OGH 5Ob25/22w

OGH5Ob25/22w3.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der EZ * KG *, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger, Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, wegen 16.253,72 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse 2.508,17 EUR) gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2021, GZ 1 R 187/21y‑15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 17. August 2021, GZ 5 C 128/21s‑8, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00025.22W.0303.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrte von der Beklagten 16.253,72 EUR sA an rückständigen „Aufwendungen für die Liegenschaft“. Dieser Betrag setzt sich aus laufenden Vorschreibungen für die Zeit von Mai 2020 bis Mai 2021 und einem Rückstand von 2.508,17 EUR aus der Abrechnung für das Jahr 2020 zusammen.

[2] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es die Klageforderung als zu Recht bestehend erkannte, die Gegenforderung für nicht aufrechenbar erklärte und die Beklagte zur Zahlung der Klageforderung verhielt(teilweise) Folge. Es verpflichtete die Beklagte mit Teilurteil zur Zahlung von 13.745,55 EUR sA, hob das Ersturteil im Übrigen, also hinsichtlich eines Betrags von 2.508,17 EUR, auf und verwies die Sache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Einer Aufrechnung allfälliger Ansprüche der Beklagten aus der „Pflege und Reinigung der Liegenschaft“ gegen die mit der Klage geltend gemachten Akontozahlungen zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten der Liegenschaft stehe der dem Wohnungseigentumsvertrag immanente Aufrechnungsverzicht entgegen. Ein solcher Verzicht erfasse aber nicht auch die Nachforderungen aus der Bewirtschaftungskostenabrechnung für das Jahr 2020 in der Höhe von 2.508,17 EUR, sodass insoweit eine Gegenforderung erhoben werden könne. Vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der von der Beklagten erhobenen Gegenforderung bedürfe es jedoch zunächst einer Konkretisierung, zu der das Erstgericht die Beklagte aufzufordern haben werde. Der Rekurs sei zulässig, weil– soweit ersichtlich – höchstgerichtliche Judikatur fehle, wonach Rückstände aus Wohnkostenabrechnungen vom (schlüssigen) Aufrechnungsverzicht der Wohnungseigentümer explizit nicht umfasst seien, und das Argument der Liquiditätssicherung zur laufenden Bewirtschaftung auch bei Abrechnungsschulden von Wohnungseigentümern zum Tragen kommen könnte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der von der Beklagten beantwortete Rekurs der klagenden Eigentümergemeinschaft ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO):

[4] 1. Nach § 32 Abs 1 WEG sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Darunter sind alle liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Auslagen zu verstehen, die der Eigentümergemeinschaft bei der Bewirtschaftung der Liegenschaft erwachsen (vgl RS0069987 [T22]). Der Verwalter hat für ausreichende Vorauszahlungen auf die Bewirtschaftungskosten, somit die Festsetzung, Vorschreibung und das Inkasso der Beiträge Sorge zu tragen (RS0083581 [T7]).

[5] 2.1 Die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen binden die Miteigentümer, solange keine gegenteilige Weisung der Mehrheit der Wohnungseigentümer vorliegt. Der Grund für diese Bindung liegt darin, die Finanzierung der gesamten Wohnungseigentumsanlage zu gewährleisten und im Interesse aller Wohnungseigentümer Liquiditätsengpässe bei der Bestreitung der Liegenschaftsaufwendungen zu vermeiden (5 Ob 144/15k mwN). Der Notwendigkeit, die Liquidität der Eigentümergemeinschaft zur laufenden Bewirtschaftung zu sichern, trägt die ständige Rechtsprechung dadurch Rechnung, dass sie die Aufrechnung gegen Bewirtschaftungskostenvorschreibungen in der Regel nicht zulässt. Aus dem Zweck des Wohnungseigentumsvertrags wird ein schlüssiger Verzicht der Wohnungseigentümer auf eine Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen gegen Akontovorschreibungen abgeleitet (RS0109647). Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 20 WEG Rz 35 mwN; EMHausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 32 WEG Rz 62).

[6] 2.2 Die Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers, die ihm vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten, besteht unabhängig davon, ob der Verwalter seiner Rechnungslegungspflicht nachgekommen ist oder nicht. Fällige Akontozahlungen (§ 32 Abs 9 WEG) können auch dann noch eingehoben werden, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind oder Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist (RS0083521; RS0112884).

[7] 3. Streitgegenstand im Verfahren dritter Instanz ist – wie auch die klagende Eigentümergemeinschaft betont – nicht eine rückständige Akontozahlung, sondern der Rückstand der Beklagten aus der Abrechnung für das Jahr 2020, die – so die Klägerin – unangefochten geblieben ist. Bewirtschaftungskostenrückstände, die sich aus einer Bewirtschaftungskostenabrechnung eines Jahres ergeben, werden dann fällig, wenn sie durch eine ordnungsgemäße Rechnung nachgewiesen werden (5 Ob 213/00k). Ein solcher Rückstand betrifft eine (rechnerisch) abgeschlossene Periode und dient nicht mehr der Sicherung der laufenden Bewirtschaftung einer Wohnungseigentumsanlage. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits ausdrücklich ausgesprochen, dass dem Wohnungseigentümer das Recht zusteht, mit eigenen Forderungen gegen den Aufwandersatz für bereits abgerechnete Hausbewirtschaftungskosten aufzurechnen (5 Ob 308/01g = RS0109647 [T6]; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 20 WEG Rz 35 und § 32 WEG Rz 16). Zu der vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung aufgeworfenen Frage besteht daher bereits Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Sie steht im Einklang mit dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, dass der (schlüssige) Verzicht im Wohnungseigentumsvertrag, mit eigenen Ansprüchen aufzurechnen, (nur) die Akontovorschreibungen zur Abdeckung der in § 32 Abs 1 WEG genannten Ausgaben erfasst. Davon abzugehen bieten die Ausführungen der klagenden Eigentümergemeinschaft keinen Anlass.

[8] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

[9] 5. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt (RS0123222 [T2; T4]). Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen, weswegen ihre Rekursbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente. Sie hat die darauf entfallenden Kosten daher selbst zu tragen.

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