OGH 6Ob2094/96a

OGH6Ob2094/96a20.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael Johann J*****, vertreten durch Dr.Elisabeth Fechter-Petter, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard W*****, vertreten durch Dr.Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wegen 41.809,92 S und Räumung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 9.Jänner 1996, GZ 41 R 1001/95z-25, womit dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.November 1995, GZ 42 C 240/94w-21, Folge gegeben und der Antrag der beklagten Partei auf Verfahrensunterbrechung abgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei (ON 24) wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit S 7.605,-- (darin S 1.267,50 USt) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien haben im Jahr 1983 hinsichtlich eines Geschäftslokales einen Untermietvertrag abgeschlossen.

Mit der am 7.6.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger als Hauptmieter des Geschäftslokals vom Beklagten als Untermieter einen Mietzinsrückstand von S 41,809,92 und die Räumung des Geschäftslokals.

Der Beklagte hat am 12.10.1995 bei der zuständigen Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt Wien einen Antrag eingebracht, mit dem er die Feststellung begehrt, daß er von September 1983 bis Oktober 1995 einen mindestens um S 7.500,-- (gemeint: monatlich) überhöhten Mietzins gezahlt habe. Der Antragsgegner (der Kläger) habe das Geschäftslokal ausschließlich zu dem Zweck angemietet, um durch gänzliche Untervermietung an den Beklagten einen dem § 26 MRG widersprechenden, weit überhöhten Untermietzins "zu lukrieren". Der Beklagte stellte im Verfahren vor der Schlichtungsstelle den weiteren Antrag auf Feststellung, daß er seit 1.9.1983 Hauptmieter des Geschäftslokales sei und daß daher der Kläger dem Beklagten keinen über den eigentlichen Hauptmietzins hinausgehenden Untermietzins hätte vorschreiben dürfen.

In der Tagsatzung vom 13.10.1995 stellte der Beklagten den Antrag, das Zivilverfahren im Hinblick auf das präjudizielle Verfahren vor der Schlichtungsstelle zu unterbrechen (S 1 zu ON 20).

Das Erstgericht unterbrach den Zivilprozeß gemäß § 41 MRG bis zur rechtskräftigen Beendigung des vor der Schlichtungsstelle anhängigen Verfahrens. Es bejahte die Präjudizialität dieses Verfahrens.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und wies den Unterbrechungsantrag des Beklagten ab. Die Unterbrechung eines Rechtsstreits gemäß § 41 MRG setze voraus, daß einem anhängigen Verfahren nach § 37 MRG ein tauglicher Antrag zugrundeliege und daß dieses Verfahren für den Rechtsstreit präjudiziell sei. Ein Antrag sei dann als untauglich anzusehen, wenn er auf etwas gerichtet sei, wofür das außerstreitige Verfahren nicht vorgesehen sei oder wenn der Antrag nach der materiell rechtlichen Rechtslage aussichtslos sei. Diese Aussichtslosigkeit sei hinsichtlich des Antrages des Beklagten an die Schlichtungsstelle in dem Punkt zu bejahen, wo die Feststellung der Hauptmietereigenschaft des Beklagten begehrt werde.

Bei Abschluß des Untermietvertrages im Jahr 1983 sei vom Gesetz hinsichtlich eines gemäß § 26 MRG alt als unverhältnismäßig anzusehenden Untermietzinses keine Teilnichtigkeit vorgesehen gewesen. Es sei nun zu prüfen, ob auf den gegenständlichen Fall die Bestimmungen des MRG in der alten oder in der Fassung des 3. WÄG anzuwenden seien. Die Übergangsbestimmungen zum 3. WÄG sähen keine ausdrückliche Bestimmung zu § 26 MRG vor. Art II Abschn II Z 5 des 3. WÄG normiere allgemein, daß eine vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossene, nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses ihre Rechtswirksamkeit behalte. Aus dem Sinn dieser Übergangsbestimmungen und in Verbindung mit anderen Regelungen ergebe sich, daß für Vereinbarungen und Vorgänge vor Inkrafttreten des 3. WÄG möglichst die bisherige Regelung aufrechterhalten werden solle. Für Untermietzinsvereinbarungen, die vor dem 1.3.1994 geschlossen worden seien, sei § 26 MRG alt anzuwenden. Selbst wenn man den Antrag des Beklagten an die Schlichtungsstelle als Begehren auf Ermäßigung des Untermietzinses auffaßte, könnte der Beklagte lediglich eine Herabsetzung des Untermietzinses für die Zukunft ab Antragstag (1.11.1995) erwirken, somit also für Mietzinse, die nicht Gegenstand des Zivilprozesses seien. Das vor der Schlichtungsstelle anhängige Verfahreen sei daher nicht präjudiziell.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, welche Fassung des § 26 MRG seit dem Inkrafttreten des 3. WÄG auf vor dem 1.3.1994 geschlossene Untermietzinsvereinbarungen anzuwenden sei, fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Aufhebung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz; hilfsweise wird die Zurückverweisung der Rechtssache an die Unterinstanzen zur "Neuschöpfung eines Beschlusses" beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, nach bewilligter Wiedereinsetzung rechtzeitig und im Sinne einer Abänderung durch Wiederherstellung des Beschlusses erster Instanz auch berechtigt.

Trotz des verfehlten primär gestellten Rekursantrages auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist es nach der Rekurserzählung (S 11 f) völlig klar, daß der Rekurswerber die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebt, sodaß von einem Abänderungsantrag ausgegangen werden kann und die Sache meritorisch zu erledigen ist. Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig.

Auch der Beklagte erblickt in seinem vor der Schlichtungsstelle gestellten Antrag auf Feststellung seiner Hauptmietereigenschaft nicht mehr einen präjudiziellen Grund für die Verfahrensunterbrechung. Es trifft zu, daß schon auf Grund des Antragsvorbringens mangels Schlüssigkeit die Präjudizialität verneint werden kann.

Der weiters vor der Schlichtungsstelle gestellte Antrag auf Feststellung der Zahlung überhöhter (Unter-)Mietzinse wäre dann für den Räumungsstreit präjudiziell, wenn bejaht werden könnte, daß dem Beklagten dem Grunde nach ein Rückforderungsanspruch wegen bezahlter Untermietzinse zustehe. Nach § 26 Abs 1 MRG idF vor dem 3. WÄG (BGBl 1993/800) durfte der mit dem Untermieter vereinbarte oder vom Untervermieter begehrte Untermietzins die im Vergleich zu dem vom Untervermieter zu entrichtenden Mietzins und etwaigen sonstigen Leistungen des Untervermieters angemessene Gegenleistung nicht unverhältnismäßig übersteigen. Wenn der vereinbarte oder begehrte Untermietzins eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung darstellte, konnte der Untermieter vom Untervermieter verlangen, daß der Untermietzins ab dem folgenden Zinstermin auf die angemessene Gegenleistung ermäßigt werde (Abs 2 leg cit). Aus dieser Gesetzesbestimmung haben Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß mangels gesetzlicher Anordnung einer Teilnichtigkeit des unverhältnismäßigen Untermietzinses (anders als beim Hauptmietzins: § 16 Abs 5 MRG alt) dem Untermieter nur ein Ermäßigungsanspruch pro futuro ab Antragstag, nicht aber ein Rückforderungsanspruch für die Zeit davor zustehe (MietSlg 39.388; Würth in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 26 MRG). Die unterschiedliche Behandlung von Untermietern und Hauptmietern hat der Verfassungsgerichtshof für verfassungskonform erachtet (MietSlg XXXIX/1). Der erkennende Senat hat allerdings im Fall einer vom Untermieter bezahlten gesetzwidrigen Ablöse einen Rückforderungsanspruch des Untermieters bejaht und ganz allgemein die Auffassung vertreten, daß nach § 26 MRG unzulässige Untermietzinszahlungen des Untermieters der Rückforderung nach § 27 Abs 3 MRG unterlägen. Unter dem im § 27 Abs 1 MRG verwendeten Begriff "Mieter" sei unterschiedslos sowohl der Haupt- als auch der Untermieter zu verstehen, wie dies auch in Rechtsprechung und Schrifttum nie bezweifelt worden sei. Dies gehe auch aus der Bestimmung des § 27 Abs 3 MRG hervor, in dem § 26 MRG ausdrücklich zitiert werde (6 Ob 603/93 = WoBl 1994/43). Bei Richtigkeit und Aufrechterhaltung dieser von Würth in seiner (an die angeführte Stelle anschließenden) Entscheidungsbesprechung kritisierten Rechtsmeinung stünde die Präjudizialität des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle für den vorliegenden Räumungsstreit fest. Die gestellte Rechtsfrage muß aber hier nicht neuerlich geprüft und entschieden werden, weil die Präjudizialität des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde sich auch aus der Auslegung der Übergangsbestimmungen des 3. WÄG ergibt. Dazu ist folgendes auszuführen:

Mit der am 1.3.1994 in Kraft getretenen Änderung des MRG wurde in der Frage der Teilnichtigkeit und der Rückforderung gesetzwidrig zu viel gezahlter Zinse eine Gleichstellung von Hauptmietern und Untermietern normiert. Nach § 26 Abs 3 MRG idF des 3. WÄG sind Vereinbarungen über den Untermietzins insoweit unwirksam, als der vereinbarte Untermietzins den nach Abs 1 und 2 leg cit zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen 3 Jahren gerichtlich geltend zu machen. Die Übergangsbestimmungen des Art II, II. Abschnitt Z 5 des 3. WÄG gilt ganz allgemein für Mietzinsvereinbarungen und ordnet an, daß eine vor dem Inkrafttreten des I. Abschnittes geschlossene, nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses ihre Rechtswirksamkeit behält. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses bleibt rechtsunwirksam. Das Rekursgericht vertritt die Auffassung, daß eine Übergangsbestimmung zu § 26 MRG fehle und verneint die analoge Anwendbarkeit der angeführten für Hauptmietzinsvereinbarungen getroffenen Regelung. Da das Gesetz aber in der zitierten Übergangsbestimmung den Begriff "Mietzins" verwendet, ohne Hauptmietzins und Untermietzins zu unterscheiden (an anderen Stellen der Übergangsbestimmung wird nur auf Hauptmietverträge abgestellt), ist der Begriff als Oberbegriff aufzufassen. Die Regelung gilt daher auch für Untermietzinsvereinbarungen. Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich auch aus folgenden weiteren Überlegungen: Mangels konkreter Übergangsbestimmungen wäre das neue Recht auf Altverträge grundsätzlich nicht anwendbar. Die Rückwirkung von Gesetzen ist zwar nicht ausgeschlossen, gemäß § 5 ABGB jedoch grundsätzlich nicht anzunehmen. Auch der zwingende Charakter der (neuen) Norm läßt noch nicht den Schluß zu, daß der Gesetzgeber sie rückwirkend in Kraft setzen wollte (5 Ob 51/92). Grundsätzlich kommt es für die Rechtswirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen auf das im Abschlußzeitpunkt geltende Recht an (5 Ob 149/95). Diese Auffassung wird bei Dauerschuldverhältnissen ganz allgemein vertreten (5 Ob 51/92; SZ 50/78). Es ist allerdings die wichtige Einschränkung zu machen, daß zwar die Beurteilung anspruchsbegründender Tatbestände, die bereits vollständig verwirklicht sind, prinzipiell nach der im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden Rechtslage zu erfolgen hat (5 Ob 98/94), daß aber bei Dauertatbeständen der weiterhin andauernde Zustand nach den Vorschriften des neues Gesetzes zu beurteilen ist, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen. Aufgrund dieser Rechtslage ist zunächst klargestellt, daß Untermietzinsvereinbarungen und Zahlungen aus der Zeit vor dem 1.3.1994 auf jeden Fall nach der alten Rechtslage zu beurteilen sind. Die Übergangsbestimmungen des Art II, II. Abschnitt Z 1 des 3. WÄG ordnet an, daß insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, der I. Abschnitt auch für Miet- und Nutzungsverträge hielt, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden sind. Nach der Z 8 der Übergangsbestimmungen sind die §§ 20 Abs 1 Z 1 lit g und 27 Abs 3 und 4 MRG idF des I. Abschnitts (mit diesen wurden die Bestimmungen des MRG geändert) auf Leistungen, die vor dem 1.3.1994 erbracht wurden, nicht anzuwenden. § 27 Abs 3 idF des 3. WÄG ordnet eine 3-jährige Verjährungsfrist hinsichtlich der Rückforderung von entgegen den Bestimmungen der §§ 15 bis 26 vereinnahmten Leistungen (also auch von überhöhten Untermietzinszahlungen) an. Aus diesen Gesetzesbestimmungen ist abzuleiten, daß der erstmalig im Gesetz ausdrücklich geregelte Rückforderungsanspruch des Untermieters (§ 26 Abs 3 MRG neu) nach der neuen Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Anspruch nach dem 1.3.1994 entstanden ist, also wenn die gesetzwidrige überhöhte Untermietzinszahlung nach diesem Zeitpunkt erfolgte. Dies entspricht der schon dargestellten Rechtsprechung, daß bei Dauerrechtsverhältnissen das neue Recht auf Tatbestände anzuwenden ist, die nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verwirklicht wurden. Mangels entgegenstehender Übergangsbestimmungen steht der neu eingeführte Rückforderungsanspruch des Untermieters nach § 26 Abs 3 MRG schon ab 1.3.1994 zu. Nur für die Zeit davor ist wegen des Rückwirkungsverbotes davon auszugehen, daß ein Rückforderungsanspruch des Mieters erst für die Zeit nach Stellung eines Ermäßigungsantrages nach § 26 Abs 2 alt MRG entstehen konnte (soferne man nicht die in WoBl 1994/43 vertretene Ansicht teilt). Die vom Beklagten im Verfahren vor der Schlichtungsstelle geltend gemachten gesetzwidrigen Untermietzinszahlungen von S 7.500,-- monatlich können daher zumindest ab 1.3.1994 nicht schon vor der Prüfung des Sachverhaltes als keinesfalls zu Recht bestehend erkannt werden. Daraus ergeben sich aber die Präjudizialität des Verwaltungsverfahrens für den Räumungsstreit und demgemäß das Vorliegen eines Grundes für die vom Gesetz zwingend vorgesehene Unterbrechung des Verfahrens (§ 41 MRG). Es ist daher in Abänderung der Rekursentscheidung der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes ist das Verfahren über einen Unterbrechungsantrag im Zivilprozeß nicht zweiseitig im Sinne des § 521 a ZPO. Die Rekursbeantwortung des Beklagten (ON 24) ist daher zurückzuweisen. Gleiches gilt für die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers.

Da es sich bei der Entscheidung über den Unterbrechungsantrag des Beklagten, gegen den der Kläger opponiert hat, um einen Zwischenstreit handelt, hat der Kläger dem obsiegenden Beklagten die Revisionsrekurskosten zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).

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