European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00068.23W.0111.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Erstantragsteller ist schuldig, den Erst‑ bis Viertantragsgegnern die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Mit‑ undWohnungseigentümer einer Liegenschaft.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung des Umlaufbeschlusses der Eigentümergemeinschaft, mit dem eine nicht am Verfahren beteiligte deutsche Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zur Verwalterin der Liegenschaft bestellt wurde.
[3] Das Erstgericht wies die zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbundenen Anträge der Antragsteller, diesen Umlaufbeschluss infolge Unwirksamkeit mit ex tunc‑Wirkung aufzuheben, ab.
[4] Nach § 24 Abs 6 WEG könne jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit eines Beschlusses unter anderem wegen Gesetzwidrigkeit gerichtlich festgestellt werde. Dieses Anfechtungsrecht der Minderheit solle aber nur die Einhaltung zwingender Bestimmungen des WEG garantieren. Auf die Argumentation der Antragsteller, die bestellte Verwalterin erfülle die österreichischen gewerberechtlichen Voraussetzungen nicht, sei daher nicht einzugehen. Ein Verstoß gegen allgemeine Normen des Verwaltungsrechts sei von dem Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit nicht erfasst, sofern nicht durch die bewusste Missachtung gesetzlicher Vorschriften schwere wirtschaftliche Nachteile drohten. Ein solcher Nachteil sei hier nicht erkennbar. Zwar könnten allenfalls auch noch „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einen Anfechtungsgrund bilden. Ein solcher krasser Verstoß liege hier aber nicht vor. Es sei nicht zu erkennen, warum eine in Deutschland ansässige Hausverwaltung diese Tätigkeit (nahezu ausschließlich Büroarbeit) nicht ebenso gut wie ein ortsansässiger Hausverwalter erledigen könne, und auch das Honorar sei jedenfalls nicht dermaßen überzogen.
[5] Das Rekursgericht gab den Rekursen der Antragsteller nicht Folge.
[6] Für den Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit seien nur die Bestimmungen des WEG maßgeblich und nach diesensei die Bestellung eines deutschen Unternehmens zum Verwalter zulässig. Es gebe insbesondere keine Verpflichtung, nur jemanden zum Verwalter zu bestellen, der über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes des Immobilienverwalters (§ 94 Z 35 GewO 1994) verfüge. Bestellungsfähig seien also nicht nur gewerblich konzessionierte Immobilienverwalter, sondern auch Privatpersonen, einschließlich eines zu diesem Zweck gegründeten Vereins, sofern diese nicht gewerbsmäßig im Sinn der Gewerbeordnung (GewO), also in Gewinnabsicht tätig würden. Die bestellte Verwalterin habe eine Dienstleistungsanzeige nach § 373a Abs 4 GewO 1994 erstattet. Die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung und der dort gebrauchten Wendung „vorübergehend und gelegentlich“ habe unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundlagen, insbesondere der Aussagen des EuGH zur Dienstleistungsfreiheit und zur Niederlassungsfreiheit zu erfolgen, weil die GewO 1994 insoweit die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen umsetze.
[7] Ausgehend von diesen unionsrechtlichen Grundlagen und dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt werde die hier bestellte Verwaltung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit und nicht der Niederlassungsfreiheit tätig; sie bedürfe somit keiner österreichischen Gewerbeberechtigung. Ob das Fehlen einer notwendigen Gewerbeberechtigung eine Gesetzwidrigkeit des Bestellungsbeschlusses iSd § 24 Abs 6 WEG bedeutete, sei daher nicht weiter zu untersuchen.
[8] Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs nachträglich zu. Zu der vom Rekursgericht nicht weiter untersuchten Frage, ob das Fehlen einer notwendigen Gewerbeberechtigung eine Gesetzwidrigkeit des Bestellungsbeschlusses iSd § 24 Abs 6 WEG bedeute, gebe es (außer den in der Entscheidung genannten, nicht weiter begründeten Zitaten) keine veröffentlichten Rechtsmeinungen. Sei dies zu bejahen, komme auch der Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden eine österreichische Gewerbeberechtigung eines im Ausland sitzenden Verwalters notwendig sei oder eine Dienstleistungsanzeige nach § 373a Abs 4 GewO 1994 ausreiche, erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu.
[9] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Erstantragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, den angefochtenen Sachbeschluss abzuändern und seinem Antrag auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses stattzugeben. Hilfsweise stellter einen Aufhebungsantrag.
[10] Die Erst‑ bis Viertantragsgegner beantragen in ihrerRevisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die Fünftantragsgegnerin hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
[12] 1. Jeder Wohnungseigentümer kann nach Maßgabe des § 24 Abs 6 WEG einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit anfechten.
[13] 2. Der Anfechtungsgrund der Gesetzwidrigkeit soll nicht im Ergebnis auf eine generelle Inhaltskontrolle der Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung hinauslaufen. Der Begriff der „Gesetzwidrigkeit“ ist daher nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einschränkend zu interpretieren. Nur ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung und „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit machen einen Beschluss gesetzwidrig (5 Ob 144/05w; 5 Ob 7/18t mwN; RIS‑Justiz RS0120092).
[14] Ein Verstoß gegen allgemeine Normen, insbesondere solche des Verwaltungsrechts, ist daher keine zur Anfechtung des Beschlusses berechtigende Gesetzwidrigkeit iSd § 24 Abs 6 WEG. Anderes gilt nur für den Fall, dass der Eigentümergemeinschaft durch die Missachtung solcher gesetzlicher Vorschriften schwere wirtschaftliche Nachteile drohen; darin liegt dann nämlichallenfalls ein krasser Verstoß gegen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (5 Ob 144/05w; 5 Ob 113/08s). Von diesem Ausnahmefall abgesehen hat das Gericht daher im Verfahren über die Anfechtung eines Beschlusses verwaltungsrechtliche Fragen nicht als Vorfrage selbständig zu beurteilen (vgl 5 Ob 144/05w [baurechtliche Bewilligungsfähigkeit einer Maßnahme]).
[15] 3. Nach § 19 Satz 1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person zum Verwalter bestellen. Weitere Merkmale des Verwalters sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Verwalter kann daher selbst Wohnungseigentümer oder ein der Eigentümergemeinschaft nicht angehörender Dritter sein; er kann die Verwaltungstätigkeit gewerblich oder auch nur im Einzelfall ausüben. Das WEG sieht also nicht vor, dass nur eine Person zum Verwalter bestellt werden kann, die auch über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§ 94 Z 35 GewO 1994) verfügt. Das Fehlen einer solchen Gewerbeberechtigung macht die Verwalterbestellung also nicht unzulässig (Schauer in Illedits, Wohnrecht4 § 19 WEG Rz 6 f; Schatzl/Spruzina, GeKo Wohnrecht II § 19 WEG Rz 9; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 19 WEG Rz 4; Kothbauer in Dirnbacher, Praxiskommentar WEG 2017, 314; vgl auch 5 Ob 239/16g; RV 989 BlgNR 21. GP 55).
[16] In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 27/76 (MietSlg 29.504) verweist der Oberste Gerichtshof zwar darauf, dass eine Privatperson nur dann erlaubterweise zum Verwalter bestellt werden könne, sofern diese nicht gewerbsmäßig im Sinn der GewO, also in Gewinnabsicht tätig werde. Diese Entscheidung erging jedoch zur Rechtslage nach dem WEG 1975, das keine mit § 19 Satz 1 WEG vergleichbare Regelung über die Bestellung des Verwalters vorsah (vgl RV 989 BlgNR 21. GP 55), und in einem Verfahren über den Antrag auf Abberufung des Verwalters, einem zur Verwaltung der Liegenschaft gegründeten Verein, wegen grober Pflichtverletzung (§ 15 Abs 1 Z 5 WEG 1975, § 18 Abs 1 Z 3 WEG 1975). Der Oberste Gerichtshof ließ dort die Frage der Gewerbsmäßigkeit in der Folge letztlich offen, weil unter einer die Abberufung des Verwalters rechtfertigenden groben Pflichtverletzung nur eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Miteigentümer unter Beachtung ihrer Individualrechte zu verstehen sei. Verwaltungsbehördliche Ahndungen wegen unbefugter Ausübung der Verwaltertätigkeit könnten aber nur den Verwalter, nicht aber die Miteigentümer als solche treffen. Die wohnungseigentumsrechtliche Unzulässigkeit der Bestellung einer „Privatperson“, also einer Person, die nicht über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter verfügt, in dem Fall, dass diese Person die Verwaltung gewerbsmäßig ausübt bzw auszuüben beabsichtigt, lässt sich daher aus 5 Ob 27/76 nicht ableiten.
[17] Der Oberste Gerichtshof berief sich in dieser Entscheidung auf Faistenberger‑Barta‑Call, Kommentar zum WEG, 375 f, die im Rahmen der Auflistung der erlaubterweise zu bestellenden Personen bei den Privatpersonen einschränkend hinzufügen, das gelte nur, sofern sie nicht gewerbsmäßig im Sinn der GewO tätig würden; dies aber offenbar mit Blick auf die für diese Personen geltenden gewerberechtlichen Schranken für die Ausübung der Verwaltung und ohne jeglichen Bezug auf eine wohnungseigentumsrechtliche Vorgabe. Auch E. M. Hausmann,die (in Hausmann/Vonkilch, WEG4 § 19 WEG Rz 13) unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 27/76 die Bestellungsfähigkeit von Privatpersonen nur bejaht, soweit nicht Gewerbsmäßigkeit vorliegt, begründet dies nicht näher.
[18] Eine solche, zuletzt auch in 5 Ob 239/16g obiter referierte Einschränkung der Zulässigkeit der Bestellung einer Person, die über keine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter verfügt, ergibt sich weder aus § 19 Satz 1 WEG 2002 noch aus anderen Bestimmungen des WEG 2002. Es sind auch keine teleologischen Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen, die Eigentümergemeinschaft, die selbst diesen Normen nicht unterworfen ist, zur Berücksichtigung der gewerberechtlichen Vorgaben zu verpflichten, indem man die Zulässigkeit der Bestellung einer Person zum Verwalter und/oder die Aufrechterhaltung der Bestellung an deren Erfüllung knüpft. Darauf, ob der zu bestellende Verwalter diese Tätigkeit (zu dem für die Beurteilung der Gesetzwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung) gewerbsmäßig auszuüben beabsichtigt und gegebenenfalls über die dann dafür erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt, kommt es daher auswohnungseigentumsrechtlicher Sicht nicht an.
[19] 4. Das Fehlen einer allenfalls erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Immobilienverwalter (§ 94 Z 35 GewO 1994) ist damit kein Verstoß gegen zwingende Vorschriften des WEG über die Verwaltung iSd § 24 Abs 6 WEG. Die Frage, ob die im vorliegenden Fall zur Verwalterin bestellte deutsche Unternehmergesellschaft für die Ausübung dieser Tätigkeit eine österreichische Gewerbeberechtigung braucht oder eine Dienstleistungsanzeige nach § 373a Abs 4 GewO 1994 ausreicht, ist damit in diesem Verfahren nicht ausschlaggebend und bloß theoretischer Natur. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).
[20] 5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Es entspricht der Billigkeit, den im Revisionsrekursverfahren obsiegenden Antragsgegnern Kostenersatz zuzuerkennen. Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt 4.000 EUR (§ 10 Z 3 b) aa) RATG). Ein Streitgenossenzuschlag steht nur insoweit zu, als der Rechtsanwalt mehrere Parteien vertritt oder mehreren Parteien gegenübersteht (§ 15 RATG). Daher haben die Antragsgegner im Rechtsmittelverfahren lediglich Anspruch auf 20 % Streitgenossenzuschlag.
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