OGH 1Ob71/66

OGH1Ob71/6621.4.1966

SZ 39/75

Normen

HGB §161
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 15
ZPO §577 (2)
HGB §161
4. Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch Art7 Nr. 15
ZPO §577 (2)

 

Spruch:

Ausmittlung des Auseinandersetzungsguthabens eines Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft durch einen Schiedsmann

Entscheidung vom 21. April 1966, 1 Ob 71/66

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Der Erstrichter verurteilte den Beklagten im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens zur Zahlung von 56.198.14 S samt Anhang an den Kläger. Der Beklagte habe auf Grund eines mit dem Kläger geschlossenen Vertrages vom 23. Mai 1962 die Leitung der Filiale X der Kommanditgesellschaft N. & Co. übernommen. Nach diesem Vertrag haben ihm für diese Tätigkeit 50% des Reingewinns der von ihm beschafften Aufträge an diese Filiale gebührt. Der Kläger sei aus der Gesellschaft ausgeschieden und habe gegen den Beklagten aus dem Titel der Auseinandersetzung eine Forderung von anfänglich 92.402.98 S geltend gemacht. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18. November 1964 sei es auf Anregung des Verhandlungsrichters zu einer Einigung zwischen den Parteien gekommen, durch die der für beide Parteien tätige Steuerberater Dipl.-Kfm. K. zum Schiedsmann mit dem Auftrag bestellt wurde, das Auseinandersetzungsguthaben zu errechnen.

Durch die Bestellung des Dipl.-Kfm. K. zum Schiedsmann mit dem Auftrag, das Auseinandersetzungsguthaben zu errechnen, haben die Parteien dem Schiedsmann die Festsetzung der Höhe des zu leistenden Betrages übertragen, ohne daß dem Gericht die Möglichkeit gegeben wäre, diese Berechnung zu überprüfen.

Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, ob Dipl.-Kfm. K. in Erfüllung des ihm erteilten Auftrages als Schiedsmann oder als Schiedsrichter gehandelt hat, fällt in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung. Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, unterscheidet sich die Tätigkeit eines Schiedsrichter von jener eines Schiedsmannes oder Schiedsgutachters dadurch, daß der Schiedsrichter nach Lösung von Tat- und Rechtsfragen einen Streit zu entscheiden hat, während der Schiedsmann bloß ein Gutachten abzugeben hat und auf diese Weise an der Bildung des materiellen Rechts mitwirkt. Dipl.-Kfm. K. hatte - nach den Feststellungen der Vorinstanzen - von den Parteien den Auftrag erhalten, die in der Zentrale und in der Filiale des eingangs angeführten Unternehmens erzielten Gewinne zu errechnen, um das Auseinandersetzungsguthaben bestimmen zu können. Es wurde ihm dadurch die Ermittlung von Tatsachen aufgetragen, sodaß seine Tätigkeit mit Recht als jene eines Schiedsmannes gewertet wurde. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, daß er im Zug der Ermittlung dieser Tatfragen Überlegungen anstellen mußte, die nicht rein tatsächlicher Art waren, wie z. B. die Überlegung über die Art der Berechnung der festzustellenden Summe. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, es dürfe die Entscheidung darüber nicht dem Schiedsmann überlassen werden, wie er die zu ermittelnde Summe errechne. Diese Ansicht ist unrichtig; es kann - wie es im vorliegenden Fall geschehen ist - dem Schiedsmann die Berechnungsart ebenso überlassen werden, wie in der Regel einem Sachverständigen nicht vorgeschrieben wird, auf welche Weise er einen zu bestimmenden Betrag zu berechnen hat; ihm kann aber auch ein bestimmter Rechnungsgang aufgetragen werden. Nur in dem Fall, daß von den Parteien eine bestimmte Berechnungsart vereinbart wurde, ist der Schiedsmann daran gebunden. Eine derartige Bindung an eine bestimmte Berechnungsart ist aber nach den vom Berufungsgericht als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichters nicht erfolgt. Es ist daher auszuschließen, daß die Ermittlungsart der Auseinandersetzungssumme durch Dipl.-Kfm. K. der Parteienvereinbarung zuwiderlief.

Die beklagte Partei meint, der Erstrichter hätte prüfen müssen, ob der Schiedsmann tatsächlich den Gewinn der Filiale X errechnet habe. Dem Erstgericht kann zwar darin nicht gefolgt werden, daß das Gutachten des Schiedsmannes vom Gericht nicht überprüft werden kann. Ein Schiedsgutachten ist vielmehr dann nicht gültig, wenn es der Billigkeit widerstreite. Offenbar unbillig ist es, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt, seine Unrichtigkeit einem sachverständigen und unbefangenen Beurteiler sofort offenbar wird (DREvBl. 1943 Nr. 90). Daß diese Voraussetzung bei dem von Dipl.-Kfm. K. erstellten Gutachten vorliegt, wurde vom Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet. Die Vorinstanzen haben sich daher mit Recht nicht auf die Prüfung der Frage eingelassen, ob die Berechnung des Dipl.-Kfm. K. tatsächlich richtig ist. Eine willkürliche Berechnungsart des Schiedsmannes hätte eingewendet werden müssen. Die Einwendungen der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz beschränkten sich jedoch auf die Behauptung, es sei vereinbart worden, daß Dipl.-Kfm. K. an Hand der einzelnen Fakturen und des dort festgehaltenen Material- und Arbeitseinsatzes den auf die Filiale X entfallenden Gewinn zu berechnen habe. Für diese Behauptung hat aber der Beklagte den Beweis nicht erbracht.

Welche Stellung der Beklagte zu früheren Abrechnungen des Dipl.-Kfm. K. oder des Klägers genommen hat, ist rechtlich unerheblich. Entscheidend ist allein die zwischen den Parteien in der Tagsatzung vom 18. November 1964 getroffene Vereinbarung, weil durch sie der Anspruch des Klägers auf einen neuen Rechtsgrund gestellt wurde.

Die Vorinstanzen haben daher den festgestellten Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt.

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