OGH 5Ob53/90

OGH5Ob53/903.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Peter P***, Kaufmann, Innsbruck, Reichenauerstraße 82, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Franz H***, Kaufmann, Innsbruck, Brennerstraße 2, vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Veränderung eines Mietgegenstandes infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3.Mai 1990, GZ 1 a R 156/90-17, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 31.Oktober 1989, GZ Msch 13/89-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 2.1.1980 mietete der Antragsteller einen Lagerraum im Südteil des Erdgeschoßes des dem Antragsgegner gehörenden Hauses Kematen, Messerschmittweg 26 zum Betrieb eines Lagers und einer Werkstätte. Zwischen den Mietvertragsparteien wurde vereinbart, daß der Antragsteller den Mietgegenstand (auch) zur Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten an betriebseigenen Fahrzeugen verwenden wird. Seit Beginn des Mietverhältnisses führte der Antragsteller im Mietgegenstand Reparaturarbeiten sowohl an betriebseigenen Fahrzeugen als auch an Fahrzeugen von Verwandten durch. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 17.11.1988 wurde dem Antragsteller die gewerberechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kfz-Reparaturwerkstätte im Mietgegenstand unter anderem unter der Auflage erteilt, daß 1. die Verbindungstür zwischen der Kfz-Werkstätte und dem (übrigen) Lagerraum - derzeit eine alte Holztür - durch eine Metalltür ersetzt wird, die der Norm "brandbeständig T 90" entspricht; 2. das Einfahrtstor vom Stiegenhausbereich in die Werkstätte - derzeit ein altes Blechkipptor - durch ein gleich großes Metalltor ersetzt wird, das ebenfalls die Norm "brandbeständig T 90" erfüllt; 3. die vorhandenen Installationsdurchbrüche (Wand- und Deckendurchführungen) "brandbeständig T 90" abgeschottet werden. Der Antragsteller beabsichtigt, diese Auflagen zu erfüllen und, sollte die zu 1. genannte Normtür niedriger sein als die alte Holztür, zusätzlich einen Ziegelsturz einzubauen. Da sich der Antragsgegner weigert, den beabsichtigten Veränderungen seine Zustimmung zu erteilen, beantragt der Antragsteller im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG, diese Veränderungen zu genehmigen, weil alle Voraussetzungen des § 9 Abs 1 MRG vorlägen.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung dieses Antrages und wendet insbesondere ein, der Antragsteller habe keine genauen Vorstellungen darüber, wie er die Veränderungen durchführen wolle, sodaß deren einwandfreie Ausführung (§ 9 Abs 1 Z 3 MRG) nicht gewährleistet sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt und trug dem Antragsteller gemäß § 9 Abs 3 MRG auf, bei Zurückstellung des Mietgegenstandes den Zustand vor der Genehmigung der beabsichtigten Veränderungen wiederherzustellen. Es stellte zusammengefaßt folgenden Sachverhalt fest:

Der Antragsteller beabsichtigt, die von ihm begehrten Veränderungen durch eine Fachfirma durchführen zu lassen. Die begehrten Veränderungen sind technisch leicht durchführbar. Die brandbeständigen Türen sind Normtüren, die im Handel erhältlich sind. Der unter Punkt 1. des Begehrens angeführte Ziegelsturz erfüllt die brandmäßigen Anforderungen. Die vom Antragsteller beantragten Veränderungen entsprechen dem Stand der Technik. Diese Veränderungen wirken sich positiv auf die anderen Mieter des Hauses aus, weil eventuelle Gefährdungen vermieden werden können. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß sämtliche Voraussetzungen des § 9 Abs 1 MRG gegeben seien.

Der erstgerichtliche Sachbeschluß wurde über Auftrag des Rekursgerichtes auch den übrigen Mietern des Hauses, die bisher dem Verfahren nicht beigezogen worden waren, zugestellt. Innerhalb offener Frist wurde von diesen Mietern ein Rechtsmittel gegen den erstgerichtlichen Sachbeschluß nicht ergriffen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Es verneinte die vom Antragsgegner in der Nichtbeiziehung der übrigen Mieter des Hauses erblickte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, befand die erstgerichtliche Beweiswürdigung für unbedenklich und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht berechtigt. Zunächst macht der Revisionsrekurswerber geltend, die Zustellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses an die übrigen Hauptmieter vermöge die in ihrer Nichtbeiziehung gelegene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht zu beheben. Dem kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG hat das Gericht von Verfahren, die von einem oder mehreren Hauptmietern einer Liegenschaft gegen den (die) Vermieter eingeleitet werden, auch die anderen Hauptmieter der Liegenschaft, deren Interessen durch die Stattgebung des Antrages unmittelbar berührt werden könnten, zu verständigen. Auch diesen Hauptmietern ist Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren zu geben; es genügt, wenn sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dies noch zulässig ist, Gelegenheit zu Sachvorbringen haben. Zu den Verfahren, in denen die übrigen Hauptmieter beizuziehen sind, gehören auch jene nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG, weil gemäß § 9 Abs 1 Z 5 MRG auch auf die schutzwürdigen Interessen der anderen Mieter Bedacht zu nehmen ist und die rechtskräftige Entscheidung einer allfälligen, auf § 1096 ABGB gestützten Klage des beeinträchtigten Mieters gegen den Vermieter entgegenstünde (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 519; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 52 zu § 37 MRG; MietSlg.38.534/13).

Wird den übrigen Hauptmietern das ihnen gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG zukommende rechtliche Gehör entzogen, so hat dies - wie bereits wiederholt ausgesprochen wurde - die Nichtigkeit des erstgerichtlichen Sachbeschlusses und des darüber abgeführten Rechtsmittelverfahrens zur Folge, die - soweit nicht Teilrechtskraft eingetreten ist - auch amtswegig aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels aufzugreifen ist (MietSlg.39.523; siehe auch schon MietSlg.35.429/29, 35.430, 5 Ob 91/87, WoBl.1989/8, 5 Ob 100/88 ua). Nach der Entscheidung 5 Ob 70,71/89 kann es dahingestellt bleiben, ob es den übergangenen Parteien zu überlassen sei, diese Nichtigkeit geltend zu machen (vgl. dazu die Besprechung der Entscheidung WoBl.1989/8 von Würth), oder ob sie jedenfalls amtswegig aus Anlaß eines jeden zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmen sei, wenn die Nichtigkeit geheilt ist und nicht mehr aufgegriffen werden darf, weil alle übergangenen Hauptmieter ausdrücklich den Stand des Verfahrens genehmigt und erklärt haben, sich durch den Ausschluß von einem Vorbringen in erster Instanz nicht beschwert zu erachten. In der genannten Entscheidung wurde ausgeführt, die Notwendigkeit der Beteiligung aller Parteien entspreche der Wahrung ihrer Interessen, worüber sie selbst verfügen könnten, die nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung sei daher auch hier möglich; sie setze aber eine Erklärung aller übergangenen Parteien voraus.

Das Rekursgericht vertritt demgegenüber zusammengefaßt den Standpunkt, daß auch aus dem Untätigbleiben einer Partei, die an und für sich dem Verfahren beizuziehen gewesen wäre, unter der Voraussetzung, daß ihr der Sachbeschluß zugestellt wurde, geschlossen werden könne, daß sie ihre Interessen durch den Sachbeschluß, mit welchem über einen Antrag im Sinne des § 37 Abs 3 Z 2 MRG entschieden wurde, nicht beeinträchtigt erachte. Wolle die übergangene Partei nämlich geltend machen, daß sie noch zusätzliche Gesichtspunkte zu relevieren habe, so sei aufgrund eines von ihr erhobenen Rechtsmittels zur Wahrung des Parteiengehörs der angefochtene Sachbeschluß aufzuheben, womit der Partei die Möglichkeit eingeräumt werde, in dem zu ergänzenden Verfahren erster Instanz entsprechendes Sachvorbringen zu erstatten. Damit sei es der übergangenen Partei letztlich selbst in die Hand gegeben, ihre Interessen durch Erhebung eines Rechtsmittels wahrzunehmen, das sie (ungeachtet des Neuerungsverbotes) in die Lage versetze, eine ausreichende Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen in die Wege zu leiten.

Der Oberste Gerichtshof pflichtet diesen ausführlich und überzeugend begründeten Überlegungen bei. Die in der Nichtbeteiligung der übrigen Hauptmieter am erstinstanzlichen Verfahren gelegene Nichtigkeit wurde demnach dadurch geheilt, daß diese Hauptmieter den auch ihnen zugestellten erstgerichtlichen Sachbeschluß unangefochten ließen. Der Auftrag des Rekursgerichtes, den erstgerichtlichen Sachbeschluß auch den übrigen Hauptmietern zuzustellen, der als bloße verfahrensleitende Verfügung unanfechtbar ist (5 Ob 70,71/89), entspricht dem Grundsatz, daß zunächst eine Heilung der Nichtigkeit zu versuchen ist (vgl. die durchaus analogiefähige Bestimmung des § 6 Abs 2 ZPO und dazu Fasching, Kommentar IV 111 f Anm.19 vor § 477 ZPO).

In der Rechtsrüge führt der Revisionsrekurswerber lediglich aus, das Erstgericht habe entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht festgestellt, daß die beabsichtigten Arbeiten durch befugte Gewerbetreibende durchgeführt würden, weshalb es an einem für die Bewilligung des gegenständlichen Antrages wesentlichen Tatbestandsmerkmal fehle. Dem ist zu erwidern, daß das Erstgericht sehr wohl festgestellt hat, daß der Antragsteller vor hat, die von ihm beabsichtigten Veränderungen durch eine "Fachfirma", also durch einen befugten Gewerbetreibenden, durchführen zu lassen. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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