European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00179.23A.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.100,52 EUR (darin enthalten 183,42 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Mieter, die Beklagten sind Vermieter der rund 45 m² großen Wohnung Top 7 im Haus * (Tirol). Es besteht ein unbefristetes Bestandverhältnis, das dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt.
[2] Die Wohnung war zu Beginn des Mietverhältnisses nur mit einem Holzofen ausgestattet und wurde mit diesem beheizt, wobei der Kläger zusätzlich Elektroheizkörper zur Beheizung des Bades und der beiden Schlafzimmer verwendete. Eine Voreigentümerin der Liegenschaft errichtete vor dem Jahr 2004 in dem Wohnhaus eine Zentral‑Gasheizungsanlage, mit der alle Wohnungen mit Warmwasser versorgt und über Heizkörper beheizt wurden. Im Zuge der Errichtung der Heizungsanlage vereinbarten der Kläger und diese Voreigentümerin die Zurverfügungstellung der Wohnung des Klägers mit Versorgung über die zentrale Heizungsanlage. Eine Vereinbarung über die Bezahlung eines höheren Mietzinses wurde nicht geschlossen, sondern der Zugang des Klägers zur zentralen Heizungsanlage ohne Beteiligung an den Kosten des Betriebs vereinbart.
[3] Als der Kläger nach einem fünfmonatigen Auslandsaufenthalt am 4. 12. 2016 in die Wohnung zurückkam, waren die in der Wohnung installierten Heizkörper trotz geöffneter Ventile kalt. Der Kläger informierte die Beklagten unverzüglich darüber, dass die Heizung in seiner Wohnung nicht funktioniere. Der Holzofen hat nur eine sehr geringe Wärmespeichermöglichkeit, sodass an sehr kalten Tagen etwa halbstündlich Holz nachgelegt werden müsste, um eine Heizleistung von 4,5 kW zu halten. Selbst dann kann damit bei Außentemperaturen unter minus 1 Grad Celsius nicht die gesamte Wohnung auf 20 Grad Celsius beheizt werden. Der Kläger verließ deshalb am 10. 12. 2016 die Wohnung und übersiedelte an diesem Tag mit seiner Ehefrau und seinem Kleinkind in ein von ihm angemietetes Appartement. Trotz mehrmaliger Nachfragen des Klägers unternahmen die Beklagten von 4. 12. 2016 bis 4. 4. 2017 nichts für eine Beheizung der Wohnung. Sie beauftragten auch keinen Installateur mit der Überprüfung der Heizung. Im Bereich des Heizraums im Dachgeschoß, in dem die Heizungsleitungen zur gegenständlichen Wohnung führen, verhinderte ein eingebauter Bypass zwischen dem Heizungsvorlauf und dem Heizungsrücklauf eine Versorgung der Wohnung mit Wärme bei Außentemperaturen unter 2 Grad Celsius, was den Beklagten nicht bekannt war.
[4] Der Kläger begehrt – soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz – gestützt auf Schadenersatz 7.700 EUR an Kosten der von ihm angemieteten Ersatzwohnung. Die von den Beklagten vermietete Wohnung sei im Winter 2016/2017 nicht beheizbar gewesen, weshalb der Kläger ein Ersatzobjekt mieten habe müssen.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels gänzlicher Unbrauchbarkeit der Wohnung ab.
[6] Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Die Wohnung sei wegen fehlender Beheizbarkeit unbrauchbar gewesen. Die Beklagten hafteten für den daraus entstandenen Schaden des Klägers.
[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil es sich zur Frage der Gestattung der kostenlosen Benützung einer nachträglich eingebauten Heizungsanlage im Rahmen eines entgeltlichen Bestandvertrags und Verneinung eines Einflusses auf die Erhaltungspflicht nicht auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen habe können.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:
[9] 1. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit und eine Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[10] 2.1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss, entziehen sie sich zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit im Allgemeinen generellen Aussagen (RS0112106 [T1]; RS0042936).
[11] 2.2. Das Berufungsgericht war der Auffassung, aufgrund der festgestellten Vereinbarungen mit der Voreigentümerin sei die Versorgung der Wohnung über die zentrale Heizungsanlage Inhalt des Mietvertrags geworden und durch den bisherigen Mietzins abgegolten. Im Hinblick auf die „Einbettung“ dieser Vereinbarung in das bestehende Mietverhältnis sei dies einer unentgeltlichen Zurverfügungstellung der zentralen Heizungsanlage nicht gleichzuhalten.
[12] Damit hat das Berufungsgericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten, zumal nach den Feststellungen ausdrücklich die (künftige) Zurverfügungstellung der Wohnung des Klägers mit Versorgung über die zentrale Heizungsanlage vereinbart worden war und die Mietzinsgestaltung insoweit grundsätzlich der Disponibilität der Parteien unterliegt (vgl etwa zu einem Pauschalmietzins inklusive der Aufwendungen für die Zentralheizung 5 Ob 8/88). Überdies führt nach der Rechtsprechung etwa auch die Gestattung der Mitbenützung weiterer (auch allgemeiner) Räume oder Flächen durch den Bestandgeber im Zweifel nicht zu einer jederzeit widerruflichen Benützungsüberlassung, sondern zu einer konkludenten Ausdehnung des Gebrauchsrechts des Bestandnehmers aus dem Bestandvertrag, und zwar selbst ohne Entrichtung eines zusätzlichen Entgelts (vgl 4 Ob 83/15g [ErwGr 3. f]; RS0014302).
[13] 3.1. Eine Gemeinschaftsanlage iSd § 24 Abs 1 MRG liegt vor, wenn es allen Mietern aufgrund einer Vereinbarung rechtlich frei steht, sie gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs zu benutzen (RS0070297 [T4]; RS0069987). Es darf kein Mieter, für den eine Nutzung der Anlage sinnvoll ist, von der Benützung ausgeschlossen werden (RS0069987 [T12]). Da es auf die rechtliche Zulässigkeit der Benützung ankommt, sind der Inhalt des Mietvertrags und allfällige sonstige ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarungen maßgeblich (5 Ob 103/19m [zentrale Heizungsanlage]; 5 Ob 287/07b).
[14] 3.2. Zentrale Wärmeversorgungsanlagen werden in § 3 MRG ausdrücklich als Gemeinschaftsanlage angeführt. Eine zentrale Wärmeversorgungsanlage ist die Gesamtheit der zur Erzeugung, Weiterleitung und Abgabe der Wärme dienenden Einrichtungen in einem konkreten Haus. Der Begriff „Zentrale Wärmeversorgungsanlage“ umfasst daher alle ihre Bestandteile, also auch die in ihrem Verlauf in den einzelnen Räumen montierten, vom Heißwasser zwecks Wärmeabgabe durchflossenen Radiatoren (5 Ob 8/92). Zudem werden von der Rechtsprechung die nicht einzelnen Mietgegenständen allein dienenden Steigleitungen für Strom, Gas und Wasser zu den allgemeinen Teilen des Hauses gezählt, die im Vollanwendungsbereich des MRG gemäß dessen § 3 Abs 2 Z 1 vom Vermieter zu erhalten sind (5 Ob 45/03h; 2 Ob 215/10x [ErwGr 6.2.4]; RS0117707, RS0069976 [T2]).
[15] 3.3. Nach den Feststellungen werden grundsätzlich alle Wohnungen des Hauses mit der Zentral-Gasheizungsanlage versorgt; die Voreigentümerin hat ursprünglich keinen Mieter des Hauses von der Benutzung ausgeschlossen, sondern sämtlichen Mietern die Nutzung gewährt. Wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall von einer Erhaltungspflicht der beklagten Vermieter gemäß § 3 Abs 2 Z 3 MRG betreffend die Zentrale-Gasheizungsanlage ausgingen, findet dies somit Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen (vgl 5 Ob 103/19m [ErwGr 1.2.]).
[16] 3.4. Die in der Revision zitierten Entscheidungen 5 Ob 66/19w und 5 Ob 201/16v sind nicht einschlägig. Dort war jeweils keine Gemeinschaftsanlage, sondern eine vom Mieter selbst angeschaffte – und daher nicht mitvermietete – Heiztherme zu beurteilen.
[17] 4.1. Der Umfang der Instandhaltungspflicht ist unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der sonstigen Bestimmungen des § 1096 ABGB in § 3 MRG näher geregelt. Der Vermieter schuldet diese Qualität der Bestandsache während der gesamten Vertragszeit. Fehlt sie, so liegt insoweit Nichterfüllung vor. Erleidet der Mieter dadurch einen Schaden, kann er nach den Grundsätzen des Schadenersatzrechts Ersatz verlangen. Hat der Mieter den Mangel und den dadurch verursachten Schaden nachgewiesen, obliegt es dem Vermieter, sich zu entlasten (7 Ob 662/86; vgl RS0021199). Der Bestandgeber haftet daher dem Bestandnehmer – über die Zinsbefreiung nach § 1096 ABGB hinaus – für jeden durch Vernachlässigung seiner Pflichten schuldhaft verursachten Schaden (vgl 8 Ob 67/21t [Rz 40]). Als ein solcher Schaden kommt auch die notwendige Anmietung eines Ersatzobjekts in Betracht (vgl 10 Ob 17/19a)
[18] 4.2. Das Berufungsgericht war der Ansicht, mangels funktionierender Zentralheizung und angemessener Beheizbarkeit mit dem Holzofen sei die Wohnung zwischen Dezember 2016 und April 2017 aufgrund der amtsbekannt tiefen Temperaturen in Tirol unbrauchbar gewesen. Der Kläger sei daher berechtigt gewesen, eine Ersatzwohnung in Anspruch zu nehmen, für deren Kosten die Beklagten, die keinerlei Maßnahmen für eine Beheizbarkeit der Wohnung getroffen hätten, hafteten.
[19] 4.3. Die Revision zeigt kein Abweichen des Berufungsgerichts von der dargelegten Rechtsprechung zur Verschuldenshaftung des Bestandgebers auf. Von einer unverschuldeten fehlenden Erkennbarkeit der Fehlfunktion der Zentralheizung kann angesichts der mehrfachen Mängelmeldungen durch den Kläger und der Untätigkeit der Beklagten keine Rede sein. Es steht auch weder fest noch liegt es auf der Hand, dass deren Ursache durch einen „einfachen“ Installateur nicht geklärt hätte werden können. Ebensowenig wurde festgestellt, dass der Kläger den Zutritt zur Wohnung verweigert hätte; vielmehr hätte er nach dem Sachverhalt Professionisten den Zutritt gestattet.
[20] Zur Frage, ob der Kläger berechtigt war, eine Ersatzwohnung zu beziehen, enthält die Revision keine Ausführungen und versäumt es dergestalt, insoweit eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[21] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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