OGH 5Ob317/71

OGH5Ob317/7114.3.1972

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Greissinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Winkelmann, Dr. Sperl, Dr. Marold und Dr. Stix als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Suchomel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alfred S*****, vertreten durch Dr. Georg Schaukal, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.656.473,86 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 1971, GZ 3 R 148/71-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Mai 1971, GZ 23 Cg 19/70-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.791 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben Forderungen aus dem Vertrieb von Waren im Prozesswege gegeneinander geltend gemacht. Sie haben in diesem Zusammenhang am 25. 9. 1968 im Verfahren 18 Cg 14/68 des Handelsgerichts Wien einen Vergleich abgeschlossen, der eine aufgrund bestimmter Maßnahmen zu ermittelnde Zahlung des Beklagten vorsah.

Mit der am 19. 3. 1970 eingebrachten Klage begehrte der Kläger nun Zahlung von 1.656.473,86 S sA aufgrund der vom Beklagten in diesem Vergleich übernommenen Verpflichtungen.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren voll stattgegeben. Es stellte zunächst den Wortlaut des angeführten Vergleichs, bei dem umgekehrte Parteirollen gegeben waren, wie folgt fest:

„1.) Der Buchprüfer Dr. Paul L*****, im Falle seiner Verhinderung Dkfm. Dr. Franz W*****, wird aus den Geschäftsbüchern der Streitteile sowohl die Forderungen des Klägers gegen die beklagte Partei aus der vertragswidrigen Lieferung von im Lizenzvertrag vom 26. 6. 1960 genannten Produkten bis zum 16. 11. 1962, als auch die Forderung der beklagten Partei gegen den Kläger aus Warenlieferungen an diesen unter Berücksichtigung folgender Kriterien ermitteln:

a) Bei sämtlichen Abrechnungen ist eine 15%ige Bruttogewinnspanne im Sinne des Anhangs vom 22. 6. 1960 zu berücksichtigen.

b) Zugunsten der klagenden Partei sind für den Abrechnungszeitraum die vertragswidrige Auslieferung von Rohserum zu berücksichtigen.

c) Bei der Saldoerstellung ist für sämtliche gegenseitigen Forderungen die Verzinsung von 8 % ab Fälligkeit heranzuziehen.

d) Dem Kläger steht innerhalb von 14 Tagen, nach schriftlicher Bekanntgabe durch den Sachverständigen frei, entweder einen Abstrich von 20 % der Forderungen, der beklagten Partei gegen ihn, oder einen Abstrich von 25 % der reinen Forderungsgegenüberstellung zu verlangen. Der Kläger hat das Wahlrecht mittels eingeschriebenen Briefs an den Beklagtenvertreter binnen 14 Tagen auszuüben, widrigenfalls es auf die beklagte Partei übergeht.

e) Eine allfällige Zahlung oder Gutschrift durch die beklagte Partei außerhalb der durch diese vorgenommenen Abrechnung, soweit sie nicht durch Fehlbuchung oder Storno oder dergleichen verursacht wurde, ist bei der beiderseitigen Verrechnung bis zu einem Betrag von 100.000 S dem Kläger nicht anzurechnen.

2.) Der derart vom Buchprüfer ermittelte Betrag ist von der klagenden Partei in sechs gleichen aufeinanderfolgenden Monatsraten, beginnend 30 Tage nach Feststellung durch den Sachverständigen bei weiterlaufender 8%iger Verzinsung bei Terminverlust und Exekution zu bezahlen.

3.) Die Parteien verpflichten sich ausdrücklich, dem Sachverständigen vollen Einblick in alle Unterlagen und Geschäftsbücher zu gewähren und erklären, dass ihre Buchhaltungen richtig und vollständig sind.

4.) Die Prozesskosten werden gegenseitig aufgehoben. Beide Teile verpflichten sich zur Tragung der halben Kosten des Buchprüfers, die sie über Verlangen prompt bevorschussen werden.

5.) Bis Erfüllung dieses Vergleichs vereinbaren die Streitteile im Verfahren 23 Cg 175/66 (Handelsgericht Wien) einfaches und ab Erfüllung ewiges Ruhen des Verfahrens.

6.) Hiedurch sind sämtliche gegenseitigen, wie immer geartete Ansprüche zwischen den Streitteilen bereinigt.

7.) Dieser Vergleich wird nur rechtswirksam, wenn er von keinem der Streitteile bis 28. September 1968 mit Schriftsatz (Einlangen 28. September 1968) widerrufen wird.“

In dem im Punkte 1.) lit a) des Vergleichs angeführten Anhangs zum Lizenzvertrag vom 22. 6. 1960 finden sich Bestimmungen über die Einräumung einer jeweiligen Bruttogewinnspanne von 15 % und die Voraussetzungen ihrer Errechnung. Bei der Vergleichstagsatzung vom 25. 9. 1968, bei der der Geschäftsführer der nunmehrigen Klägerin, Dr. E*****, und der nunmehrige Beklagte anwesend waren, sei lange über den Vergleich verhandelt worden. Dabei habe, so stellt das Erstgericht weiters fest, hinsichtlich der Punkte 1.) Abs 1) und Punkt 1.) lit b) völlige Klarheit bestanden. Es sei der Verrechnungszeitraum für diese Lieferungen vom 22. 6. 1960 bis zum 16. 11 1962 nicht strittig gewesen. Die Parteien seien sich darüber einig geworden, dass ihr Vertragsverhältnis per 16. 11. 1962 beendet worden sei. Auch die Bruttogewinnspanne (Pkt. 1.) lit a)) sei volle Einigung erzielt worden. Von den Ausgangsfakturen des Beklagten sollte ein Betrag von 15 % der Bruttogewinnspanne in Abzug gebracht werden. Die restlichen 85 % sollten die klägerischen Forderungen darstellen. Die Verzinsung der gegenseitigen Forderungen sollte jeweils ab Fälligkeit erfolgen. Den Zeitpunkt der Fälligkeit, über den die Streitteile nicht sprachen, sollte der Sachverständige aus ihrer Buchhaltung feststellen. Er sollte auch Zahlungen der beklagten Partei im Sinne des Punktes 1.) lit e) durch Überprüfung feststellen und dementsprechend im Gutachten berücksichtigen. Der Sachverständige Dkfm. L***** habe die ihm zugekommene Aufgabe darin erblickt, den Saldo aus den gegenseitigen Forderungen der Streitteile zu ermitteln. Er habe bei verschiedenartigen Auffassungen der Parteien über die Art der Ermittlung zunächst versucht, ihre Standpunkte aufeinander abzustimmen. Wo dies nicht möglich gewesen sei, habe er sich selbst seine Meinung bilden müssen. Der Sachverständige habe seinen Bericht (20. 1. 1970 -/A) nach bestem Fachwissen und Gewissen verfasst. Er habe nach Vorbesprechungen mit den Parteien und ihren Vertretern und nach Aktenstudium die Untersuchungen an Hand der Bücher und Schriften beider Parteien durchgeführt und am 19. 11. 1969 mit den Beteiligten die offenen Fragen besprochen. Entsprechend der einvernehmlich erfolgten Klarstellung habe der Sachverständige die Abrechnung zwischen den Streitteilen ausschließlich für die Zeit vom 22. 6. 1960 bis 16. 11. 1962 vorgenommen. Nicht besprochen habe der Sachverständige die Einzelheiten einer 15%igen Bruttogewinnspanne im Sinne des Anhangs zum Lizenzvertrag vom 22. 6. 1960, weil bei ihm kein Zweifel bestanden habe, dass von allen Zahlungseingängen beim Beklagten aus Rechnungen und Ausfuhrvergütungen 15 % zu berechnen seien (Pkt 1.) lit a)). Am schwierigsten sei ihm die Bestimmung der Fälligkeit der gegenseitigen Forderungen nach Punkt 1.) lit b) (richtig - lit c)) des Vergleichs erschienen. Die Klägerin habe den Standpunkt vertreten, die Fälligkeit sei mit dem Zeitpunkt der Geldeingänge von den Kunden und der Gutschriften der Exportvergütungen anzunehmen. Der Beklagte habe dazu zunächst nicht Stellung genommen. Der Sachverständige habe den Parteien am 19. 11. 1969 vorgeschlagen, als Fälligkeiten für die Lieferungen der Klägerin an den Beklagten, sowie für die Lizenzen aus vertragswidrigen Lieferungen der Klägerin jeweils den 10. des Folgemonats für alle im Vormonat erfolgten Zahlungseingänge von Kunden und Gutschriften von Ausfuhrvergütungen anzunehmen. Damit sei der Klagevertreter einverstanden gewesen. Der Beklagte sei dem entgegen der Auffassung gewesen, erst mit Vorliegen des Sachverständigengutachtens sei die Fälligkeit gegeben, weil erst damit die Abrechnung zustandegekommen wäre. Der Sachverständige habe dies aber nicht akzeptiert, weil laut Punkt 2.) des Vergleichs der von ihm errechnete Betrag bei „weiterlaufender“ 8%iger Verzinsung zu bezahlen sei und diese Bestimmung seiner Ansicht nach sinnlos gewesen wäre, wenn vorher keine Verzinsung hätte erfolgen sollen. Die Zinsenberechnung habe der Beklagte aber unpräjudiziell seines Standpunktes anerkannt. Dem seitens der klagenden Partei im Vorverfahren 23 Cg 175/66 des Handelsgerichts Wien gestellten Begehren folgend, habe der Sachverständige mit jeder Verzinsung erst ab 17. 11. 1962 begonnen. Bei dem zum 22. 6. 1960 vom Sachverständigen ermittelten Schuldsaldo des Beklagten gegenüber der Klägerin, aus bis dahin erhaltenen Warenlieferungen, sei eine Verzinsung nicht berücksichtigt worden. Es seien vielmehr die ab 22. 6. 1960 erfolgten Zahlungen des Beklagten sowie die Gutschriften an ihn zunächst zur Abdeckung dieses Saldos verwendet worden. Als Fälligkeitstag für die Forderungen der Klägerin, aus Lieferungen an den Beklagten ab 22. 6. 1960, sei jeweils der 10. des Folgemonats für alle beim Beklagten in diesem Monat eingegangenen Zahlungen von Kunden und Gutschriften von Ausfuhrvergütungen angenommen worden, für die Zahlungen des Beklagten an die Klägerin dagegen die Valuta des Eingangs bei dieser. Für die Forderungen des Beklagten gegen die Klägerin aus Lizenzen von vertragswidrigen Auslieferungen seien im Lizenzvertrag vom 22. 6. 1960 keine Anhaltspunkte über die Fälligkeit gegeben. Diese Lizenzen seien daher nach Zahlungseingang der entsprechenden Fakturenbeträge innerhalb einer angemessenen Frist abzuführen gewesen, somit bei der Klägerin zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Die Verzinsung habe demnach ebenfalls ab dem 10. des Folgemonats zu erfolgen gehabt.

Punkt 1.) lit e) des Vergleichs habe keine Schwierigkeiten bereitet, weil nur wesentlich unter 100.000 S liegende Gutschriften erfolgt seien.

An Provisionszahlungen des Beklagten habe der Sachverständige eine im Betrage von 44.474,02 S ermittelt, die auch von der Klägerin anerkannt worden sei. Weitere Provisionen von insgesamt 653.000 S an v***** habe der Sachverständige aber nicht berücksichtigt, weil sie in den Büchern des Beklagten nicht verbucht gewesen seien. Eine diesbezügliche vorliegende Korrespondenz habe der Sachverständige nicht als Nachweis der Verkaufsprovisionen, sondern nur für eine Art Vergütung für den Aufbau eines Geschäfts mit dem Osten gewertet. Der Beklagte habe dem Sachverständigen zum Nachweis, der an v***** gezahlten Provisionen, noch drei Fotokopien der Vorderseite von Wechseln vorgelegt, auf welchen er aber als Bezogener aufscheine. Die Wechsel wiesen auch seine Unterschrift als Akzeptant auf, enthielten aber keine Unterschrift und Anschrift des Ausstellers, sowie keinen Vermerk über die Einlösung. Der Beklagte habe eine Privatentnahme vom 27. 11. 1961 über 160.000 S dem Sachverständigen gegenüber als Zahlung für die Einlösung eines der Wechsel angegeben. Die beiden anderen Wechsel seien nach seiner eigenen Angabe gegenüber dem Sachverständigen noch nicht eingelöst. Hinsichtlich der im Verrechnungszeitraum getätigten Lieferungen des Beklagten an Oststaaten in Höhe von 139.797,72 S liege kein Nachweis einer Vermittlungstätigkeit v*****s vor. Der Schuldsaldo des Beklagten bei der Klägerin von 485.660,49 S für die Zeit vor dem 22. 6. 1960 sei durch Zahlungen des Beklagten von September 1960 bis einschließlich Jänner 1961 gedeckt.

Die Forderung der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund von Warenlieferungen betrage nach den beim Beklagten für seine Lieferungen an Kunden im maßgebenden Verrechnungszeitraum erfolgten Zahlungseingängen und den Gutschriften für Ausfuhrvergütungen unter Berücksichtigung einer 15%igen Bruttogewinnspanne und der vom Beklagten an die Klägerin geleisteten Zahlungen 1.681.734,11 S zzgl 8 % Zinsen ab Fälligkeit, dh ab dem 10. des dem jeweiligen Zahlungseingang beim Beklagten folgenden Monats, beginnend ab 17. 11. 1962 bis zum 20. 1. 1970 (971.921,64 S). Der Gesamtforderung der klagenden Partei von sohin 2.653.655,75 S stehe eine Forderung des Beklagten aus vertragswidrigen Lieferungen der im Lizenzvertrag vom 22. 6. 1960 genannten Produkte von 282.586,65 S zzgl 8 % Zinsen ab Fälligkeit in Höhe von 162.437,29 S, insgesamt sohin 445.023,94 S gegenüber, sodass sich ein Saldo zugunsten der Klägerin von 2.208.631,81 S ergebe. Auf das Ersuchen des Klagevertreters vom 22. 1. 1970 habe der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 22. 2. 1970, vorbehaltlich seines Standpunkts, seitens der beklagten Partei sei der Vergleich vom 25. 9. 1968 zeitgerecht und wirksam widerrufen worden, im Sinne des Punktes 1.) lit d) den Abstrich von 25 % der reinen Forderungsgegenüberstellung begehrt (552.157,95 S).

Ein Widerruf des Vergleichs vom 25. 9. 1968 im Verfahren 18 Cg 14/68 des Handelsgerichts Wien ist seitens des Beklagten erst (mit Postaufgabe 27. 9. 1968) am 30. 9. 1968 beim Gericht eingelangt und wurde von diesem als verspätet zurückgewiesen. Das hat seine Bestätigung mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 6. 2. 1969, 2 Ob 18/69, gefunden.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht demzufolge, dass der Beklagte an diesen Vergleich gebunden und es ihm zudem auch verwehrt sei, die Frage der Rechtzeitigkeit seines Widerrufs neuerlich aufzurollen. Der Vergleich vom 25. 9. 1968 könne zwar keinen Exekutionstitel bilden, das hindere aber seine Ausführung nicht. Er habe sich auch nicht als undurchführbar erwiesen, weil etwa die Richtlinien, nach denen der Sachverständige seine Berechnungen anzustellen hatte, vollkommen unzureichend gewesen wären. Vorhandene Lücken des Vergleichs seien in seinem Sinne, und zwar keineswegs in einer dem Beklagten nachteiligen Weise ergänzt worden. Schon durch die im Punkt 1) lit d) des Vergleichs eingeräumte Möglichkeit eines Abstrichs von 20 % oder 25 % sollten offensichtlich alle den Beklagten aus der Durchführung der übrigen Punkte des Vergleichs allenfalls treffenden Nachteile abgegolten werden, sodass er sich schon aus diesem Grunde über die Durchführung des Vergleichs in der vorliegenden Form in keiner Weise beschwert erachten könne. Da der Vergleich vom 25. 9. 1968 ausführbar gewesen sei und der Sachverständige Dkfm. Paul L***** bei Erstellung seines Berichts diesem Vergleich entsprochen habe, gelangte das Erstgericht zu voller Klagsstattgebung.

Der Berufung des Beklagten, gegen dieses Urteil, war kein Erfolg beschieden.

Das Berufungsgericht billigte und übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen vollinhaltlich. Es konnte aber auch keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und einen daraus resultierenden Feststellungsmangel wahrnehmen. Zur Frage des Widerrufs des Vergleichs erachtete es auf der Grundlage des oberstgerichtlichen Beschlusses vom 6. 2. 1969, Onr. 140 im Verfahren 18 Cg 14/68 des Handelsgerichts Wien, im Hinblick darauf, dass von den Parteien im Vergleiche als letzter Tag der Widerrufsfrist ein Samstag genannt worden sei, grundsätzlich habe wohl gemäß dem § 903 letzter Absatz ABGB in Verbindung mit dem Bundesgesetz 1961/37 der nächstfolgende Werktag an die Stelle eines Samstags oder Sonntags zu treten, der als letzter Tag für die Abgabe der Erklärung bestimmt sei. Dies aber nur vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, die seitens der Parteien im vorliegenden Fall gegeben sei, da sie festgelegt hätten, dass die Widerrufserklärung bis 28. 9. 1968 (Samstag) eingelangt sein müsse. Demnach wäre es Sache des Beklagten gewesen, den Widerruf spätestens am 27. 9. 1968 bei Gericht zu überreichen. Mit dem Einlangen am 30. 9. 1968 sei der Widerruf verspätet, daher weder prozessual noch materiell-rechtlich wirksam gewesen.

Mit der Bestellung des Buchprüfers Dr. Paul L***** zur Feststellung und Ermittlung der Forderungen der nunmehrigen klagenden Partei gegen die nunmehrige beklagte Partei im Rahmen des Vergleichs vom 25. 9. 1968 liege ein Schiedsgutachtervertrag vor. Das diesbezügliche Schiedsgutachten sei nur dann für die Parteien bindend, wenn es den Grundsätzen des Vergleichs im Wesentlichen entspreche. Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Falle auch in den Belangen anzunehmen, in denen das Gutachten nicht der Auffassung der beklagten Partei folge. In der Frage der Fälligkeit und Verzinsung sei die Vorgangsweise des Sachverständigen durch die im Vergleiche (Pkt 2.) vorgesehene, nach Feststellung des vom Sachverständigen zu ermittelnden Betrags „weiterlaufende Verzinsung“ gedeckt. In der Provisionsfrage habe sich der Sachverständige im Rahmen der Grenzen des Vergleichs gehalten. Er habe die Forderungen aus den Geschäftsbüchern der Streitteile zu ermitteln gehabt, aus welchen Unterlagen aber die vom Beklagten behaupteten Provisionszahlungen an v***** nicht hervorgegangen seien. Auch bezüglich der Berücksichtigung der 15%igen Bruttogewinnspanne habe sich der Sachverständige durchaus innerhalb des Vergleichs bewegt, weil nach diesem (Pkt 1.) lit a)) eine solche Bruttogewinnspanne bei sämtlichen Abrechnungen zu berücksichtigen gewesen sei. Der wahre Grund für die Bestellung eines Schiedsmannes liege ja gerade darin, dass die Parteien Streit über Unwesentlichkeiten vermeiden wollten, indem sie eine ihr Vertrauen genießende Person damit betrauen, eine Tatsache oder die Höhe einer Leistung festzustellen. Das Gutachten brauche dann, um verbindlich zu sein, bloß im Wesentlichen dem Vergleiche entsprechen, mögen auch geringe und sicherlich nicht zu verhindernde Abweichungen gegeben sein. Im Hinblick auf den Gesamtkomplex des vorliegenden Falls sei nach diesen Grundsätzen die Verbindlichkeit der Feststellungen des Dkfm. L***** gegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Der Revisionsantrag geht dahin, das Urteil des Berufungsgerichts im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Stellung dieses ursprünglich unterbliebenen Revisionsantrags wurde dem Revisionswerber zufolge der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der diesbezüglichen Frist ermöglicht.

Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Rahmen der im Vordergrund der Revisionsausführungen stehenden Rechtsrüge (§ 503 Z 4 ZPO) vertritt der Revisionswerber weiterhin die Auffassung vom rechtzeitigen Widerruf des Vergleichs und der daraus abzuleitenden Unwirksamkeit seiner Bestimmungen. Nun hat aber der Oberste Gerichtshof in der angeführten Entscheidung abschließend zum Ausdruck gebracht, der Widerruf sei verspätet erklärt worden, wie auch der Revisionswerber selbst einräumen muss. Insoweit er in diesem Zusammenhange vermeint, mit dem Beschlusse des Obersten Gerichtshofs vom 6. 2. 1969 sei nur über den aufrechten Bestand des Vergleichs vom 25. 9. 1968 bindend abgesprochen worden, nicht aber auch darüber, ob dem Vergleich auch eine materiell-rechtliche Bindungswirkung innewohne, so ist dies zwar richtig, kann aber der Revision auch nicht zum Erfolge verhelfen, wie noch später darzustellen sein wird.

Da somit hinsichtlich des Widerrufs des Vergleichs bereits rechtskräftig entschieden worden ist, kann den in diesem Zusammenhange vorgebrachten weiteren Beschwerdepunkten der beklagten Partei nicht näher getreten werden. Dies ganz abgesehen davon, dass es sich dabei weitgehend ohnehin nur um eine unzulässige Wiederholung der diesbezüglich bereits in zweiter Instanz für unstichhältig befundenen Mängelrüge sowie eine unzulässige Aufrollung der Beweisfrage (Durchführung der Parteienvernehmung) handelt.

Den Revisionsausführungen kann aber auch im weiteren Belange der materiell-rechtlichen Verbindlichkeit, des auf der Grundlage des Vergleichs errechneten Aktivsaldos der klagenden Partei, kein Erfolg beschieden sein. Der Revisionswerber verweist selbst darauf, dass es Zweck des Vergleichs war, einen Buchprüfer die gegenseitigen Forderungen aus den Geschäftsbüchern ermitteln zu lassen, wobei diesem Vergleiche langwierige, noch nicht abgeschlossene Prozesse vorangegangen waren, die neben Beweisfragen auch eine Vielheit von Rechtsfragen aufgeworfen hätten. Die Untergerichte haben nun die diesem sachverständigen Buchprüfer übertragene Aufgabe zutreffend als die eines Schiedsgutachters beurteilt und die Erledigung der Aufgabe von diesen Gesichtspunkten her überprüft. Der Gutachter hatte durch die Ermittlung des Verrechnungsguthabens bei beiderseitigen Forderungen der Streitteile an der Bildung der materiellen Rechtslage mitzuwirken. In diesem Zusammenhang war es ohne Belang, dass er im Zuge der Ermittlung dieser Tatfragen auch Überlegungen anzustellen hatte, die nicht rein tatsächlicher Art waren, wie insbesondere die Art der Berechnung der festzustellenden Summe (SZ 39/75). Die Vergleichspartner haben ihm in den im Vergleiche festgehaltenen Kriterien für die Ermittlung der Forderung der nunmehrigen klagenden Partei die Grenzen abgesteckt, in denen er sich dabei zu bewegen hatte. Gerade im Hinblick auf die vom Revisionswerber selbst hervorgehobene Vielfalt der offenen Beweis- und Rechtsfragen in den Konflikten der Streitteile musste diesen bei Abschluss des Vergleichs klar sein, dass das dem Sachverständigen gegebene Programm Richtlinien in nur ganz grundsätzlicher und allgemeiner Art enthalten konnte, weil ja sonst der Zweck des Vergleichs, aus dem Gewirr unterschiedlicher Meinungen über den Forderungssaldo durch einen Schiedsgutachter ein einigermaßen klares Bild zu erhalten, das dann der Forderung der nunmehrigen klagenden Partei zugrundegelegt werden sollte, von vornherein nicht erreicht werden konnte. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Schiedsgutachten im Übrigen auch nur dann ungültig, wenn es der Billigkeit widerspricht. Offenbar unbillig ist es, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und seine Unrichtigkeit einem sachverständigen und unbefangenen Beurteiler sofort offenbart wird (vgl SZ 39/75; SZ 39/132). Schiedsgutachten sind dann aber bindend, wenn sie den Grundsätzen des Vergleichs im Wesentlichen entsprechen, wobei geringe Abweichungen eine Unwirksamkeit nicht bewirken können. Die Feststellungen der Untergerichte lassen nun erkennen, dass der Schiedsgutachter auch in jenen Belangen, wo die ihm vorgeschriebenen Richtlinien und Beurteilungskriterien keine ausdrückliche Regelung der von ihm einzuhaltenden Vorgangsweise enthalten haben, von dem aus dem Wortlaut des Vergleichs erkennbaren und indirekt abzuleitenden Maximen ausgegangen ist (Bruttogewinnspanne; Provisionen) und auch im Belange der Fälligkeit der gegenseitigen Forderungen, wo sich der Revisionswerber durch die Auffassung des Gutachters am meisten für beschwert erachtet, in einer für die beklagte Partei keineswegs unbilligen Weise zu seinen Gutachtensergebnissen gelangt ist. Den Untergerichten ist daher darin beizupflichten, dass der Schiedsgutachter die ihm nach dem gegenständlichen Vergleich übertragene Aufgabe unter Berücksichtigung der ihm dabei an die Hand gegebenen Richtlinien, der gegebenen Motivation für den Abschluss dieses Vergleichs und den daraus abzuleitenden Spielraum bei der Saldoermittlung auftragsgemäß erfüllt hat, wobei die ziffernmäßigen Ergebnisse seiner Tätigkeit unbekämpft geblieben sind. Dass die Parteien in unbestrittener Kenntnis der vorhandenen vielfältigen Probleme dem Schiedsgutachter im Rahmen der von ihnen ausdrücklich erklärten Kriterien weitgehend freie Hand bei der Tatsachenermittlung lassen wollten, ergibt sich ja schon aus den Bestimmungen des Vergleichs, wobei ihm eine Entscheidung über Rechtsfragen grundsätzlicher Art weder übertragen war, noch von ihm auch durchgeführt worden ist.

Insoweit der Berufungswerber noch im Detailproblem des Zinsenlaufs unter dem Gesichtspunkte der Mangelhaftigkeit des Verfahrens eine unvollständige Zitierung der Aussage des Verhandlungsrichters Dr. T***** rügt, betrifft dies Argumente der Untergerichte zur Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar ist.

Da sohin keiner der geltend gemachten Revisionsgründe vorliegt, muss der Revision ein Erfolg versagt werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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