OGH 5Ob9/18m

OGH5Ob9/18m13.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* S*, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. J* M*, vertreten durch Mag. Patrick Thun‑Hohenstein, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 155.412,35 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. November 2017, GZ 6 R 129/17h‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E120948

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung, ob ein Parteienvorbringen ausreichend bestimmt und schlüssig ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen (RIS‑Justiz RS0116144; RS0037780 ua). Eine im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das – zusammengefasst – die Auffassung vertrat, das Klagebegehren sei mangels ausreichenden Vorbringens der Klägerin zur Haftung des beklagten Anwalts unschlüssig geblieben, weil es nach einem rechtskräftigen Prozessverlust nicht ausreiche, bloß theoretisch die Möglichkeit eines anderen Verfahrensausgangs aufzuzeigen, liegt nicht vor.

2. Die Klägerin begehrte vom Beklagten den Ersatz des Schadens, der ihr entstanden sei, weil er als ihr Vertreter in einem Oppositionsverfahren Zeugen nicht beantragt und der Verlesung eines Strafakts nicht widersprochen habe. Deswegen sei der Oppositionsklage stattgegeben und ausgesprochen worden, dass ihr Anspruch aus dem Unterhaltsvergleich vom 1. 2. 2007 erloschen sei, was – so ihr Vorbringen – auch dazu geführt habe, dass in einem weiteren (ohne Beteiligung des Beklagten geführten) Verfahren erkannt worden sei, dass sie ihren Anspruch auf Unterhalt seit September 2006 verwirkt habe.

2.1 Rechtsanwälte schulden die fachgemäße Beratung und Vertretung ihres Klienten. Die Nichterfüllung besteht im Fall einer solchen Sorgfaltsverbindlichkeit in der Sorgfaltsverletzung, die als Ursache des behaupteten Schadens vom Kläger zu behaupten und zu beweisen ist (RIS‑Justiz RS0026458 [T1]). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist daher auch im Rahmen der Anwaltshaftung die Pflichtverletzung sowie der Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und schadensbegründendem Prozessverlust vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0022686 [T22] = RS0022700 [T13]).

2.2 Die Klägerin traf daher nicht nur die Behauptungs- und Beweispflicht dafür, dass bei sachgerechter Vertretung durch den Beklagten im Oppositionsprozess ein bestimmter Sachverhalt festgestellt, also ein bestimmter Prozessstoff zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden wäre, der zu einem ihr günstigeren Verfahrensausgang geführt hätte, sondern auch dafür, dass die dem beklagten Anwalt vorgeworfenen Unterlassungen eine Sorgfaltsverletzung begründeten. Das hängt davon ab, ob er bei einer ex-ante-Betrachtung aufgrund seines Informationsstands die von der Klägerin vermissten Prozesshandlungen zur Wahrung ihrer Interessen für erforderlich halten musste (vgl 1 Ob 87/99x).

2.3 Demgegenüber vertrat die Klägerin im Verfahren erster Instanz ausdrücklich die Auffassung, es gehe (im Regressprozess) nicht darum, zu prüfen, ob die im Vorverfahren angenommene Verwirkung ihres Unterhaltsanspruchs tatsächlich richtig sei, sondern ausschließlich um die Frage, ob der Beklagte im Oppositionsverfahren die nach der Sach- und Rechtslage gebotenen Beweisanträge zu stellen unterlassen habe, ohne jedoch auch nur im Ansatz darzulegen, aufgrund welcher objektiven Anhaltspunkte der Beklagte bei gebotener ex-ante-Betrachtung die unmittelbare Einvernahme von Zeugen gegenüber der Verlesung von deren Aussagen im Strafverfahren (die dort ohnedies in ihrem Sinn aussagten) für einen Prozesserfolg der Klägerin günstiger beurteilen hätte müssen. Gegenstand des Strafverfahrens waren die von ihr gegenüber ihrem Ehemann erhobenen Misshandlungsvorwürfe. Im Oppositionsverfahren begründete dieser die behauptete Verwirkung des Unterhalts (§ 94 Abs 2 ABGB) damit, dass diese Vorwürfe zu Unrecht erhoben und verbreitet worden seien. Damit trifft es zwar zu, dass – wie die Klägerin meint – den Verfahren unterschiedliche Beurteilungsgegenstände zugrunde lagen; als Zeugen hatten die von ihr genannten Personen, soweit sie im Strafverfahren einvernommen wurden, aber über den selben Tatsachenkomplex auszusagen, sodass allein aus ihrer Behauptung, bei deren Einvernahme im Oppositionsprozess wäre keine Verwirkung des Unterhalts festgestellt worden, eine Sorgfaltsverletzung des Beklagten nicht schlüssig abgeleitet werden kann. Ebenso offen bleibt nach dem Vorbringen der Klägerin, warum es eine Pflichtverletzung begründen soll, dass der Beklagte als ihr Vertreter vom Oppositionskläger in dessen Parteieneinvernahme (teils nur mit dem Vornamen) genannte Personen nicht ausgeforscht und als Zeugen genannt hat. Die von ihr ins Treffen geführte Beweislastumkehr gemäß § 1298 ABGB betrifft nur das Verschulden (RIS‑Justiz RS0022686; für die Anwaltshaftung: 17 Ob 11/11h mwN).

3. Auch noch im Revisionsverfahren beharrt die Klägerin auf dem Standpunkt, es komme für ihren Schadenersatzanspruch allein darauf an, dass der Beklagte Beweisanträge zu stellen unterlassen habe, und nicht darauf, wozu er ex‑ante bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt verpflichtet gewesen wäre. Damit muss auch nicht mehr geprüft werden, ob ihr durch das Berufungsgericht Gelegenheit zu geben gewesen wäre, das Begehren schlüssig zu stellen. Ein allfälliger Verfahrensmangel könnte in diesem Zusammenhang auch nur dann relevant sein, wenn von ihr in der Revision dargelegt worden wäre, welche konkreten Behauptungen sie aufgestellt hätte, wäre ihr nach Erörterung Gelegenheit dazu geboten worden (RIS‑Justiz RS0037095 [T5, T6, T14, T16 und T19]).

4. Schon wegen der Unschlüssigkeit ihres Begehrens erübrigte sich die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme ob ein Mangel des Verfahrens vor dem Berufungsgericht vorliegt, weil dieses die Mängelrüge der Klägerin als nicht ordnungsgemäß ausgeführt beurteilte, muss daher nicht geprüft werden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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