OGH 6Ob230/17t

OGH6Ob230/17t21.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***** G*****, vertreten durch Dr. Franz Krainer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei M***** N*****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 25.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2017, GZ 5 R 114/17x‑9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00230.17T.1221.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der vom Kläger gemäß § 1330 ABGB inkriminierten Äußerung des Beklagten: Wenn [der Kläger], wie kürzlich im Goldenen Saal des ***** auftritt, war das einfach ein Fehler. Wir [im W***** K*****] hätten das nicht gemacht, weil das Signale sind. Man muss wissen, wer [der Kläger] ist, wofür er steht und dann abwägen. Wir treffen auch gesellschafts- und kulturpolitische Aussagen, so harmlos ist das nicht. Auf der anderen Seite dienen wir auch keiner Ideologie. ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger damit eine „verbotene, verpönte, rechte Ideologie“ unterstellt und er damit „ins rechte Eck [ge]stellt“ worden wäre. Bei der Beurteilung von Äußerungen kommt es zwar nicht auf den subjektiven Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers an (RIS‑Justiz RS0031883); maßgeblich ist aber auch nicht, ob sich bloß der Kläger in einer bestimmten Art und Weise angesprochen fühlt, die sich weder aus der Äußerung selbst noch aus dem vermittelten Gesamteindruck ergibt.

2. Die Vorinstanzen haben vielmehr – und dies im Einklang mit den vorgelegten Bescheinigungsmitteln – darauf abgestellt, dass der Kläger (abseits seiner künstlerischen Darbietungen) von Teilen des Publikums aufgrund seiner öffentlichen Kommentare zum sozialen Wandel im Zusammenleben von Männern und Frauen („Gender-Wahnsinn“, Ablehnung der Änderung des Textes der Bundeshymne [„Heimat großer Söhne und Töchter“], „Frau soll bei den Kindern bleiben“, „Wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht, [hat] man es mittlerweile schwer in diesem Land“) wahrgenommen wird. Aufgrund dieser Aussagen hat der Kläger aber – durchaus im Sinne der Rechtsprechung zu Äußerungen von Politikern in Ausübung ihres öffentlichen Amts (RIS‑Justiz RS0115541) – einen höheren Grad an Toleranz zu zeigen, hat er damit doch selbst öffentliche Äußerungen getätigt, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen. Dass, wie der Kläger im Revisionsrekursverfahren meint, diese Rechtsprechung bloß auf Politiker anzuwenden wäre, trifft nicht zu (vgl etwa EGMR 10. 7. 2012, Bsw 46443/09 [Björk Eidsdottir/Island] – Geschäftsmann, der in einem umstrittenen Geschäftsfeld tätig wird; EGMR 1. 12. 2009, Bsw 5380/07 [Karsai/Ungarn] – Wissenschaftler, die sich als Autoren von Beiträgen in Tageszeitungen an einer öffentlichen Debatte beteiligen; EGMR 6. 5. 2010, Bsw 17265/05 [Brunet Lecomte und Lyon Mag/Frankreich] – Wissenschaftler, die ihre Ideen und Überzeugungen in Vorträgen öffentlich machen).

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