OGH 6Ob112/13h

OGH6Ob112/13h28.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Korneuburg zu *****, eingetrangenen S***** KG mit Sitz in K*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Schmidtmayr Sorgo Wanke Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. April 2013, GZ 28 R 62/13p‑7, womit der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 7. Februar 2013, GZ 28 Fr 6756/12y‑4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben wird.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist seit 18. September 2002 die S***** KG mit Sitz in K***** eingetragen. Ihr Geschäftszweig umfasst die Liegenschaftsverwaltung. Unbeschränkt haftende Gesellschafterin ist die S*****, welche seit 24. Jänner 2002 im Firmenbuch eingetragen ist und deren Geschäftszweig die Vermögensanlage und den Handel umfasst. Kommanditisten sind die A***** Privatstiftung und Mag. A***** B*****; Gesellschafter der Komplementär‑GmbH sind gleichfalls die A*****Privatstiftung und die A***** & K***** B***** OEG; Geschäftsführer ist Mag. A***** B*****.

Das Erstgericht hatte bereits mit Beschluss vom 30. Juli 2010 angekündigt, den Bilanzstichtag mit 31. Dezember ins Firmenbuch einzutragen. Als die KG mitteilte, dass ihre einzige Tätigkeit in der „Vermietung einer kleinen Liegenschaft mit zwei langfristigen Mietverträgen“ und einer jährlichen Gesamtmiete von 33.513 EUR (monatlich 2.793 EUR) liege, sie somit keine „unternehmerische Tätigkeit“ betreibe, nahm das Erstgericht von der Eintragung des Bilanzstichtags Abstand.

In der Folge forderte das Erstgericht die Gesellschaft auf, den Bilanzstichtag zur Eintragung anzumelden. Weiters kündigte es die amtswegige Eintragung des Bilanzstichtags mit 31. Dezember an, sollte sich die KG nicht fristgerecht äußern.

Daraufhin brachte die KG vor, dass sie keine unternehmerische Tätigkeit ausübe. Die Gesellschaft habe nur „einen einzigen“ Mietvertrag geschlossen; es würden weitere Tätigkeiten weder ausgeübt noch geplant. Selbst wenn man alle in Frage kommenden Gesellschaften zusammen zählte, käme man auf insgesamt lediglich vier Mietverträge und bliebe damit immer noch deutlich unter dem Richtwert von fünf Mietverträgen.

Das Erstgericht ordnete daraufhin die Eintragung des Stichtags für den Jahresabschluss mit 31. Dezember an. Zur Begründung verwies es auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 203/11p.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar seien die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 203/11p aufgestellten Kriterien nicht erfüllt. Dennoch vertrete der erkennende Senat die Ansicht, dass bei der Beurteilung eines Unternehmens ein Zusammenhang zwischen Rechtsträger und ausgeübter Tätigkeit nicht gänzlich ausgeblendet werden dürfe und bei der Beurteilung des Organisationsgrades der Personengesellschaft zu berücksichtigen sei. Bei einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Tätigkeit, zB bei der Vermietung einer Liegenschaft, trete der Rechtsträger im Rechtsverkehr auf. Bedienten sich die dahinterstehenden Gesellschafterinnen an einer Rechtsform, die eine Haftungsbeschränkung ermögliche, sei die „Organisation“ dieser Haftungsbeschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzurechnen. Es sei zu bedenken, dass die bezweckte Haftungsbeschränkung Auswirkungen auf die Gläubiger des Rechtsträgers habe. Im Ergebnis führe dies dazu, dass die Kombination aus selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit und Rechtsform einer GmbH & Co KG ohne natürliche Person als Komplementärin bereits die Unternehmereigenschaft begründe.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung 6 Ob 203/11p die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht abdecke.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Personengesellschaften sind ‑ abgesehen vom Überschreiten bestimmter Umsatzschwellenwerte (§ 189 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 UGB) ‑ nur rechnungslegungspflichtig, wenn sie unternehmerisch tätig sind und keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter haben (§ 189 Abs 1 Z 1 UGB). Entscheidend ist damit, ob die Revisionsrekurswerberin „unternehmerisch tätig“ ist.

2.1. „Unternehmen“ ist nach § 1 Abs 2 UGB und § 1 Abs 2 Satz 1 KSchG jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Dabei reicht es aus, wenn aufgrund der Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass eine bestimmte Tätigkeit als unternehmerisch zu qualifizieren ist. Diesfalls ist es Sache des Handelnden, jene Umstände darzutun, die die unternehmerische Qualifikation ausschließen (Schauer, Die unternehmerisch tätige Personengesellschaft zwischen Rechnungslegungsrecht und Immobilienrecht, wobl 2013, 1 [7]).

2.2. Die bloße Verwaltung und Nutzung des Gesellschaftsvermögens wird grundsätzlich nicht als unternehmerische Tätigkeit angesehen (Artmann in Jabornegg/Artmann UGB2 § 105 Rz 37; Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 2/111; Krejci in Krejci, Reform‑Kommentar § 105 UGB Rz 46; Schiebel‑Six in Straube, UGB3 § 189 Rz 25 mwN).

3. Nach der Rechtsprechung zum KSchG liegt im Fall der Vermietung ein Unternehmen vor, wenn die Beschäftigung von dritten Personen (zB Hausbesorger), das Vorliegen einer Mehrzahl dauernder Vertragspartner (Mehrzahl von Mietverträgen, die eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung erfordert) bestehen und sohin die Einschaltung von anderen Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen erforderlich ist und auch längerfristige Vertragsbindungen bestehen (RIS‑Justiz RS0065317). Ein privater Hauseigentümer wird nach dieser Rechtsprechung noch als Verbraucher angesehen, wenn in seinem Haus nicht mehr als fünf Mietgegenstände in Bestand gegeben werden (RIS‑Justiz RS0065317 [T1]; 7 Ob 78/10m JBl 2010, 578; 5 Ob 155/10w wobl 2011, 50).

4. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 203/11p (JAB 2011/2012 229 [Rauter] = GesRZ 2012, 266 [Schenk/Linder] = AnwBl 2003, 7 [Saurer]; dazu auch Schauer aaO) im Zusammenhang mit einer Immobiliengesellschaft ausgesprochen, eine auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit liege bereits in dem Umstand, dass zur Ausübung dieser Tätigkeit eine eigene Kapitalgesellschaft, die Komplementär‑GmbH, gegründet worden sei. Die unternehmerische Tätigkeit sei aber auch deshalb zu bejahen, weil die Gesellschaft die Akquisition und den Verkauf mehrerer Liegenschaften beabsichtige. Dies und die Suche nach geeigneten Mietern erfordere üblicherweise eine erhebliche Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit.

5. Diese Kriterien sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt:

5.1. Anders als in dem vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 203/11p beurteilten Fall deckt sich im vorliegenden Fall der Geschäftszweig der zu beurteilenden KG (Liegenschaftsverwaltung) nicht mit jenem der Komplementär‑GmbH (Vermögensanlage und Handel). Aus diesem Grund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Komplementär‑GmbH gegründet wurde, um die Tätigkeit der KG auszuüben, worin nach der zitierten Entscheidung ein erhöhter Organisationsgrad läge. Der bloße Umstand, dass die Komplementär‑GmbH einige Monate vor der KG gegründet wurde, ist dem gegenüber nicht entscheidend.

5.2. Im konkreten Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte, dass die KG neben der Vermietung einer Liegenschaft mit einem (so die Äußerung ON 3) oder zwei (so die Äußerung im Verfahren 28 Fr 3503/10x des Erstgerichts) Mietverträgen weitere Tätigkeiten entfaltet oder auch nur planend vorbereitet. Die diesbezüglichen Angaben der Revisionsrekurswerberin wurden von den Tatsacheninstanzen nicht in Zweifel gezogen.

6.1. Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts kann die bloße Verwendung der Rechtsform der Personengesellschaft im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Tätigkeit allein noch nicht die Rechnungslegungspflicht begründen, stellt der Gesetzgeber im § 189 Abs 1 Z 1 UGB doch nicht auf die „wirtschaftliche Tätigkeit“, sondern auf die „unternehmerische“ Tätigkeit ab. Ebenso wenig ist das bloße Auftreten im Rechtsverkehr entscheidend, steht dieses doch allen Personengesellschaften offen, ohne dass dies nach dem klaren Wortlaut des § 189 UGB zwingend stets zur Rechnungslegungspflicht führte. Auch der Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass dann, wenn sich die dahinterstehenden Gesellschafter einer Rechtsform bedienen, die ihnen eine Haftungsbeschränkung ermöglicht, die „Organisation“ dieser Haftungsbeschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sei, ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, dass jede wirtschaftliche Tätigkeit einer Personengesellschaft iSd § 189 Abs 1 Z 1 UGB regelmäßig rechnungslegungspflichtig wäre, ohne dass es auf das vom Gesetzgeber ausdrücklich aufgestellte Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Tätigkeit ankäme. Auch die bloße Vermögensverwaltung führt aber zwangsläufig zu einem Auftreten im Rechtsverkehr, ohne dass deshalb bereits unternehmerisches Handeln vorläge.

6.2. Zudem führt die Rechtsansicht des Rekursgerichts ‑ wie dieses in seinem Zulassungsausspruch selbst einräumt ‑ dazu, dass die Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens unternehmerischer Tätigkeit von der jeweiligen Rechtsform des Betreibers abhängt. Dem gegenüber normiert jedoch § 189 Abs 1 Z 1 UGB mit dem Abstellen auf die unternehmerische Tätigkeit ein selbstständiges, von der Rechtsform des Betreibers unabhängiges Tatbestandsmerkmal.

7. Zusammenfassend kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Revisionsrekurswerberin unternehmerisch tätig ist, sodass der Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufzuheben war.

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