European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00020.24W.0515.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Datenschutzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, der Beschwerdegegnerin die mit 833,96 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Betreffend die Kinder der Beschwerdeführerin ist ein Pflegschaftsverfahren mit 14 Aktenbänden und rund 1500 Ordnungsnummern anhängig.
[2] In Bezug auf dieses Verfahren begehrte die Beschwerdeführerin die Feststellung, durch Organe des Pflegschaftsgerichts in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt worden zu sein.
[3] Das Erstgericht wies den Antrag hinsichtlich der Beschwerdepunkte 1 bis 50 als verfristet zurück und hinsichtlich der Beschwerdepunkte 51 bis 69 ab.
[4] Dieser Beschluss erwuchs hinsichtlich der Beschwerdepunkte 1 bis 44 in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der gegen die Entscheidung über die übrigen Beschwerdepunkte (45 bis 69) erhobene Rekurs der Beschwerdeführerin ist nicht zulässig.
1. Das Erfordernis der erheblichen Rechtsfrage nach § 85 Abs 5 GOG für die Zulässigkeit des Zugangs zum Obersten Gerichtshof ist auf alle im Zuge eines Verfahrens nach § 85 GOG ergehenden selbstständig anfechtbaren Entscheidungen anzuwenden (RS0130080). Von einer Rechtsfrage der in § 85 Abs 5 GOG bezeichneten Qualität hängt die Entscheidung im vorliegenden Fall jedoch nicht ab:
[6] 2. Über die unter den Beschwerdepunkten 45, 46 und 49 ohne nähere Ausführungen als rechtswidrig relevierte Übermittlungen an die Bezirkshauptmannschaft, bei der der zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger eingerichtet ist, und über die der Volksschule der Kinder erteilte Information darüber, dass (in jenem Zeitpunkt) beide Elternteile obsorgeberechtigt waren, wurde der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 26. 5. 2020 (ON 250) bzw am 9. 6. 2020 informiert (ON 264). Die Beschwerdeführerin – der das Wissen ihres Verfahrenshelfers zuzurechnen ist – hat daher ihre Beschwerde nicht binnen einem Jahr ab dem Tag, an dem sie von der Entscheidung oder dem Vorgang Kenntnis erlangt hat, eingebracht (§ 85 Abs 4 GOG).
[7] Zu den Beschwerdepunkten 47, 48 und 50, zu denen das Erstgericht ausführte, soweit die Beschwerde insoweit als rechtzeitig anzusehen wäre, wäre der Antrag abzuweisen, steht fest, dass solche angeblichen „Übermittlungen von Aktenteilen“ gar nicht stattgefunden haben.
[8] 3. Auch hinsichtlich der Beschwerdepunkte 51 bis 69 kann der Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:
[9] 3.1. Über eine Beschwerde wegen einer Verletzung im Grundrecht auf Datenschutz nach § 85 Abs 1 GOG im engen Rahmen der justiziellen Tätigkeit ist grundsätzlich im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 85 Abs 2 GOG [„soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist“]). Während ein Antrag im Verfahren außer Streitsachen nach § 9 Abs 1 AußStrG kein bestimmtes Begehren enthalten muss, wiewohl der Antragsteller auch nach dieser Bestimmung „hinreichend“ erkennen lassen muss, welche Entscheidung er anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet, stellt § 85 Abs 3 GOG höhere Anforderung an die Präzisierungspflicht eines Beschwerdeführers. Dazu stellen die Gesetzesmaterialien klar, dass, obgleich die Beschwerde grundsätzlich im Verfahren außer Streitsachen behandelt werden solle, gewisse Fragen abweichend geregelt werden müssten: „Weil es sich zum einen nicht um ein Rechtsfürsorgeverfahren handelt, und zum anderen, um keine unscharfen Begehrlichkeiten entstehen zu lassen, muss bereits die Beschwerde selbst einen konkreten Mindestinhalt aufweisen“ (ErläutRV 613 BlgNR 22. GP 20; vgl auch 6 Ob 197/14k).
[10] 3.2. Diesen Mindestinhalt in Form der Angabe, worin die Beschwerdeführerin konkret die Verletzung ihrer Rechte sieht, lässt ihr Antrag aber vermissen. Sie legte im erstinstanzlichen Verfahren nicht dar (und auch im Rekurs nicht), welche persönlichen Daten von ihr in einer ihr Recht auf Wahrung des Geheimnisschutzes verstoßenden Weise geoffenbart worden wären. Der Umstand, dass sich, wie sie anlässlich der ihr vom Erstgericht aufgetragenen Verbesserung ihres Antrags behauptete, der Pflegschaftsakt (damals) beim Rechtsmittelgericht befand, hätte ihre Akteneinsicht nicht gehindert, zumal sie Partei der dazu anhängigen Rechtsmittelverfahren und insoweit auch Partei iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG des erstinstanzlichen Pflegschaftsverfahrens war. Dass sie einen Versuch einer Akteneinsicht unternommen oder einen diesbezüglichen formellen Antrag gestellt hätte, behauptete die Beschwerdeführerin zudem gar nicht.
[11] Sie stellte vielmehr die Pauschalbehauptung auf, es seien von mehreren Organen des Pflegschaftsgerichts eine „ganze Anzahl vertraulicher Unterlagen aus Gerichtsakten, die ihre Person betreffen, an zumindest eine von der Akteneinsicht ausgenommene Stelle weitergegeben“ worden. In ihrer Verbesserung listete sie viele Beschwerdepunkte auf, wobei sie zwar Ordnungsnummern und angebliche Empfänger (überwiegend jene Bezirkshauptmannschaft, bei der der zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger eingerichtet ist) nannte. Sie gab aber zu keinem Punkt auch nur ein einziges personenbezogenes Datum von ihr, mit dem sie auf eine stattgefundene Rechtsverletzung Bezug genommen hätte, an oder konkretisierte den Inhalt der „Übermittlungen“ zu den Punkten 51 bis 69 näher. Die standardmäßig monierte „Übermittlung“ nicht näher genannter Aktenteile ließ damit nicht hinreichend erkennen, inwiefern Daten ihre Person betreffend preisgegeben worden wären. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass diese Pauschalbeschwerde in Punkt 53 mit dem Vorwurf „oder [das Pflegschaftsgericht] erteilte Auskunft über Obsorgeverhältnisse“ kombiniert worden war, weil – angesichts der damals (im Oktober 2020) bestehenden Obsorgeverhältnisse über die Kinder – auch daraus nicht auf eine Bekanntgabe persönlicher Daten der Beschwerdeführerin zu schließen ist. Aus ihren Behauptungen konnte daher insgesamt nicht hergeleitet werden, inwiefern durch eine Übermittlung von „Aktenteilen“ welche grundrechtlich geschützten Daten der Antragstellerin unberechtigterweise weitergegeben worden sein sollten.
[12] 3.3. Im Hinblick auf diese fehlende Konkretisierung liegt auch keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor. Es ist nicht Aufgabe des Beweisverfahrens, überhaupt erst durch die Einvernahme von Zeugen (unter anderem von siebzehn, teilweise gar nicht namentlich genannten Richtern) einen möglicherweise im gegebenen Zusammenhang relevanten Sachverhalt zu bisher nicht spezifizierten Handlungen und Vorgängen zu erkunden (siehe 6 Ob 135/20a [ErwGr 2.3.]).
[13] 3.4. Das Erstgericht hielt der Beschwerdeführerin bereits unter Hinweis auf die Anforderungen nach § 85 Abs 3 GOG vor, dass Beschwerdepunkte mangels Konkretisierung nicht überprüfbar seien. Der Rekurs legt nicht dar, warum diese Beurteilung unrichtig sein sollte, und nennt an keiner einzigen Stelle irgendein konkretes personenbezogenes Datum der Beschwerdeführerin, das (an wen auch immer) preisgegeben worden sein sollte. Wenn darin die „hier interessierende Frage der Übermittlung von Akten(bestandteilen) und Gewährung von Auskünften an Dritte“ erneut ohne Substrat aufgeworfen wird und ohne Konkretisierung auf „inkriminierte Handlungen/Vorgänge“ verwiesen wird, vermag das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage anzusprechen, zumal eine solche vom Obersten Gerichtshof nur bezogen auf substantiierte Vorwürfe (denen auch konkrete Feststellungen folgen können), nicht aber unabhängig davon abstrakt und allgemein zu lösen ist (vgl RS0111271).
[14] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf § 78 Abs 2 AußStrG iVm § 85 Abs 5 letzter Satz GOG (RS0130481). Warum 180 % Einheitssatz zustehen sollten, ist unerklärlich.
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