OGH 6Ob143/12s

OGH6Ob143/12s31.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen M***** A*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs des Dr. R***** H*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 13. September 2011, GZ 21 R 251/11z‑59, mit dem der Rekurs des Dr. R***** H***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 16. Mai 2011, GZ 30 PG 147/1p‑47, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00143.12S.0131.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.

 

Begründung:

Mit Beschluss vom 3. 5. 2010 wurde der bereits abgeschlossene Kaufvertrag, mit dem der Minderjährige, dessen gesetzlicher Vertreter seine Mutter alleine ist, und sein Onkel eine ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft verkauften, pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Schon in diesem Verfahren war der Revisionsrekurswerber auch als bevollmächtigter Rechtsanwalt des Minderjährigen eingeschritten.

Am 18. 4. 2011 legten die vom Revisionsrekurswerber vertretenen Verkäufer eine Abrechnung über den auf dem Anderkonto des Rechtsanwalts erlegten Kaufpreis und die daraus berichtigten und zu berichtigenden Kosten, darunter 7.546,46 EUR an Honorar des Rechtsanwalts für die „pflegschaftsbehördlichen Genehmigungen zur Abwicklung des Kaufgeschäftes und grundbücherlichen Einverleibung“, das der Minderjährige zu zahlen habe. Der auf den Minderjährigen entfallende Anteil am Restbetrag werde entsprechend dem Gerichtsauftrag auf dessen Konto überwiesen. Die Abrechnung sei der Mutter des Minderjährigen als seine gesetzliche Vertreterin zur Kenntnis gebracht worden. Sie sei damit einverstanden, weil damit sämtliche wechselseitigen Verbindlichkeiten zwischen dem Minderjährigen und seinem Onkel bereinigt und verglichen seien. Sie beantragten die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Abrechnung und die Anweisung, den auf den Minderjährigen entfallenden Anteil am restlichen Kaufpreis auf dessen Konto zu überweisen.

Das Erstgericht genehmigte die Abrechnung mit der Maßgabe, dass es den Rechtsanwalt anwies, einen um 7.552,11 EUR höheren Betrag als beantragt auf das Konto des Minderjährigen zu überweisen. Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch den Minderjährigen zur Vorlage des Kaufvertrags zur pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung hätte ebenso der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft, wenn der Rechtsanwalt Kosten geltend machen wolle und „dies nicht im Rahmen seiner Verpflichtung als Kaufvertragserrichter“ habe abgegolten wissen wollen. Um diese Genehmigung sei nicht angesucht worden und sie sei auch nicht konkludent erteilt worden.

Das Rekursgericht wies den dagegen vom Rechtsanwalt im eigenen Namen erhobenen Rekurs zurück, weil dieser nicht rechtsmittellegitimiert sei, zumal er in diesem pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren weder formelle Partei noch materielle Partei sei.

Nachträglich (§ 63 AußStrG) ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil zur Frage, inwieweit die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Kaufvertrags, in dem auch eine Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch die Vertragsparteien enthalten sei, den Vertragserrichter ermächtige, seinen Kostenersatzanspruch gegen den Minderjährigen ‑ allenfalls in Ausübung seines gesetzlichen Pfandrechts nach § 19 RAO ‑ vom Kaufpreis abzuziehen, fehle.

Der Revisionsrekurs des Rechtsanwalts ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine nicht anfechtbare Entscheidung des Rekursgerichts über den ‑ allgemein weit verstandenen ‑ Kostenpunkt (§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG; RIS‑Justiz RS0007696, RS0044110, RS0111498, RS0044233) liegt nicht vor, sprach doch das Erstgericht nicht irgendwie über mit dem Pflegschaftsverfahren zusammenhängende Kosten ab, sondern verneinte es in den Gründen einen Honoraranspruch aus einer rechtsgeschäftlichen Bestellung des Rechtsanwalts durch den Minderjährigen (vgl Zechner in Fasching/Konecny ² § 528 ZPO Rz 165, 6 Ob 149/12y).

2. Rekurslegitimiert ist zunächst, wer Partei ist. Nach dem in § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG verankerten materiellen Parteibegriff ist Partei eines Verfahrens außer Streitsachen jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung unmittelbar beeinflusst würde. Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht. Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss (6 Ob 186/07g mwN; RIS-Justiz RS0123029).

3. Nach dem Akteninhalt wurde der Rechtsmittelwerber in dem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Kaufvertrag als dessen Verfasser von den Vertragsparteien zum Treuhänder im Zusammenhang mit der Abwicklung des Kaufvertrags bestellt.

4. Nach § 19 RAO ist der Rechtsanwalt bei aufrechtem Vollmachtsverhältnis berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen; er ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich „mit seiner Partei zu verrechnen“. Der Ausdruck „für seine an ihn eingegangene Barschaften“ wird allgemein so verstanden, dass es sich um Geldbeträge handeln muss, die dem Rechtsanwalt von einem Dritten, also nicht vom Mandanten übergeben werden und dem Klienten zugedacht sind (6 Ob 312/04g mwN). Auch Beträge, die der Rechtsanwalt von einem Dritten als Treuhänder für seine Partei übernimmt, und die er aufgrund der Treuhandvereinbarung an seine Partei weiterzuleiten hat, sind bei ihm eingegangene Barschaften iSd § 19 Abs 1 RAO, er kann daher seine Kostenforderung hievon in Abzug bringen (6 Ob 312/04g mwN; RIS-Justiz RS0072025). Die Aufrechnungsbefugnis des Rechtsanwalts ist nur dann abzulehnen, wenn Zahlungen (des Dritten) zu einer bestimmten anderen Verwendung als zur Ausfolgung an seinen Klienten geleistet werden (6 Ob 312/04g mwN; RIS‑Justiz RS0110836).

Zutreffend macht der Revisionsrekurswerber geltend, dass die auch mit dem von seiner Mutter vertretenen Minderjährigen im Kaufvertrag getroffene Treuhandverein-barung vom Erstgericht pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden ist und das Erstgericht mit seiner Anweisung dem Revisionsrekurswerber sein Abzugsrecht iSd § 19 Abs 1 RAO am Treuhanderlag des Käufers nimmt. Als Partei iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG war er daher rekurslegitimiert, sodass das Rekursgericht sein Rechtsmittel zu Unrecht zurückgewiesen hat.

Der Oberste Gerichtshof kann in der Sache selbst nicht entscheiden, weil das Rekursgericht den Rekurs einer sachlichen Erledigung nicht zugeführt hat (vgl 6 Ob 70/03t mwN; RIS-Justiz RS0007051 [T7]). Es war daher wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte