OGH 6Ob219/16y

OGH6Ob219/16y29.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. D***** S*****, 2. D***** S*****, 3. V***** J*****, 4. L***** Z*****, 5. L***** P*****, 6. S***** Z*****, 7. J***** T*****, 8. P***** B*****, 9. Prof. R***** G*****, und 10. C***** S*****, alle vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegnerinnen der gefährdeten Parteien 1. A***** Gesellschaft mbH, *****, sowie 2. Dr. M***** D*****, beide vertreten durch Dr. Johannes Hübner und Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 31.000 EUR), Widerruf (Streitwert 500 EUR) und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert 500 EUR, Streitwert im Provisorialverfahren 31.000 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 7. Oktober 2016, GZ 5 R 131/16y‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat zur Aktivlegitimation im Zusammenhang mit persönlichkeitsrechtlichen Ansprüchen in der Entscheidung 6 Ob 321/04f eingehend Stellung genommen. Diese Entscheidung betraf den Vergleich des Schicksals von Insassen in nationalsozialistischen Konzentrations‑ und Vernichtungslagern mit der Situation von Tieren in Massentierhaltungen. Demnach genügt für die Identifizierbarkeit der Kläger nicht, dass diese jüdischer Herkunft waren und einen Großteil ihrer Familien in Konzentrationslagern verloren haben. Vielmehr verlange das Kriterium der Überschaubarkeit nach einer Feststellung der persönlichen Lebensverhältnisse der Kläger während der NS‑Zeit.

Im vorliegenden Fall wurden im inkriminierten Artikel unter der Überschrift „Mauthausen – Befreite als Massenmörder“ die vom NS‑Regime auch aufgrund ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder ihrer politischen Gesinnung inhaftierten Häftlinge nicht nur als „Kriminelle“ bezeichnet, sondern diesen auch noch pauschal unterstellt, schwerste kriminelle Handlungen begangen zu haben. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage zu der Einschätzung gelangten, dass die Kläger (Widerstandskämpfer bzw politisch und aus rassischen Gründen Verfolgte bzw eine Erbin eines aus rassischen Gründen Verfolgten) von den inkriminierten Äußerungen in ausreichendem Maß betroffen sind (vgl 6 Ob 21/99b; RIS‑Justiz RS0111732), und es den Vorwürfen nicht nur in moralischer Hinsicht an Respekt vor den Opfern des Nationalsozialismus mangle, sondern es sich um unwahre und an Intensität kaum zu überbietende Vorwürfe von kriminellem Verhalten handle, so ist darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

Abgesehen davon, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen Feststellungen zum persönlichen Lebensschicksal der Kläger enthalten und damit den in der Entscheidung 6 Ob 321/04f entwickelten Anforderungen Rechnung getragen wird, handelt es sich beim Kriterium der Überschaubarkeit nur um ein Auslegungskriterium zur Frage, wer von der Äußerung betroffen ist (6 Ob 21/99b). Dass nahe Angehörige das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen geltend machen können, entspricht herrschender Rechtsprechung (6 Ob 283/01p SZ 2002/107; RIS‑Justiz RS0116720).

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