OGH 6Ob11/06w

OGH6Ob11/06w16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Hannes Jarolim, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verein „J*****, vertreten durch Dr. Stephanie Merckens, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert 21.800 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs und die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Rekurs- und Berufungsgericht vom 14. Dezember 2005, GZ 2 R 172/05k-17, womit der Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. August 2005, GZ 2 Cg 143/05k-5, bestätigt wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die in den außerordentlichen Rechtsmitteln des beklagten Vereins formulierten und seiner Auffassung nach erheblichen Rechtsfragen befassen sich mit der Auslegung des vom Bundesparteitag der Klägerin angenommenen Antrags, auf den der Beklagte in der beanstandeten Äußerung „hemmungslose Kindestötung: Forderung nach Abtreibung bis zur Geburt" Bezug genommen hatte. Der Rechtsmittelwerber teilt ausdrücklich die Auffassung des Berufungsgerichts, seine Äußerung enthalte einerseits die Tatsachenbehauptung, die Klägerin habe auf ihrem Bundesparteitag die Forderung nach einer Zulassung bzw Freigabe von „Abtreibungen bis zur Geburt" erhoben und andererseits die kommentierte Bewertung dieser Forderung als „hemmungslose Kindestötung". Er meint aber nach dem gesamten Zusammenhang der zu diesem Thema bekannten Veröffentlichungen und bei Auslegung in dem von ihm angestrebten Sinn habe er die Unwahrheit seiner Tatsachenbehauptungen weder gekannt noch kennen müssen. Die Rechtsmittel zeigen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn der §§ 502 Abs 1 und 528 Abs 1 ZPO nicht auf. Ob die beanstandete Behauptung richtig ist, hängt davon ab, wie die darin zitierte Veröffentlichung in ihrem Gesamtzusammenhang von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Leser verstanden wird (RIS-Justiz RS0031883). Der Äußernde hat nach ständiger Rechtsprechung die für ihn ungünstigste Bedeutung gegen sich gelten zu lassen (RIS-Justiz RS0079648). Dieser Frage kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Ob der Äußernde die Unwahrheit seiner Behauptung bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt erkennen konnte, richtet sich gleichfalls nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls, denen - vom hier nicht vorliegenden Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt.

Zu der mit der (unrichtigen) Tatsachenbehauptung verknüpften Bewertung „hemmungslose Kindestötung" steht die Auffassung des Berufungsgerichts mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des EGMR in Einklang. Danach kann ein Werturteil auf Basis eines unwahren Sachverhalts ebensowenig wie eine unwahre Tatsachenbehauptung durch das Recht der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt werden (RIS-Justiz RS00107915, RS0032201, RS0075642). Die außerordentlichen Rechtsmittel des Beklagten waren mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

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