OGH 4Ob89/99p

OGH4Ob89/99p13.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Maximilian G*****, 2. Karoline G*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, wider die Antragsgegnerin Landeshauptstadt Linz, Bauwirtschaftsamt, Linz, Hauptstraße 1-5, wegen Entschädigung gemäß § 38 Abs 2 OÖ Raumordnungsgesetz, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. Jänner 1999, GZ 11 R 485/98i-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 23. November 1998, GZ 4 Nc 71/98x-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag, den Akt dem Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 38 Abs 2 OÖ Raumordnungsgesetz 1994 vorzulegen, wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG K*****, bestehend aus dem Grundstück Nr. 178/7 mit einer Größe von 1694 m**2. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. 8. 1981 wurde die für dieses Grundstück am 20. 3. 1981 gem § 58 Abs 4 OÖ Bauordnung erteilte widerrufliche Bauplatzbewilligung in eine nicht widerrufbare (definitive) Bewilligung umgewandelt. Die Widmung als Bauplatz wurde im A2-Blatt des Grundbuchs ersichtlich gemacht.

Mit Bescheid vom 28. 4. 1998 hat die Antragsgegnerin den Antrag der Antragsteller auf Entschädigung nach § 38 Abs 2 OÖ Raumordnungsgesetz (ROG) wegen Wertminderung ihres Grundstückes 178/7 KG K***** infolge Erlassung des Bebauungsplanes S 19-25-01-00 "nördlich Stülzgasse" als unbegründet abgewiesen. Der für dieses Grundstück ursprünglich geltende Bebauungsplan habe eine Baufluchtlinienführung bis 7 m an die A 7 Mühlkreisautobahn heran vorgesehen und damit innerhalb dieser Baufluchtlinie die Errichtung eines zweiten Hauptbaukörpers auf diesem Grundstück ermöglicht. Aus Lärmschutzgründen sei nunmehr diese Baufluchtlinie in den östlichen Bereich der Parzelle 178/7 verlegt worden, sodaß in diesem Bereich nach wie vor die Errichtung eines zweiten Hauptbaukörpers in zweigeschossiger offener Bauweise ermöglicht werde. Für den westlichen, lärmbelasteten Bereich sei die Errichtung von Garagen vorgesehen worden. Der geänderte Bebauungsplan bewirke daher keine Verhinderung der Bebauung, sondern lediglich eine Verlagerung der Baukörper innerhalb des gleichen Grundstückes.

Unter Verweis auf diesen ablehnenden Bescheid und gestützt auf die sukzessive Zuständigkeit des § 38 Abs 4 ROG begehren die Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von 1,000.000 S gemäß § 39 Abs 2 (gemeint wohl § 38 Abs 2) ROG. Der am 11. 11. 1997 rechtswirksam gewordene Bebauungsplan S 19-25-01-00 "nördlich Stülzgasse" habe einen mehr als 1000 m2 großen Teil ihres Grundstückes in einer Breite von 40 m zum Schutzstreifen zur Mühlkreisautobahn erklärt; dieser Teil des Grundstückes werde damit unverbaubar und in seinem Wert wesentlich vermindert. Der Preisunterschied betrage im fraglichen Bereich zumindest 1.000 S/m2. Den gegen den Bebauungsplan erhobenen Einwendungen der Antragsteller sei nicht Rechnung getragen worden. Die Antragsgegnerin vertrete den unzutreffenden Standpunkt, daß bei Änderungen von Bebauungsplänen keine Entschädigungsgrundlage gegeben sei. Diese Argumentation übersehe, daß die Liegenschaft zum unwiderruflichen Bauplatz erklärt worden sei; werde diese Bewilligung nachträglich durch die Erlassung eines Bebauungsplanes wieder weitgehend eingeschränkt, entstehe ein Nachteil in gleicher Weise, wie wenn der Flächenwidmungsplan zu Ungunsten der Antragsteller verändert worden wäre. Der von der Antragsgegnerin eingenommene Formalstandpunkt behandle Gleiches, nämlich den Verlust der Bebauungsmöglichkeit durch einen Flächenwidmungsplan oder durch einen Bebauungsplan, ungleich und verstoße daher gegen das verfassungsrechtlich verankerte Gleichheitsprinzip. Die Auslegung des ROG durch die Antragsgegnerin sei verfassungswidrig.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Antrag nicht stattzugeben. Bei Änderung eines Bebauungsplanes sei eine Entschädigung für Wertminderung nicht vorgesehen. Eine Verlagerung der Bebauung auf dem Grundstück der Antragsteller habe sich deshalb ergeben, weil aus Lärmschutzgründen entlang der A 7 (Mühlkreisautobahn) eine Wohnbebauung nicht mehr zumutbar sei. Das Grundstück sei nach wie vor bebaubar, und zwar mit insgesamt zwei Hauptbaukörpern in einem der Autobahn abgewandten Bereich, wodurch sich aus lärmschutztechnischen Überlegungen sogar eine Verbesserung ergeben habe. Daß eine Bebauungsplanänderung auch Änderungen in der Ausnutzbarkeit eines Grundstückes mit sich bringe, liege in der Natur der Sache. § 38 ROG sehe bei Änderungen eines Bebauungsplans lediglich eine Entschädigung für etwaige Baureifmachungskosten vor.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Eine Entschädigung sei nur dann vorgesehen, wenn ein Tatbestand des § 38 Abs 1 oder Abs 2 ROG erfüllt sei. Baureifmachungskosten seien von den Antragstellern nicht begehrt worden; im übrigen hätten sie auch nicht behauptet, daß das Grundstück gänzlich unverbaubar geworden sei. Auch der Tatbestand nach § 38 Abs 2 OÖ ROG 1994 sei nicht erfüllt, da sich die Einschränkung der Verbauung nicht durch Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes, sondern durch eine Änderung des Bebauungsplanes ergeben habe. Für die Erlassung oder Änderung des Bebauungsplanes und damit in Zusammenhang stehende Wertminderungen durch die geänderte Bebauungsmöglichkeit normiere das ROG keine Entschädigung. Es könne auch nicht von einer analogiefähigen Lücke des Gesetzes ausgegangen werden. Da § 38 ROG beide Begriffe, nämlich sowohl Flächenwidmungsplan als auch Bebauungsplan, nenne, sei davon auszugehen, daß dem Landesgesetzgeber dieses Problem bewußt gewesen sei und er in § 38 Abs 2 ROG von einer Regelung wie in § 38 Abs 1 ROG, nämlich eine Entschädigung gleichermaßen für die Folgen einer Änderung von Bebauungsplänen wie von Flächenwidmungsplänen vorzusehen, bewußt und nicht nur aus Versehen Abstand genommen habe. Eigentumsbeschränkungen, wie Widmungsregelungen durch Flächenwidmungspläne oder Bebauungspläne, würden jedenfalls nicht entschädigt, sofern dies nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sei grundsätzlich zwischen Enteignung und Eigentumsbeschränkung zu unterscheiden; ob in solchen Fällen eine Entschädigung zustehe, sei eine Frage der materiellrechtlichen Regelung, deren Rechtmäßigkeit lediglich am Grundrechtsschutz zu messen sei. In Oberösterreich bestünden Enteignungsmöglichkeiten für öffentlichen Zwecken dienende Bauten und Anlagen (Vorbehaltsflächen gemäß § 19 ROG), Ergänzungsflächen und Baulücken (§§ 10 ff OÖ Bauordnung 1994). Dabei handle es sich um Fälle, in denen dem Grundeigentümer bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen tatsächlich das Eigentum gegen Entschädigung entzogen werden könne. Davon zu unterscheiden seien durch Erlassung bzw Abänderung von Flächenwidmungsplänen und allenfalls Bebauungsplänen verursachte Eigentumsbeschränkungen. Österreichweit würden für Eigentumsbeschränkungen nur insoweit Entschädigungen gewährt, als dies in Landesgesetzen vorgesehen sei. Derartige Regelungen fänden sich praktisch in allen Bundesländern außer in Wien, zum Teil als Aufwandersatz für frustrierte Aufwendungen (Burgenland, NÖ, Tirol), zum Teil als Kombination für Aufwandersatz und Wertausgleich (Kärnten, OÖ, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg). Ein Planungswertausgleich bei Widmung ins Höherwertige (zB Grünland in Bauland) sei nirgends vorgesehen. Teilweise bestehe ein Entschädigungsanspruch auch dann, wenn ein Bebauungsplan die im Flächenwidmungsplan festgesetzte Nutzung ausschließe (§ 76 NÖ Bauordnung). Eigentumsbeschränkungen (wie etwa Widmungsregelungen) durch Flächenwidmungspläne oder Bebauungspläne würden nicht entschädigt, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Die Antragsteller begehrten keine Entschädigung nach § 38 Abs 1 ROG; auch der Tatbestand nach § 38 Abs 2 ROG liege nicht vor. Das Begehren der Antragsteller finde nur insoweit Deckung in dieser Gesetzesstelle, als dort eine Entschädigung für Wertverminderung (und nicht für einen durch die Verhinderung der Bebauung verlorenen Aufwand nach § 38 Abs 1 ROG) geregelt werde. Hingegen könne der vorliegende Anspruch in keinem Fall unter § 38 Abs 2 ROG subsumiert werden. Diese Bestimmung gehe davon aus, daß dann Entschädigung im Ausmaß der Wertverminderung zu leisten ist, wenn ein grundsätzlich zur Widmung als Bauland geeignetes Grundstück im Gegensatz zu den es umschließenden Grundstücken nicht ebenfalls als Bauland gewidmet werde und eben durch diese Nichtwidmung im Vergleich zu den es umschließenden Grundstücken eine Wertverminderung gegenüber seinem Wert vor der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes eintrete. Diese Regelung habe nichts mit dem vorliegenden Sachverhalt gemein, daß ein als Bauland bereits gewidmetes Grundstück in der Art seiner Bebauung eingeschränkt werde. Daß durch den neuen Bebauungsplan die Bebauung nicht verhindert werde, gestünden die Antragsteller insofern ein, als sie gegen die entsprechenden Ausführungen der Antragsgegnerin im bekämpften Bescheid auch jetzt im gerichtlichen Verfahren keine entsprechenden Argumente ins Treffen führten. Es sei daher davon auszugehen, daß nach wie vor die Bebauung des Grundstückes mit einem zweiten Bauplatzkörper (wenngleich auch in anderer Situierung) möglich sei. Auch der Hinweis, die Bauplatzeigenschaft sei verdinglicht, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Der entsprechende Bescheid, auf den sich die Antragsteller beriefen, gründe sich auf § 58 Abs 4 OÖ Bauordnung 1976 und setze denklogisch voraus, daß ursprünglich für dieses Grundstück eine Bausperre nach § 58 Abs 1 OÖ Bauordnung 1976 mit der Wirkung verhängt worden sei, daß Bauplatzbewilligungen nur ausnahmsweise mit Zustimmung des Gemeinderates oder auf Widerruf hätten erteilt werden dürfen, wenn anzunehmen gewesen sei, daß die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplanes bzw Bebauungsplanes nicht erschwere oder verhindere. Erforderte nun die Durchführung des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes bzw Bebauungsplanes den Widerruf der Bewilligung nicht, so sei gemäß § 58 Abs 4 OÖ Bauordnung 1976 die Bewilligung von der Baubehörde in eine definitive (nicht widerrufbare) Bewilligung umzuwandeln gewesen, was auch Gegenstand des bezugnehmenden Bescheides gewesen sei. Entgegen der Meinung der Rekurswerber habe aber nicht ein später erlassener Bebauungsplan die schon vorher definitiv im Grundbuch und somit verdinglicht eingetragene Widmung eines Grundstücks als Bauplatz zu berücksichtigen; vielmehr verhalte es sich nach der gesetzlichen Regelung umgekehrt. Gemäß § 5 Abs 1 lit a OÖ Bauordnung 1976 erlösche nämlich die Bauplatzbewilligung, wenn ein Bebauungsplan erlassen oder geändert werde und die Bauplatzbewilligung mit dem neuen oder geänderten Bebauungsplan nicht übereinstimme. Als Bauplatzbewilligung sei hier eine solche nach § 4 OÖ Bauordnung 1976 zu verstehen. Durch den angeführten Bescheid sei die vorher widerrufbare Bauplatzbewilligung ohnehin erst eine solche im Sinne des § 4 OÖ Bauordnung 1976 geworden. Es sei daher insgesamt davon auszugehen, daß weder § 38 Abs 1 noch Abs 2 ROG eine Möglichkeit böte, aufgrund der hier vorliegenden Eigentumsbeschränkung durch Änderung eines Bebauungsplanes den Antragstellern eine Entschädigung zuzuerkennen. Es stelle sich aber auch nicht die von den Antragstellern angezogene Frage der Gleichheitswidrigkeit. Selbst wenn (hypothetisch) die Bebaubarkeit des Grundstücks der Antragsteller durch einen Flächenwidmungsplan im gleichen Ausmaß wie durch den von ihnen kritisierten Bebauungsplan eingeschränkt worden wäre, stünde ihnen kein Ersatz auf Wertminderung zu. § 38 Abs 2 ROG ermögliche nämlich einen Ersatz im Ausmaß der Wertverminderung nur für einen ganz engen Bereich der Änderung eines Flächenwidmungsplanes. § 38 Abs 2 ROG habe als Vorgängerbestimmung § 25 OÖ ROG 1972 LGBl 18/1972 idF 15/1977, 29/1988, 91/1989 und der Kundmachung 102/1982. Im Bericht des Ausschusses für Straßen und sonstige öffentliche Bauten im Einvernehmen mit dem Ausschuß für volkswirtschaftliche Angelegenheiten betreffend das OÖ Raumordnungsgesetz, Beilage 285/1972 zum kurzschriftlichen Bericht des OÖ Landtages, XX. Gesetzgebungsperiode sei schon damals festgehalten worden, daß jede Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes zwangsläufig eine Änderung der Bodenwertverhältnisse mit sich bringe, weshalb der Landesgesetzgeber, soll die gesetzliche Regelung der Raumordnung in sinnvoller Ausschöpfung der Kompetenz des Landes vertretbar sein, auch negative Auswirkungen örtlicher Raumordnungsmaßnahmen im Bereiche des Privatrechtes hintanzuhalten versuchen müsse. Die Abs 1 und 2 (des § 25 ROG 1972) würden Entschädigungen für den Fall vorsehen, daß durch die Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes bzw Bebauungsplanes ein effektiver Schaden im Vermögen der Betroffenen eintrete. Da also eine Entschädigung für Wertminderung bei Beschränkung der Bebauungsmöglichkeit durch Änderung weder eines Flächenwidmungsplans noch eines Bebauungsplans vorgesehen sei, obwohl der Landesgesetzgeber allenfalls mögliche negative Folgen solcher Maßnahmen sehr wohl bedacht habe, bestehe kein Anlaß zur Antragstellung der Überprüfung des § 38 Abs 2 ROG auf seine Verfassungsgemäßheit. Für die Überprüfung des § 38 Abs 1 ROG habe bereits der OGH in seiner Entscheidung 3 Ob 525/95 keinen Anlaß gefunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt.

Die Antragsteller führen ins Treffen, das ROG schreibe ausdrücklich vor, daß Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nur geändert werden dürften, wenn dadurch die Interessen Dritter nicht verletzt würden. In der Erlassung eines Bebauungsplanes, der die Bebaubarkeit eines Grundstückes wesentlich einschränke, liege eine solche Verletzung der Interessen Dritter. Stelle das Gesetz bei Zuerkennung einer Entschädigung nur auf einen Flächenwidmungsplan, nicht aber auch auf einen Bebauungsplan ab, sei diese Lücke entweder durch Analogie zu schließen, oder es liege eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor. Es werde daher die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim VfGH beantragt.

Vorweg ist darauf zu verweisen, daß die Antragsteller nicht berechtigt sind, vom Obersten Gerichtshof die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit zu begehren. Ein solcher Antrag ist deshalb zurückzuweisen (stRsp ua SZ 66/35 mwN; SZ 68/249; SZ 69/79). Der Oberste Gerichtshof kann jedoch einen solchen Antrag stellen, wenn er Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes hat. Das trifft aber auf § 38 ROG nicht zu.

§ 38 Abs 1 und 2 OÖ ROG 1994, LGBl Nr 114/1993, der die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach diesem Gesetz abschließend regelt, lautet:

"Entschädigung

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstückes oder ein Dritter mit Zustimmung des Eigentümers im Vertrauen auf einen rechtswirksamen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes aufgewendet und wird die Bebauung durch Änderung des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes verhindert, so ist ihm für die nachweisbaren Kosten von der Gemeinde Entschädigung zu leisten; dies gilt sinngemäß für den Fall, daß ein geltender

Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan durch einen neuen

Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan ersetzt wird. Wenn für die Erteilung der Baubewilligung eine Bauplatzbewilligung erforderlich ist, gilt diese Voraussetzung nur dann als erfüllt, wenn im Zeitpunkt der getätigten Aufwendungen eine rechtskräftig erteilte und nicht durch Zeitablauf unwirksam gewordene Bauplatzbewilligung vorgelegen hat. Entschädigung im Sinne dieses Absatzes ist nur für solche nachweisbare Kosten zu leisten, die für einen durch die Verhinderung der Bebauung verlorenen Aufwand entstanden sind.

(2) Wird durch Erlassen oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes ein als Bauland im Sinne des § 21 Abs 1 geeignetes Grundstück zur Gänze oder überwiegend von Bauland umschlossen und entsteht dadurch, daß das umschlossene Grundstück nicht ebenfalls als Bauland gewidmet wird, eine Wertverminderung gegenüber seinem Wert vor der Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes, so hat die Gemeinde dem Eigentümer dieses Grundstückes Entschädigung im Ausmaß der Wertverminderung zu leisten."

Diese landesgesetzliche Entschädigungsregelung normiert abschließend das oberösterreichische materielle Entschädigungsrecht bei Planänderungen im Raumordnungsrecht in Form einer Kombination von Ersatz der Baureifmachungskosten (Abs 1) und Ersatz der durch die Änderung eines Flächenwidmungsplanes bewirkten Wertminderung, die dadurch entsteht, daß ein zur Gänze oder überwiegend durch Bauland umschlossenes Grundstück nicht ebenfalls als Bauland gewidmet wird (Abs 2). Unstrittig machen die Antragsteller weder einen Anspruch auf Ersatz der Baureifmachungskosten geltend, noch liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 38 Abs 2 RAO vor, war doch hier das Grundstück der Antragsteller schon vor der Änderung des Bebauungsplanes als Bauland gewidmet und wurde die behauptete Wertminderung des Grundstückes nicht durch eine Änderung eines Flächenwidmungsplanes bewirkt.

Es ist dem Rekursgericht darin zuzustimmen, daß eine durch Analogie auch für Fälle der Änderung eines Bebauungsplanes zu schließende Gesetzeslücke nicht vorliegt: Wie sich aus dem Ausschußbericht zu § 25 OÖ ROG 1972, der Vorgängerbestimmung des § 38 ROG 1994, eindeutig ergibt, war sich der Landesgesetzgeber bei Schaffung dieser Entschädigungsregelung bewußt, daß jede Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes zwangsläufig eine Änderung der Bodenwertverhältnisse mit sich bringe (Ausschußbericht abgedruckt bei Neuhofer/Sapp, OÖ Baurecht3 641); bei Neufassung dieser Bestimmung 1994 sollte sie nach dem damaligen Ausschußbericht nur sprachlich und systematisch verbessert und gestrafft werden, eine inhaltliche Änderung wurde hingegen nicht angesprochen (Neuhofer/Sapp, OÖ Baurecht4 528). Es muß daraus der Schluß gezogen werden, daß die Nichterwähnung des Terminus "Bebauungsplan" im Tatbestand des § 38 Abs 2 ROG (zuvor § 25 ROG) der Absicht des Gesetzgebers entspricht und nicht auf einem Versehen beruht. Eine ergänzungsbedürftige Unvollständigkeit des Gesetzes liegt damit nicht vor, rechtfertigt doch die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, noch nicht die Annahme einer Gesetzeslücke (Koziol/Welser I10 23 mwN zur Rsp).

Bei Prüfung der Frage, ob bei verfassungskonformer Interpretation der Entschädigungsregelung des oberösterreichischen Landesgesetzgebers ein gleichheitswidriger, weil entschädigungsloser Eingriff in das Eigentumsrecht der Antragsteller durch Auslegung derart zu vermeiden ist, daß auch Änderungen eines Bebauungsplanes einen Entschädigungsanspruch begründen können, ist zunächst auf den Stand von Lehre und Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Pflicht und zum Umfang der Entschädigung bei Eigentumseingriffen durch die Raumplanung einzugehen (vgl. zum Folgenden auch Auer, Die Änderung des Flächenwidmungsplans. Rückwidmung - Rechtsschutz - Entschädigung, 126ff).

Es entspricht der einhelligen Auffassung der Lehre, daß eine Enteignung von Verfassung wegen Entschädigung verlangt, weil nur so die Eigentumsgarantie des Art 5 StGG gewährleistet sei (Aicher, Enteignung durch Raumplanung, JBl 1975, 394ff mwN in FN 14). In der Diskussion, ob eine Entschädigungspflicht nur auf eine Enteignung im Sinne eines Vermögensübergangs beschränkt ist, oder ob auch schwerwiegende Eigentumsbeschränkungen unter einen weiten Enteignungsbegriff fallen, wurde der Begriff der materiellen Enteignung oder des enteignungsgleichen Eingriffes entwickelt (Nachweise bei Auer aaO FN 537). Man versteht darunter einen Eigentumseingriff, der formell nicht als Enteignung bezeichnet werden kann, weil ein Eigentumsübergang oder der Verlust des "vollen" Eigentumsrechtes beim Enteigneten nicht stattfindet, der materiell aber wie eine Enteignung wirkt, also dem Eigentümer wesentliche Nutzungen und Funktionen seines Rechtes entzieht. Auch ein derartiger Eingriff soll nur im Rahmen des Gesetzesvorbehaltes des Art 5 StGG (Eigentumsgarantie) und gegen angemessene Entschädigung erlaubt sein (Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, Band 1, 47 mwN in FN 140). Die Abgrenzung zwischen entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungsloser Eigentumsbeeinträchtigung ist bis heute umstritten. Nach Aicher (aaO 401f, ihm folgend Auer aaO 130) verlangen nur wesentliche Beeinträchtigungen der ortsüblichen Nutzung nach Entschädigung, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn dem Eigentümer sämtliche Ausübungsbefugnisse entzogen oder sie derart eingeschränkt wurden, daß seine Dispositionsbefugnis stark behindert bzw. eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung des Eigentums nicht mehr möglich ist.

Die Rechtsprechung des VfGH hat die einhellige Auffassung der Lehre, daß eine Enteignung von Verfassung wegen Entschädigung verlangt, bisher nicht nachvollzogen und hält in ständiger Judikatur die entschädigungslose Enteignung mit dem Grundrecht auf Eigentum vereinbar (Nachweise bei Binder, Die Entschädigung für Flächenwidmungsänderungen, ÖJZ 1956, 146ff, 173ff; Korinek, Verfassungsrechtliche Aspekte der Raumplanung, 50ff). Der Gerichtshof gelangt aber seit dem Jahr 1972 über den Gleichheitssatz zu einer Entschädigungspflicht bei Enteignungen; letzterer verlange nämlich, daß das im Entzug von Eigentum liegende Vermögensopfer (das zugunsten eines höheren Gemeinschaftsinteresses erbracht werden müsse) nicht vom Einzelnen, sondern von allen gleichmäßig zu tragen sei ("Sonderopfertheorie"; Nachweise bei Auer aaO FN 528). Nach seiner Auffassung liegt allerdings nur dann eine Enteignung vor, wenn ein Rechtsübergang an den Staat, eine öffentliche Korporation oder eine gemeinnützige Unternehmung stattgefunden hat, nicht aber bei einem bloßen Vermögensentzug oder einer Wertminderung ohne Rechtsübergang ("Übertragungstheorie"; Nachweise bei Auer aaO FN 534). So hat der Gerichtshof in VfSlg 2685/1954 und 4486/1963 ausdrücklich ausgesprochen, daß sämtliche eigentumsbeschränkenden Wirkungen von Flächenwidmungsplänen nicht als Enteignungen zu qualifizieren seien. In einem Erkenntis aus jüngster Zeit (VfSlg 13282/1992) wird zwar klargestellt, daß gewisse Eigentumsbeschränkungen von Verfassung wegen eine Entschädigungspflicht nach sich ziehen, wobei die Rückwidmung eines Grundstücks von Bauland in Grünland ein solcher Fall ist; die Verfassungsrechtsprechung anerkennt aber die Rechtsfigur der materiellen Enteignung in keiner Weise und ist auch von einer echten Vermögenswertgarantie weit entfernt (Auer aaO 124f, 130).

Wendet man diese Grundsätze von Lehre und Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt an, kann auch unter Zugrundelegung der von der Lehre entwickelten Rechtsfigur der materiellen Enteignung keine Rede davon sein, daß die Rechtsposition der Antragsteller durch Erlassung des neuen Bebauungsplanes derart gravierende Einschränkungen erfahren hätte, daß ihnen eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung ihres Eigentumsrechtes in Zukunft nicht mehr möglich wäre. Weder sind sie nämlich in der Nutzungsmöglichkeit des schon auf der Liegenschaft befindlichen Gebäudes beeinträchtigt, noch wurde ihnen die zukünftige Bebauung der Liegenschaft mit einem weiteren Hauptbaukörper in zweigeschossiger offener Bauweise zu Wohnzwecken verwehrt; in letzterem Fall haben sie lediglich bei der Positionierung des zweiten Gebäudes aus Lärmschutzgründen eine gegenüber dem früher geltenden Bebauungsplan geänderte Baufluchtlinie einzuhalten. Daß die Antragsgegnerin die neue Baufluchtlinie willkürlich und nicht nach Zweckmäßigkeitsgrundsätzen festgelegt habe, wurde von den Antragstellern nicht einmal behauptet. Der erkennende Senat erblickt unter diesen Umständen in der Einschränkung der Bebauungsmöglichkeit kein gleichheitswidriges Sonderopfer der Antragsteller zugunsten der Allgemeinheit, zumal es jedem Bebauungsplan immanent ist, gewisse Beschränkungen der Bebaubarkeit mit sich zu bringen; die konkreten Einschränkungen überschreiten keinesfalls das Maß des Zumutbaren und sind von den Antragstellern daher - mangels gesetzlicher Grundlage - ohne Anspruch auf Entschädigung hinzunehmen. Für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens besteht nach dem Gesagten kein Anlaß.

Unzutreffend ist auch die Argumentation der Rechtsmittelwerber, daß hinsichtlich des Grundstücks eine unwiderrufbare, im Grundbuch eingetragene und damit verdinglichte Bauplatzbewilligung erteilt worden sei, die nicht einseitig, und zwar auch nicht durch Verwaltungsakt, widerrufen werden könne. Die in § 8 OÖ Bauordnung geregelte Ersichtlichmachung der Bauplatzeigenschaft eines Grundstücks im Grundbuch dient nur dazu, die mit einem Grundstück verbundenen rechtlichen Eigenschaften offenzulegen; durch die Ersichtlichmachung selbst werden aber keine Rechte begründet (Neuhofer, OÖ Baurecht4 64). Dazu kommt noch, daß die für die Liegenschaft der Antragsteller mit Bescheid vom 6. 8. 1981 gem § 58 Abs 4 OÖ Bauordnung 1976 erteilte nicht widerrufbare (definitive) Bauplatzbewilligung gem § 7 Abs 1 OÖ Bauordnung 1994 erloschen ist. Diese am 1. 1. 1995 in Kraft getretene Bestimmung (§ 60 Abs 1 OÖ Bauordnung 1994) ordnet (wie schon zuvor § 5 OÖ Bauordnung 1976) an, daß im Konflikt zwischen Bauplatzbewilligung und Bebauungsplan die Erlassung eines Bebauungsplanes, der nicht mit der Bauplatzbewilligung übereinstimmt, letztere zum Erlöschen bringt; der Ausnahmefall des § 7 Abs 2 OÖ Bauordnung 1994 liegt hier nicht vor. Dem Rekurs konnte somit auch unter diesem Aspekt kein Erfolg beschieden sein.

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