European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00245.21X.0303.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die von den Streitteilen am 19. 10. 1973 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 9. 8. 1994 zu AZ 9 C 88/94f einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Beklagten zu einem monatlichen Unterhalt von 6.000 ATS sowie zu einer Ausgleichszahlung von 1 Mio ATS, während die Beklagte auf die Geltendmachung von Aufteilungsansprüchen verzichtete. Die Unterhaltsvereinbarung wurde aber nur getroffen, um der Beklagten im Fall des Ablebens des Klägers einen Pensionsanspruch zu sichern, weshalb die Beklagte bereits am 16. 8. 1994 eine Erklärung unterfertigte, mit der sie auf den im Vergleich vereinbarten Unterhalt verzichtete.
[2] Der Kläger hatte die meiste Zeit in Deutschland gearbeitet und deshalb bei der Deutschen Rentenversicherung eine Rentenanspruch erworben. Anlässlich ihrer Pensionierung informierte sich die Beklagte über allfällige eigene Rentenansprüche und beantragte daraufhin beim Amtsgericht Schöneberg einen „Versorgungsausgleich“, woraufhin ihr das Gericht mit Beschluss vom 22. 1. 2019 einen Teil des Anrechts des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung übertrug. Eine dagegen erhobene Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.
[3] Dies hatte zur Folge, dass sich der Rentenanspruch des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung von 2.306,43 EUR auf 1.918,09 EUR brutto reduzierte und die Beklagte zusätzlich zu ihrer österreichischen Alterspension eine Rente von 444,40 EUR erhielt. Dass in Deutschland ein „Versorgungsausgleich“ stattfinden kann, war den Streitteilen zuvor nicht bekannt gewesen.
[4] Der Kläger begehrt mit seiner Klage 6.991,02 EUR sA an entgangenen Rentenzahlungen und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Nachteile des Klägers aus dem Versorgungsausgleich. Die Beklagte hätte keinen Antrag auf Versorgungsausgleich stellen dürfen, weil sie auf Unterhalt verzichtet habe. Nunmehr beanspruche sie aber einen Teil seines Einkommens für sich.
[5] Die Beklagte wendete ein, sie habe aufgrund der Rechtslage in Deutschland einen Rechtsanspruch auf den Versorgungsausgleich gehabt. Im Scheidungsverfahren habe sie lediglich auf Unterhaltsansprüche, nicht aber auf ihre Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich verzichtet.
[6] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Scheidungsfolgenvereinbarung und dem nachfolgenden Unterhaltsverzicht kein Verzicht auf den Versorgungsausgleich entnommen werden könne und eine gegenteilige Parteiabsicht nicht feststellbar gewesen sei.
[7] Das B erufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.
[9] 1. Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, wirft im Regelfall keine Rechtsfrage auf, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0107199). Etwas anderes würde nur gelten, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0112106). Das trifft hier aber nicht zu.
[10] 2. Das deutsche Versorgungsausgleichsgesetz sieht für den Fall der Scheidung vor, dass das Familiengericht die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und Ansprüche aus einer Rentenversicherung aufteilt, sodass jeder Ehepartner die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Anrechte erhält. Das österreichische Recht kennt kein vergleichbares Rechtsinstitut, schützt die finanziellen Interessen des geschiedenen Ehepartners aber auf andere Weise, nämlich indem es das Renteneinkommen bei der Bemessung des Unterhalts berücksichtigt und – im Fall des Ablebens des Unterhaltspflichtigen – auch dem geschiedenen Ehepartner einen Anspruch auf Witwen‑ bzw Witwerpension gewährt (9 Ob 70/04s; Jayme, Versorgungsausgleich und Internationales Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-österreichischen Scheidungsfälle, ZfRV 1980, 175 [176]).
[11] 3. Auch wenn der Versorgungsausgleich ebenso wie der Unterhalt der finanziellen Absicherung des geschiedenen Ehepartners dient, handelt es sich doch um verschiedene Ansprüche. So ist der Unterhalt dadurch gekennzeichnet, dass es sich um einen Anspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen handelt, während der Versorgungsausgleich einen selbständigen Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehepartners gegenüber der Rentenversicherung begründet.
[12] 4. Dementsprechend ist auch die Rechtsansicht des Klägers, dass die Beklagte an seinem Pensionseinkommen „partizipiere“ und er daher de-facto Unterhalt bezahle, unrichtig. Da die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Anrechte nach § 1 Abs 2 Versorgungsausgleichsgesetz dem ausgleichsberechtigten Ehepartner zusteht, handelt es sich gerade nicht um das Einkommen des Klägers. Der Oberste Gerichtshof hat es deshalb abgelehnt, die auf einem im Ausland durchgeführten Versorgungsausgleich beruhenden Rentenansprüche als Unterhaltszahlung zu qualifizieren, sondern sie statt dessen bei der Bemessung des Unterhalts als „Eigeneinkommen“ des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt (5 Ob 113/17d).
[13] 5. Da Rentenansprüche aus einem Versorgungsausgleich keine Unterhaltsansprüche sind, ist die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach der im vorliegenden Fall vereinbarte Unterhaltsverzicht der Beklagten nicht das Recht genommen hat, bei einem deutschen Gericht einen Versorgungsausgleich zu beantragen, nicht korrekturbedürftig. Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass auch der Verzicht auf Aufteilungsansprüche, wie er im Scheidungsvergleich vereinbart wurde, dem Antrag auf Versorgungsausgleich nicht entgegensteht, weil Versorgungsanwartschaften nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine ehelichen Ersparnisse sind, die der Aufteilung unterliegen würden (6 Ob 22/98y; 1 Ob 53/02d; 6 Ob 85/02x).
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