OGH 6Ob144/16v

OGH6Ob144/16v29.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin D*****Stiftung, *****, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Bruno Binder und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die Antragsgegnerin Landeshauptstadt L*****, vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Entschädigung in Höhe von 278.441,73 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. Juni 2016, GZ 15 R 112/16w‑12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00144.16V.1129.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Das Stadtgebiet der Antragsgegnerin ist von einer historischen, im frühen 19. Jahrhundert aus militärischen Gründen errichteten Turmanlage umgeben, wobei einige Türme bereits revitalisiert und einer zeitgemäßen Nutzung– in manchen Fällen einer Wohnnutzung – zugeführt wurden. Der in den Jahren 1831 bis 1835 errichtete, noch nicht revitalisierte Turm ***** steht im Eigentum der Antragstellerin, liegt nördlich der Donau (P*****) und ist denkmalgeschützt. Die Antragstellerin beauftragte ein Unternehmen mit der Planung der erforderlichen Maßnahmen zur Revitalisierung dieses Turms durch Errichtung von dreizehn Wohnungen.

Mit Bescheid vom 18. 6. 2013, rechtskräftig seit 12. 7. 2013, wurde die Bauplatzbewilligung von der zuständigen Baubehörde aufschiebend bedingt erteilt, wobei die auferlegten Bedingungen bislang noch nicht erfüllt bzw eingetreten sind. Die Planungen der Antragstellerin hatten sich auf den seinerzeit rechtswirksamen Flächen-widmungsplan, der für den Turm eine Wohn‑ und Kulturnutzung vorsah, gestützt. Mit dem im Amtsblatt Nr 15/2013 am 5. 8. 2013 kundgemachten Flächen-widmungsplan Nr 4 und dem örtlichen Entwicklungskonzept Nr 2 änderte der Gemeinderat der Antragsgegnerin die bislang geltende Flächenwidmung in „Sondergebiet des Baulandes, Lagerfestung L*****, Turm *****, Kulturnutzung, Wohnanteil 0 %“ ab, sodass die Antragstellerin ihre Pläne nicht mehr verwirklichen kann.

Mit der Behauptung, bis zum 5. 8. 2013 im Vertrauen auf den rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Kosten der Baureifmachung des Grundstücks in Höhe von 278.441,73 EUR aufgewendet zu haben, begehrt die Antragstellerin Entschädigung gemäß § 38 Oö ROG 1994. Mit Bescheid vom 9. 1. 2015 wies der Magistrat der Landeshauptstadt L*****, Anlagen‑ und Bauamt, als Bezirksverwaltungsbehörde diesen Entschädigungsantrag ab.

Das Rekursgericht wies den Entschädigungsantrag ebenfalls ab. In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs dagegen macht die Antragstellerin als erhebliche Rechtsfrage geltend, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob nach Oö Landesrecht ein Grundstück, auf dem ein historisches Gebäude steht, im aktuellen Baurecht als bauplatzbewilligt gilt, wenn das Gesetz zur Zeit der Errichtung des Gebäudes Bauplatzbewilligungen noch gar nicht vorsah bzw welche Aspekte des Baubewilligungsverfahrens bei der Bauplatzbewilligung berücksichtigt werden können. Auf diese Frage kommt es jedoch nicht an.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 38 Abs 1 Oö ROG, LGBl 114/1993, ist dem Eigentümer eines Grundstückes [...], wenn er im Vertrauen auf einen rechtswirksamen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan Kosten für die Baureifmachung des Grundstücks aufgewendet hat und die Bebauung durch Änderung des Flächenwidmungsplans oder des Bebauungsplans verhindert wird, für die nachweisbaren Kosten von der Gemeinde Entschädigung zu leisten; dies gilt sinngemäß für den Fall, dass ein geltender Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan durch einen neuen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan ersetzt wird. Wenn für die Erteilung der Baubewilligung eine Bauplatzbewilligung erforderlich ist, gilt diese Voraussetzung nur dann als erfüllt, wenn im Zeitpunkt der getätigten Aufwendungen die Bauplatzbewilligung rechtskräftig ist. Entschädigung im Sinne dieses Absatzes ist nur für solche nachweisbare Kosten zu leisten, die für einen durch die Verhinderung der Bebauung verlorenen Aufwand entstanden sind.

Die Antragstellerin tätigte die verfahrensgegenständlichen Aufwendungen zu einem Zeitpunkt, als eine rechtskräftige und nicht erloschene Bauplatzbewilligung nicht vorlag. Ihr Antrag könnte somit nur dann erfolgreich sein, wenn für die Bewilligung des von ihr beabsichtigten Bauvorhabens „Revitalisierung des Turms durch Errichtung von dreizehn Wohnungen“ eine Bauplatzbewilligung nicht erforderlich gewesen wäre.

2. Bei Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden, ob – wie von den Vorinstanzen erörtert – für den Altbestand die Einholung einer Bau‑(platz‑)bewilligung erforderlich gewesen oder ob für den geplanten Umbau des Altbestands eine solche Bauplatzbewilligung Voraussetzung war. Nur auf letzteres stellt aber § 38 Abs 1 Satz 2 Oö ROG seinem Wortlaut nach ab (arg: „Wenn für die Erteilung der Baubewilligung eine Bauplatzbewilligung erforderlich ist, ...“).

Nach § 3 Abs 1 Oö BauO, LGBl 66/1994, darf der Neu‑, Zu‑ oder Umbau von Gebäuden nur auf Grundflächen bewilligt werden, für die eine Bauplatzbewilligung nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 4 bis 7 leg cit vorliegt oder gleichzeitig mit der Baubewilligung erteilt wird. § 4 Abs 1 Z 4 leg cit nimmt dabei ausdrücklich auf „vorgesehene Veränderungen“ Bezug. Nach § 7 Abs 1 leg cit erlischt die Bauplatzbewilligung, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan erlassen oder geändert wird und die Bauplatzbewilligung mit dem neuen oder geänderten Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht übereinstimmt (es sei denn, es wäre bereits eine Baubewilligung rechtskräftig erteilt worden [Abs 2], welche Voraussetzung hier aber unstrittig nicht vorliegt).

Damit fielen die von der Antragstellerin geltend gemachten Aufwendungen zu einer Zeit an, als entweder die erforderliche Bauplatzbewilligung noch nicht vorlag, diese noch nicht rechtskräftig war oder die darin auferlegten Bedingungen noch nicht erfüllt bzw eingetreten waren; letztlich fiel die Bewilligung infolge Änderung der maßgeblichen Pläne überhaupt wieder weg.

3. Daraus folgt aber, dass der Antragstellerin ein Entschädigungsanspruch nach § 38 Abs 1 Oö ROG tatsächlich nicht zusteht. Hatte das geplante Projekt noch nicht einmal eine – dafür aber notwendige – Bauplatzbewilligung, sind die aufgewendeten, nunmehr aber frustrierten Planungskosten nicht entschädigungstauglich. Nach den unzweifelhaft erkennbaren Intentionen des Oö Landesgesetzgebers ist der Bauwerber gezwungen – will er allenfalls eine Entschädigung geltend machen, – zuerst die Bauplatzbewilligung einzuholen und erst danach eine Baubewilligung, womit letztlich die ersatzfähigen Aufwendungen auf jene danach zur Erlangung der Baugenehmigung entstehenden Aufwendungen beschränkt werden.

4. Entgegen der im außerordentlichen Revisionsrekurs vertretenen Auffassung begegnet diese Rechtslage auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; dies hat der Oberste Gerichtshof zu § 38 Oö ROG bereits mehrfach deutlich gemacht (3 Ob 525/95; 4 Ob 89/99p). Außerdem entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Eigentumsbeschränkungen, die den Wesensgehalt des Grundrechts auf Eigentum nicht berühren und im öffentlichen Interesse gelegen sind, ganz grundsätzlich auch ohne Entschädigung vorgesehen werden können (RIS‑Justiz RS0010823 [insb T14]); zu Eigentumsbeschränkungen durch rechtmäßige Planänderungen vgl Hauer, Oö ROG 1994 [2007] § 38 Anm 1.3.).

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