OGH 5Ob680/77

OGH5Ob680/7720.12.1977

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel, Dr. Harold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, (Post- und Telegrafenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I., Rosenbursenstraße 1, wider die beklagte Partei F*, Baggerunternehmer, *, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen 149.369,80 S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Juni 1977, GZ 7 R 99/77‑13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 4. April 1977, GZ 6 Cg 466/76‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0050OB00680.77.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 10.067,84 S bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens (darin 579,84 S Umsatzsteuer und 2.240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte betreibt ein Tiefbohr-Brunnenbau und Baggerunternehmen mit dem Standort in E*. Er vermietete im Jahre 1975 einen Seilbagger und einen Hydraulikbagger mit beigestelltem Bedienungspersonal an F*, der damit Fischteiche in S* ausheben und erweitern ließ. Dabei beschädigte O* mit dem von ihm bedienten Hydraulikbagger am 14. Mai 1975 ein Fernmeldekabel der klagenden Partei. Dieser erwuchsen hiedurch 56.894,69 S an Kosten der Schadensbehebung und ein Gebührenausfall von 92.475,12 S.

Die klagende Partei begehrte mit der am 8. Oktober 1976 eingebrachten Klage den Ersatz dieses Schadens und brachte dazu vor, daß es zur Beschädigung insbesondere deshalb gekommen sei, weil es die beklagte Partei schuldhaft unterlassen habe, sich vor Grabungsbeginn bei ihr nach Einbauten zu erkundigen und den Einsatz von Baggern in Kabelnähe einzustellen.

Der Beklagte wendete demgegenüber vor allem ein, daß er den Bagger samt einem Baggerführer an F* vermietet habe, der die durchzuführenden Arbeiten und ihre Ausführung an Ort und Stelle selbst bestimmt habe. Demzufolge habe der Beklagte keine Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Durchführung dieser Arbeiten gehabt, deren nähere Umstände ihm weder bekannt gewesen seien, noch ihm bekannt sein mußten. Der Beklagte habe sich darauf verlassen können, daß der Mieter des Baggers alle zur Durchführung der Grabungen erforderlichen Kenntnisse besitze.

Der Schadensbetrag wurde der Höhe nach außer Streit gestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus fest, daß sich der Beklagte im Rahmen des von ihm seit 1970 betriebenen Unternehmens bei Arbeiten auf eigenen Baustellen jeweils bereits im Planungsstadium über das Vorhandensein von Einbauten erkundigt habe. Bei Mitteilung über das Vorhandensein solcher Anlagen von den Telegrafenbaudienststellen habe er vor Beginn jeweils das Einvernehmen mit dem nächsten Telegrafenbauamt gepflogen und sich in der Folge nach den Anordnungen des von diesem zu seinen Grabungsarbeiten entsendeten Aufsichtsorgans gehalten. Eine solche Erkundigung bzw Meldung habe er im vorliegenden Fall unterlassen, weil F* die Ausbaggerung seiner Fischteiche in S* nicht ihm als Unternehmer übertragen, sondern selbst durchgeführt und sich nur hiezu die Baugeräte mit Fahrer vom Beklagten gemietet habe. Beide Geräte seien ausschließlich nach den Anweisungen des F* auf dessen Grundstücken eingesetzt worden. Der Beklagte habe diese Baustelle nicht gekannt. Der Baggerführer O* habe nach den Anweisungen des F* auf dessen Grund einen Fischteich um zwei Meter erweitert und dabei das dort noch ohne das hellgelb gefärbte Trassenband verlegte Fernmeldekabel der Klägerin beschädigt, von dessen Vorhandensein er nichts gewußt und das er auf freiem Wiesengelände 500 m von der nächsten Straße entfernt auch nicht vermutet habe. Er habe deshalb F*, der augenscheinlich auch keine Kenntnis vom Vorhandensein dieses Kabels auf seinem Grund gehabt habe, nicht darnach gefragt.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahingehend, daß dem Beklagten eine schuldhafte Beschädigung der unterirdischen Kabelanlage der klagenden Partei nicht zur Last gelegt werden könne, weil die Einhaltung der diesbezüglichen Schutzbestimmungen nur Sache des Bauherrn und Bauführers F*, nicht aber des Beklagten gewesen sei, der lediglich seine Baugeräte vermietet habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es den Klagsbetrag zur Gänze zuerkannte. Das Berufungsgericht erachtete auf der Grundlage der unbekämpft gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen, daß die von der Rechtsprechung hinsichtlich der sogenannten „Verkehrssicherungspflicht“ vor allem im Straßenverkehr entwickelten Grundsätze auch auf denjenigen Anwendung zu finden hätten, der eine gefährliche bewegliche Sache beherrsche, die weder am öffentlichen Verkehr teilnehme noch hinsichtlich welcher der Verantwortliche den Verkehr eröffnet oder geduldet habe. Wer also eine solche Sache beherrsche, habe demnach für Schäden, die durch diese Sache oder durch Arbeiten an ihr entstehen, insoweit aufzukommen, als er sie bei zumutbarer Rücksichtnahme auf die Interessen anderer hätte verhindern können. Das Berufungsgericht entwickelte unter besonderer Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26. September 1972, 5 Ob 136/72, seine Auffassung, daß mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit der vermieteten Maschine für etwa im Erdreich verlegte Kabel die Verpflichtung des Beklagten bestanden habe, sich vor ihrem Einsatz nach Einholung von Informationen bei seinem Vertragspartner über den Einsatzort bei der zuständigen Postdienststelle zu unterrichten, ob im Bereich dieses Einsatzortes Kabel verlegt seien. Mangels Beachtung dieser Sicherungspflicht hafte der Beklagte aus eigenem Verschulden und daher ohne Rücksicht darauf, ob sein Baggerführer als tüchtiger Besorgungsgehilfe anzusehen sei, für den der Klägerin verursachten Schaden. Sicherungspflichtig sei der Halter des gefährlichen Gerätes, sodaß es keine Rolle spiele, ob dieses infolge eines Auftrages an seinen Halter zur Durchführung der Arbeiten oder auf Grund seiner Vermietung Verwendung finde. Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, eine ihm zumutbare Organisation zur Erfüllung der die Verkehrssicherheit gewährleistenden Maßnahmen zu schaffen und zu unterhalten. Dies sei ihm auch bei allenfalls häufig vorkommenden kurzfristigen Vermietungen von Großgeräten möglich und zumutbar, weil er einerseits den auf solchen Erkundigungen entfallenden Mühe- und Zeitaufwand dem Mieter des Gerätes in Rechnung stellen könne und andererseits nicht angenommen werden könne, daß durch derartige der Verhinderung einer Beschädigung fremder Sachen dienende Maßnahmen überhaupt erhebliche Kosten erwüchsen. Auch der Umstand, daß das Kabel auf freiem Wiesengelände in einer Entfernung von etwa 500 m von der nächsten Straße entfernt verlegt gewesen sei, könne an der grundsätzlich bestehenden Erkundigungspflicht des Beklagten nichts ändern, weil mit dem Vorhandensein von Erdkabeln nicht nur im Nahbereich einer Straße gerechnet werden müsse. Die klagende Partei sei nicht gesetzlich verpflichtet, die Lage ihrer in der Erde verlegten Kabel zu kennzeichnen.

Das Berufungsgericht erkannte auch den Einwand der beklagten Partei, daß die klagende Partei als Inhaberin eines Leitungsrechtes auf dem gegenständlichen Grundstück auf Ersuchen des Grundeigentümers zur Verlegung des Kabels verpflichtet gewesen wäre, wodurch Verlegungskosten und gleichfalls ein Gebührenausfall entstanden wären, die sie sich nun als Ersparnis in Abzug bringen lassen müsse, keine Berechtigung zu.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Revisionsantrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

In dem Rechtsstreit, der zur oberstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 136/72 führte, wurde Schadenersatz für die Beschädigung eines Ortskabels der Post- und Telegrafenverwaltung begehrt. Der dortige Beklagte hatte im Rahmen seines Gewerbebetriebes einen zur Ausgrabung von Künetten geeigneten Caterpillar mit Löffelbagger vermietet, wobei der Mieter mit Wissen des Beklagten den bei ihm beschäftigten Fahrer für den Aushub eines Kanales im Ortsgebiet einsetzte. Der Oberste Gerichtshof billigte dabei im Hinblick auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der sogenannten Verkehrssicherungspflicht (SZ 30/22, SZ 37/97, SZ 41/146 uva) die rechtliche Beurteilung in der Richtung, wie sie sie das Berufungsgericht im gegenständlichen Verfahren seiner Entscheidung zugrundgelegt hat.

Der Revisionswerber unternimmt es in seinen Ausführungen darzutun, daß der vorliegende Sachverhalt demgegenüber wesentlich anders gelagert sei und sohin diese Grundsätze der rechtlichen Beurteilung hier nicht Anwendung zu finden hätten.

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist davon auszugehen, daß das beschädigte Erdkabel eine Einrichtung bzw Anlage darstellte, die der Zeichen-, Schriften-, Bilder- oder Schallübertragung mittels Elektrizität diente und sohin als „Telegraf“ im Sinne des Telegrafenweggesetzes, BGBl 1929/435, anzusehen war (vgl. Schaginger-Vavra, Das österreichische Fernmelderecht, 440). Nach § 1 dieses Gesetzes stehen dem Bunde und den öffentlichen Telegrafenanstalten für die Herstellung, Instandhaltung und dem Betrieb von Telegrafen auch an unverbauten und in fremdem Privateigentum stehenden Grundstücken einschließlich der Privatgewässer Leitungsrechte unter der Voraussetzung zu, daß durch die Leitungsrechte der bestimmungsgemäße Gebrauch der zu benützenden Liegenschaften nicht dauernd behindert wird und überwiegende öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen. Diese Leitungsrechte umfassen auch das Recht zur Führung von Leitungen unter der Erde. Gemäß dem § 5 Abs 1 TWG. werden die Belasteten durch diese Leitungsrechte in der freien Verfügung über ihre Liegenschaften und die Vornahme von Maßnahmen zur Verbauung und dergleichen nicht behindert. Diese Gesetzesstelle setzt aber eine Verpflichtung des Belasteten zur Verständigung des Leitungsberechtigten vor Beginn der Arbeiten fest, um die Durchführung entsprechender Vorkehrungen, allenfalls auch die Entfernung oder Verlegung der Leitung zu ermöglichen. Nach dem Abs 3 dieser Bestimmung ist der Anzeigepflichtige zum Schadenersatz verpflichtet, wenn durch sein Verschulden die Anzeige nicht rechtzeitig erstattet und der Bestand oder der Betrieb des Telegrafen durch seine Maßnahmen geschädigt wurde.

Da den Feststellungen der Untergerichte im vorliegenden Falle zu entnehmen ist, daß der Mieter des Baggers auf seinem Grundstück Grabungsarbeiten durchführen ließ, die allenfalls eine Entfernung oder Änderung des Erdkabels der klagenden Partei erforderte und jedenfalls eine Beschädigungsgefahr bedeutete, traf ihn als den durch das Leitungsrecht Belasteten die Anzeigepflicht nach der dargelegten Gesetzesstelle. Eine solche Anzeige wurde nicht erstattet. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Anzeigepflichtigen ein Verschulden daran anzulasten ist, zumal diesbezügliche Feststellungsgrundlagen fehlen. Im Hinblick auf die dargelegte gesetzliche Verpflichtung des durch das Leitungsrecht Belasteten, die bei der Durchführung von baulichen Maßnahmen eine Beschädigung der Erdkabel der klagenden Partei hintanhalten soll, konnte es aber dem Beklagten, der lediglich als Bestandgeber des Baugerätes auf trat und den aus der Art seines Vertragsverhältnisses zum Bestandnehmer keine vertragliche Schutzpflichten gegenüber Dritten in dieser Richtung treffen konnten, nicht obliegen, selbst eine derartige Anzeige beabsichtigter baulicher Maßnahmen vorzunehmen und dazu Kontakt mit dem Telegrafenbauamt aufzunehmen oder auch nur den Liegenschaftseigentümer im Hinblick auf seine aus dem Liegenschaftseigentum erwachsenden gesetzlichen Verpflichtungen aufzuklären. Damit fehlt es an einer Grundlage für die Annahme eines eigenen Verschuldens des Beklagten bezüglich der Herbeiführung des klagsgegenständlichen Kabelschadens. Nach den dargelegten Erwägungen kann eine Haftung des Beklagten auch nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit des von ihm beigestellten Baggerführers auf der Grundlage der §§ 1313 a, 1315 ABGB angenommen werden, zumal diesbezüglich auch entsprechende Prozeßbehauptungen fehlen.

Die Rechtsauffassung in der vom Berufungsgericht angeführten oberstgerichtlichen Entscheidung kann für den vorliegenden Fall aber auch insofern nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, als dieser Entscheidung nicht entnommen werden kann, daß die wesentlichen Beurteilungskriterien, wie sie aus dem Telegrafenwegegesetz zu entnehmen sind, entsprechende Berücksichtigung gefunden haben.

Da das Erstgericht zutreffend erkannt hat, daß auch die vom Beklagten unterfertigte Verpflichtungserklärung vom 15. Mai 1975 wegen der von ihm vorgenommenen Streichungen im vorgedruckten Text keine Verpflichtung zur Schadenersatzleistung darstellt, war der Revision Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil im Sinne der Klagsabweisung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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