OGH 2Ob18/69

OGH2Ob18/696.2.1969

SZ 42/26

Normen

ZPO §204
ZPO §204

 

Spruch:

Ruht der gerichtliche Dienst am letzten Tag der vereinbarten Widerrufsfrist eines bedingten Vergleiches, so muß der Widerruf schon am vorhergehenden Tag bei Gericht einlangen.

Entscheidung vom 6. Februar 1969, 2 Ob 18/69.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Streitteile haben einen vom Erstgericht protokollierten Vergleich geschlossen, dessen Punkt 7 lautet: "Dieser Vergleich wird nur rechtswirksam, wenn er von keinem der Streitteile bis 28. 9. 1968 mit Schriftsatz (Einlangen 28. 9. 1968) widerrufen wird." Der Kläger hat am 27. 9. 1968 einen Schriftsatz, der die Erklärung des Vergleichswiderrufes enthält, an das Erstgericht zur Post gegeben, die ihn aber erst am 30. 9. 1968 zugestellt hat. Der 28. 9. 1968 war ein Samstag.

Das Erstgericht wies den Widerruf des Vergleiches als verspätet zurück, weil es sich nicht um eine gesetzliche oder richterliche Frist handle, sondern um eine vereinbarte materiellrechtliche Frist, sodaß §§ 126 ZPO. und 89 GOG. nicht anwendbar seien. Unter Hinweis auf SZ. XXIX 31 und XXV 188 führte das Erstgericht ferner aus, der Kläger hätte den Schriftsatz bis spätestens Dienstschluß am Freitag, dem 27. September 1968, bei der Einlaufstelle des Erstgerichtes überreichen müssen. Er trage die Gefahr des Postenlaufes.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers statt und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Widerruf des gerichtlichen Vergleiches als rechtzeitig zur Kenntnis genommen werde. Es war der Ansicht, daß die an das Gericht abzugebende Widerrufserklärung eine Prozeßhandlung betreffe, durch die der Rechtsstreit beendet werden sollte. Es sei daher nicht das materielle, sondern das Verfahrensrecht anzuwenden. Für die Prüfung der Rechtzeitigkeit des Widerrufes komme nicht § 903 ABGB., sondern § 126 (2) ZPO. in Betracht. Dieser beziehe sich zwar nur auf gesetzliche und richterliche Fristen, die von den Parteien vereinbarte Widerrufserklärung sei aber eine Prozeßhandlung und als solche einer richterlichen Frist gleichzusetzen. Da das Ende der Frist für den Widerruf mit einem Samstag festgesetzt war, sei gemäß § 126 (2) ZPO. in Verbindung mit dem Bundesgesetz vom 1. Februar 1961, BGBl. Nr. 37, der letzte Tag der Frist der 30. September 1968 als nächstfolgender Werktag gewesen. An diesem Tag sei der Widerruf bei Gericht eingelangt. Er sei also rechtzeitig erfolgt. Mit dem Postenlauf habe dies nichts zu tun. Soweit der Vergleich auch materiellrechtliche Wirkungen äußere, sei der 3. Satz des § 903 ABGB. anzuwenden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte meint, es komme hier auf die Vereinbarungen der Parteien an. Diese laute eindeutig dahin, daß der Widerruf am 28. September 1968 beim Prozeßgericht einlangen müsse. Da dies nicht der Fall gewesen sei, handle es sich um einen verspäteten Widerruf. Auf den vorliegenden Fall seien nicht die §§ 126 ZPO., 89 GOG. anzuwenden, sondern § 903 3. Satz ABGB. Nach dieser Gesetzesstelle ende die Frist anstatt an einem Sonntag am nächstfolgenden Werktag, jedoch nur dann, wenn keine gegenteilige Vereinbarung getroffen sei. Die Parteien hätten aber eine gegenteilige Vereinbarung getroffen, nämlich, daß der Widerruf am 28. September 1968 bei Gericht eingelangt sein müsse. Entgegen dieser dem Parteiwillen entspringenden Vereinbarung habe, das Rekursgericht eine Änderung des Vergleichswortlautes vorgenommen.

Bei der Beurteilung ist davon auszugehen, daß die Parteien eine Frist für den Widerruf des bedingt abgeschlossenen Vergleiches vereinbart haben. Diese Widerrufungsfrist hat daher rechtsgeschäftlichen Charakter und erst der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens wäre eine Prozeßhandlung, die aber nur wirksam sein könnte, wenn der Vergleich wegen eines rechtzeitigen Widerrufes wirkungslos wäre. Der Widerruf des Vergleiches ist also eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die nur dann wirksam ist, wenn sie innerhalb der vereinbarten Frist bei Gericht eingelangt ist (SZ. XXIX 31, XXV 188). Da es sich nicht um eine prozessuale Frist handelt, kommt die Anwendung des § 126 ZPO. also nicht in Betracht. Es ist vielmehr § 903 letzter Satz ABGB. in Verbindung mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 37/1961 heranzuziehen. Nach diesen Bestimmungen tritt vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung der nächstfolgende Werktag an die Stelle eines Samstags oder Sonntags, der als letzter Tag für die Abgabe einer Erklärung bestimmt ist. Eine solche gegenteilige Vereinbarung haben die Parteien ausdrücklich getroffen, da sie festlegten, daß die Widerrufserklärung am 28. September 1968 bei Gericht eingelangt sein müsse. Da am Samstag, dem 28. September 1968, der gerichtliche Dienst ruhte, wäre es Sache des Klägers gewesen, den Widerruf spätestens am 27. September 1968 dem Gericht zu überreichen. Das Erstgericht hat somit den Widerruf richtig als verspätet behandelt.

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