Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 25 Abs 1 KAKuG (und dem insoweit gleichlautenden § 12 Abs 3 des [Vorarlberger‑]Gesetzes über das Leichen‑ und Bestattungswesen, LGBl Nr 58/1969 idgF), sind Leichen der in öffentlichen Krankenanstalten verstorbenen Pfleglinge zu obduzieren, wenn die Obduktion sanitätspolizeilich oder strafprozessual angeordnet worden oder zur Wahrung anderer öffentlicher oder wissenschaftlicher Interessen, insbesondere wegen diagnostischer Unklarheit des Falls oder wegen eines vorgenommenen operativen Eingriffs, erforderlich ist. Ansonsten darf, wenn der Verstorbene nicht schon zu Lebzeiten der Obduktion zugestimmt hat, diese nur mit Zustimmung der nächsten Angehörigen erfolgen (§ 25 Abs 2 KAKuG).
2.1 Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob nach § 25 KAKuG schon allein die diagnostische Unklarheit des Falls zur Obduktion verpflichtet oder damit ein darüber hinausgehendes wissenschaftliches Interesse verbunden sein muss.
2.2 Nach dem klaren Wortlaut des § 25 Abs 1 KAKuG (und des § 12 Abs 3 Vorarlberger Landesgesetz über das Leichen‑ und Bestattungswesen) ist die diagnostische Unklarheit des Falls ein Beispiel für das erforderliche öffentliche oder wissenschaftliche Interesse und nicht bloß ein Beurteilungskriterium für dessen Vorliegen. Dieses Verständnis entspricht auch dem Zweck der Norm. Der Ausschussbericht zu § 25 Abs 1 KAKuG verweist ausdrücklich darauf, dass die Entwicklung der modernen Medizin nur dadurch möglich gewesen sei, dass in den Krankenanstalten an den dort Verstorbenen Leichenöffnungen vorgenommen wurden. Der praktische Wert der Obduktion ergebe sich dabei schon daraus, dass für den behandelnden Arzt die Möglichkeit zur Überprüfung der von ihm gestellten Diagnose und der von ihm angewandten Therapie gegeben ist (AB 164 BlgNR 8. GP 10). Gesetzgeberisches Ziel ist also die Ermöglichung eines Erkenntnisgewinns, ohne dass (ex ante) die Absicht und Möglichkeit bestehen muss, die im jeweiligen Einzelfall gewonnenen Daten und Erkenntnisse auch im engeren Sinn wissenschaftlich zu verwerten.
2.3 Die von der Revisionswerberin relevierte Rechtsfrage lässt sich somit unmittelbar aufgrund des Gesetzes und seiner Materialien zweifelsfrei lösen. Wenn das Gesetz aber selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt (RIS‑Justiz RS0042656).
3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war die Diagnose des Prune-Belly-Syndroms ‑ vor und nach der Geburt des Kindes der Klägerin ‑ zwar naheliegend und stark zu vermuten. Eine („finale absolut sichere“) Bestätigung dieser Diagnose, insbesondere zur Abgrenzung von anderen Symptomen, konnte aber nur durch eine Obduktion erfolgen. Die Symptome dieser Erkrankung sind nämlich verwechselbar mit einer anderen Erkrankung, der posterioren Urethralklappensequenz. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht die diagnostische Unklarheit im Sinne des § 25 KAKuG zweifellos zutreffend bejaht. Der diesbezüglich festgestellte Sachverhalt wäre auch unter Zugrundelegung der von der Revisionswerberin geforderten Differenzierung zwischen „Unklarheit“ und „(Rest‑)Unsicherheit“ jedenfalls unter den Begriff Unklarheit zu subsumieren. Die von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Interpretationsfragen stellen sich im konkreten Fall daher nicht. Theoretische Fragen der Abgrenzung des Begriffs der Unklarheit sind aber nicht zu klären. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0111271).
4. Nach Auffassung der Revisionswerberin stellt § 25 Abs 1 KAKuG einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Religionsfreiheit nach Art 9 EMRK dar. Die Klägerin sei praktizierende Muslimin und der Körper ihres verstorbenen Kindes habe für die rituelle Waschung unversehrt zu sein. Die Beseitigung diagnostischer Unklarheiten und die dafür notwendige Obduktion liegt angesichts seiner Bedeutung für die Entwicklung der Medizin und der Qualitätssicherung ärztlichen Handelns im Interesse der Gesundheit (vgl AB 164 BlgNR 8. GP 10) und verfolgt damit ein allfällige Beschränkungen der Religionsausübung rechtfertigendes Ziel im Sinne des Art 9 Abs 2 EMRK. Der Oberste Gerichtshof sieht daher keine Veranlassung, der Anregung der Revisionswerberin auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof (und eines Vorabentscheidungsverfahrens
vor dem Europäischen Gerichtshof) zu folgen. Wenn der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers nicht teilt, liegt auch keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0116943).
5.1 Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Ersatz des Schockschadens, der ihrer Behauptung nach durch den Anblick des obduzierten Leichnams ausgelöst wurde, auch auf die Verletzung nebenvertraglicher Schutz‑ und Sorgfaltspflichten in der besonderen Form der Aufklärungspflichten.
5.2 Wann nach der Übung des redlichen Verkehrs eine Aufklärungspflicht des Vertragspartners besteht, ergibt sich jeweils aus den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0111165). Auch der Umfang der Aufklärungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS‑Justiz RS0111165 [T3]; RS0026529). Einer von konkreten Umständen des Einzelfalls abhängigen Entscheidung kommt grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.
5.3 Die Revisionswerberin zeigt auch keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte die Klägerin darüber informiert, dass und warum eine Obduktion ihres Kindes durchgeführt wird (vgl Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 531 Rz 60; Schwamberger, Obduktion in Krankenanstalten,RdM 1998, 77). Nach Auffassung der Klägerin hätte sie aber zudem auch über das Ausmaß der damit verbundenen Eingriffe und vor allem über den Umstand aufgeklärt werden müssen, dass dabei auch Organe entnommen werden. Schon das Berufungsgericht weist aber zutreffend daraufhin, dass die Rechtsprechung zur auch den Behandlungsverlauf umfassenden ärztlichen Aufklärungspflicht auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden kann. Grundlage für eine Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers wegen deren Verletzung der Aufklärungspflicht ist hier nicht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch eine Behandlungsmaßnahme rechtswidrig eingegriffen wird, wenn die Einwilligung dazu nicht auf einer entsprechenden Aufklärung basiert (vgl RIS‑Justiz RS0118355). Grundlage und Voraussetzung einer Aufklärungspflicht als Ausdrucksform der nebenvertraglichen Schutz‑ und Sorgfaltspflichten ist, dass die Aufklärung typischerweise geeignet ist, einen absehbaren Schaden zu verhindern oder ‑ anders gewendet ‑ deren Unterlassung typischerweise zu einem Schaden führt. Der Verlauf einer Obduktion, das Ausmaß der Leichenöffnung und insbesondere der Umstand, dass bei Säuglingen Organe vom Leichnam entfernt werden, mag zwar nicht parates Allgemeinwissen sein. Es besteht aber gemeinhin eine Vorstellung davon, die auch sehr weitgehende Maßnahmen nicht als unvorhersehbar oder besonders überraschend erscheinen lässt. Das Unterlassen einer ‑ für den Angehörigen auch belastenden ‑ detaillierten Aufklärung darüber ist daher im Rahmen einer typisierten Betrachtung nicht im hohen Maß geeignet, bei den nahen Angehörigen eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert auszulösen. Wobei im Rahmen dieser Betrachtung vom (offenbar weit weniger schockierenden) Zustand des Kindes zum Zeitpunkt der Ausfolgung an die Klägerin und nicht von jenem zum Zeitpunkt der Beerdigung auszugehen ist. Die Bejahung einer als Schutzpflicht verstandenen Aufklärungspflicht setzt aber eine solche typische Eignung voraus. Auch vor dem gegebenen besonderen religiösen Hintergrund stellt die Auffassung des Berufungsgerichts daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung dar.
6. Die außerordentliche Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
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