbehre jeder Grundlage. „Meine Überzeugung ist, dass sie zum einen von ihren massiven, tätlichen Angriffen auf ein Jagdschutzorgan ablenken wollten und zum anderen, dass sie – auf Kosten der Wahrheit – ihre aktuelle Kampagne befeuern wollen.“ [...]

Die Vorinstanzen wiesen den auf § 1330 ABGB gestützten Sicherungsantrag ab, dem Beklagten die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, dass der klagende Verein im Zusammenhang mit einer Anzeige durch Tierschützer gegen den Beklagten aufgrund zweier Vorfälle am 20. 11. 2017 bei einer Gatterjagd im F***** eine „infame“ Lüge gegenüber dem Beklagten verbreite, und/oder sinngleicher Vorwürfe und Behauptungen den klagenden Verein betreffend zu verbieten.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden, immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (RIS‑Justiz RS0031883). Richtig ist dabei zwar, dass der Vorwurf einer Lüge sowohl ehrenrührig als auch kreditschädigend (vgl http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_19980115_OGH0002_0060OB00291_97F0000_000 [„Lügenmuseum“]; http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=4a27c94b-cab7-4385-a44b-ce32cedad6ef&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=6 Ob 315/02w&VonDatum=&BisDatum=22.11.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJT_20030320_OGH0002_0060OB00315_02W0000_000 [ErwGr IV]; 6 Ob 258/11a [ErwGr 3.4 f]) und außerdem eine Tatsachenbehauptung ist, kann doch geprüft werden, ob sie richtig ist (4 Ob 1092/95). Maßgeblich ist aber nicht, ob sich bloß der Kläger in einer bestimmten Art und Weise angesprochen fühlte, die sich weder aus der Äußerung selbst noch aus dem vermittelten Gesamteindruck ergab (6 Ob 230/17t).

Sowohl in der APA-Meldung als auch im ORF‑Artikel wurde der Beklagte ausdrücklich mit den Vorwürfen DDr. M*****s konfrontiert („erhob den Vorwurf“). Der klagende Verein wird nur insoferne erwähnt, als es heißt: „M***** vom Verein ***** (V*****)“ bzw „V*****-Obmann *****“, wobei letzteres unrichtig war, handelte es sich doch bei DDr. M***** nach dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zwar um einen Mitarbeiter des klagenden Vereins, der aber keine organschaftliche Vertretungsbefugnis innehatte. Der Beklagte bestritt „die Vorwürfe“, „die Anschuldigungen seien eine „infame Lüge““; den klagenden Verein erwähnte der Beklagte an sich nicht.

Dass, wie das Rekursgericht meinte, der Äußerung des Beklagten nicht zu entnehmen wäre, wem der Vorwurf (der infamen Lüge) gemacht wurde, entspricht allerdings nicht den Tatsachen: Zum einen ist bereits am Beginn der APA-Meldung von einer „Anzeige von Tierschützern“ die Rede, zum anderen ist die APA-Meldung selbst mit //Verein ***** erhob Vorwurf des Raubes und Körperverletzung – Grundeigentümer// indiziert. Der unbefangene Durchschnittsleser konnte deshalb durchaus den Vorwurf in Richtung DDr. M***** und des klagenden Vereins verstehen; letzterer ist somit aktiv legitimiert.

3. Nach dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt hat der Beklagte zwar einem beteiligten Tierschützer die von diesem mitgeführte Kamera und haben entweder der Beklagte oder einer seiner Mitarbeiter einem weiteren Tierschützer die von diesem mitgeführte Kamera und das Funkgerät weggenommen und wurde einer der beiden Tierschützer von einem Mitarbeiter des Beklagten an einem Kleidungsstück zurückgerissen, wodurch sich am Hals des Tierschützers Male abzeichneten. Unrichtig war aber der Vorwurf des klagenden Vereins bzw DDr. M*****s, der Beklagte sei einem der beiden Tierschützer beim Entwenden der Kamera auf die Hand gestiegen, der andere Tierschützer sei bis fast zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden, die beiden Tierschützer seien im Zuge der Auseinandersetzungen vom Beklagten oder seinen Mitarbeitern zu Boden geworfen worden, der Beklagte habe die Taschen eines der beiden Tierschützer durchsucht, das Zurückreißen des Tierschützers durch einen Mitarbeiter des Beklagten sei von diesem angeordnet worden bzw habe dieser den Mitarbeiter dazu aufgefordert und das Wegnehmen von Kamera und Funkgerät sei durch Gewaltanwendung bzw Drohung mit Gewalt geschehen.

Damit haben aber der klagende Verein bzw DDr. M***** gegen den Beklagten massiv ehrenrührige und kreditschädigende Anschuldigungen erhoben, die zum erheblichen Teil unrichtig waren. Wenn nun der Beklagte diesen medial ausgebreiteten Vorwürfen entgegentrat, sie bestritt und pauschal als „infame Lüge“ bezeichnete, so ist ihm zum einen – jedenfalls zum Teil – der Wahrheitsbeweis gelungen, dass es sich bei den Vorwürfen tatsächlich um Lügen handelte; zum anderen war die Behauptung einer infamen Lüge ein Werturteil, das hier auf einem Tatsachenkern beruhte (vgl RIS‑Justiz RS0031883 [T30, T32, T44]) und nicht als exzessiv (vgl RIS‑Justiz RS0032201 [T11, T19, T24, T25]) angesehen werden kann.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt im Revisionsrekursverfahren allerdings lediglich 15.000 EUR, der Ansatz für die Revisionsrekursbeantwortung gemäß TP 3 C RATG somit 607,80 EUR.

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