OGH 5Ob45/21k

OGH5Ob45/21k20.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Wiederherstellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2021, GZ 58 R 81/20i‑28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 31. August 2020, GZ 15 C 682/19a‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00045.21K.0420.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, auf der 12 Wohnungen und insgesamt 24 als Wohnungseigentumsobjekte ausgewiesene Stellplätze – zum Teil als Carports – errichtet sind. Zwischen Oktober 2018 und Jänner 2019 errichtete die Beklagte auf den in ihrem Wohnungseigentum stehenden zwei Kfz‑Stellplätzen einen diese überdachenden Carport.

[2] Der Kläger begehrte die Entfernung dieses Carports. Er habe der Änderung nicht zugestimmt. Die Beklagte wendete unter anderem ein, der Kläger habe sein Einverständnis mit der Maßnahme vorweg im Wohnungseigentumsvertrag erklärt.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts. Es ging wie dieses davon aus, dass auch Carports von der im Wohnungseigentumsvertrag enthaltenen Vorwegzustimmung erfasst seien, und ließ die Revision zu, weil der vorliegenden Rechtsfrage (Wirksamkeit und Umfang einer vorherigen Zustimmung zu zustimmungspflichtigen Maßnahmen im Wohnungseigentumsvertrag) im Hinblick auf die weiters errichteten Carports, hinsichtlich der der Kläger ebenfalls in keinem Fall seine Zustimmung erteilte, über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung zukomme.

[4] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig, was kurz zu begründen ist.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Allein der Umstand, dass eine Rechtsfrage in einer Mehrzahl von Fällen auftritt, bedeutet noch nicht ihre Erheblichkeit gemäß § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0042816). Aus dem Umstand, dass auf der Liegenschaft auch von anderen Mit- und Wohnungseigentümern Carports errichtet wurden, zu denen der Kläger ebenfalls seine Zustimmung (gemeint offensichtlich: außerhalb des Wohnungseigentumsvertrags) nicht erteilte, kann daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine erhebliche Rechtsfrage nicht abgeleitet werden.

[6] 2.1 Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig, also ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, Änderungen einschließlich Widmungsänderungen iSd § 16 Abs 2 WEG vornimmt, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg nach allgemeinen Grundsätzen petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB auf Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen vorgehen (RS0083156).

[7] 2.2 Der Streitrichter hat in einem solchen Fall die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen; die Genehmigungsfähigkeit selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (RS0083156 [T1; T2; T20]).

[8] 3.1 Nicht eigenmächtig handelt, wer die Zustimmung der Miteigentümer eingeholt hat. Dass eine solche Zustimmung auch schon vorweg im Wohnungseigentumsvertrag erteilt werden kann (vgl 5 Ob 246/18i; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 16 WEG Rz 14 mwN; vgl auch Markl in GeKo, Wohnrecht II § 16 WEG 2002 Rz 26) stellt der Revisionswerber zu Recht nicht in Frage. Die Auslegung des Umfangs einer Zustimmungserklärung eines Wohnungseigentümers zu beabsichtigten baulichen Maßnahmen hängt aber stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und berührt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0083047 [T1]; 5 Ob 30/17y). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft ganz allgemein nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Das gilt auch für die ergänzende Vertragsauslegung (RS0042936 [T41]; RS0044358 [T41]; 5 Ob 30/17y).

[9] 3.2 Gegen das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, dass die im Wohnungseigentumsvertrag ausdrücklich erteilte Zustimmung zur Errichtung von Garagen auch Carports erfasst, wendet sich der Revisionswerber nicht, wenn er – zusammengefasst – den Standpunkt vertritt, es gehe gar nicht um die Frage einer Vorweggenehmigung der von der Beklagten gesetzten Maßnahme, und die Prüfung, ob dadurch schutzwürdige Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer beeinträchtigt seien, vermisst. Damit verkennt er die wesentlichen Grundsätze der Bestimmung des § 16 Abs 2 WEG. Danach ist ein Wohnungseigentümer grundsätzlich berechtigt, an seinem Wohnungseigentumsobjekt Änderungen auf seine Kosten vorzunehmen. Bei Änderungen, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnten, hat er aber die Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder die Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2

WEG einzuholen (vgl RS0083132 [T7]). Die Möglichkeit, dass schutzwürdige Interessen beeinträchtigt sein könnten, ist Voraussetzung dafür, dass die Zustimmung der übrigen Teilhaber eingeholt werden muss. Liegt zur Änderung – wie hier nach dem vom Revisionswerber nicht in Zweifel gezogenen Auslegungsergebnis der Vorinstanzen – bereits die (im Wohnungseigentumsvertrag vorweggenommene) Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer zur Errichtung eines Carports vor, fehlt es schon an der für den Erfolg einer Klage nach § 523 ABGB erforderlichen Eigenmacht des änderungswilligen Eigentümers, was zu deren Abweisung führt, ohne dass es noch der vom Kläger vermissten Erörterungen bedürfte.

[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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