Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs und der Antrag der Revisionsrekurswerber auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Firmenbuchgericht verhängte über zwei Geschäftsführer der Gesellschaft mbH, die der Aufforderung nicht nachgekommen waren, den Jahresabschluss zum 28. 2. 1998 beim Firmenbuchgericht einzureichen, die angedrohten Zwangsstrafen von je 10.000 S. Der Jahresabschluss wurde am 14. 7. 2000, also erst nach Erlassung des Strafbeschlusses eingereicht. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gesellschaft und ihrer Geschäftsführer nur hinsichtlich des einen zum Zeitpunkt der Straffestsetzung nicht mehr vertretungsbefugten Geschäftsführers Folge und bestätigte die über den anderen Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe.
Mit ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Gesellschaft und der Geschäftsführer die (ersatzlose) Aufhebung der Zwangsstrafe, hilfsweise den Ausspruch, "dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht weiter vollstreckt werden darf".
Rechtliche Beurteilung
Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RS0110629).
Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH; vor allem der Entscheidung vom 4. Dezember 1997, Slg 1997 I-6843 - Daihatsu - EuZW 1998, 45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN; RIS-Justiz RS0113282). Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s = ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157 ua). Eine Nachholung der Offenlegung erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.
Auf die Frage des (auch) strafrechtlichen (repressiven oder punitiven) Charakters der Zwangsstrafe nach § 283 HGB braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rechtsmittelwerber führen nur allgemein aus, nach der Entscheidung des VfGH - gemeint die Beschlüsse des VfGH vom 5. Oktober 1999, Zl G 60/99, vom 13. Oktober 1999, Zl G 61/99 ua und vom 29. November 1999, Zl G 156, 157/99 - käme der Zwangsstrafe nach § 283 HGB kein punitiver Charakter zu. Eine abschließende Stellungnahme dazu erübrigt sich hier, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem Punitivcharakter der Zwangsstrafe kann sich in einem solchen Fall erst bei ihrer Einbringung stellen. Erst dann kann geprüft werden, ob die bereits verhängte Zwangsstrafe zu vollziehen ist.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, wird das Firmenbuchgericht zu entscheiden haben (RdW 2001, 598 ua).
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