European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00222.23T.0130.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf „Verlassenschaft nach der am * verstorbenen M*, zuletzt wohnhaft *, vertreten durch den erbantrittserklärenden Erben I*, ebenda“ berichtigt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.127,40 EUR (darin 187,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Zu I.:
[1] Nach der mit der Revisionsbeantwortung vorgelegten Amtsbestätigung des Gerichtskommissärs ist die Beklagte am * verstorben. Ihr Witwer hat die unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben und ist berechtigt, die Verlassenschaft im Sinn des § 810 ABGB zu vertreten, zu verwalten und zu benutzen. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO war die Bezeichnung der Beklagten daher zu berichtigen wie im Spruch. Dies ist auch im Revisionsverfahren zulässig (RIS‑Justiz RS0039685 [T1]).
Zu II.:
[2] Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft und Wohnungseigentümer von Objekten, denen jeweils ein Gartenanteil zugeordnet ist. Die Gärten grenzen aneinander. Die Klägerin hat im Jahr 2012 zur Abgrenzung der Gärten mit Zustimmung der Verstorbenen eine etwa 20 cm dicke Betonmauer errichtet. Zu einem kleinen Teil befindet sich diese Mauer auch im Bereich des der Beklagten zugeordneten Gartenteils.
[3] Gegenstand des Revisionsverfahrens sind eine von der Verstorbenen im Jahr 2016 aus optischen Gründen veranlasste Verkleidung eines Teils dieser Betonmauer mit Porphyr‑Polygonalplatten und das Anbohren des vorderen Teils der Mauer ebenso auf ihrer Seite im Ausmaß dreier 3–4 cm tiefer Löcher, um eine Schlauchrolle für einen Gartenschlauch zu befestigen.
[4] Das Erstgerichtwies die Klagebegehren auf Entfernung der Schrauben an der Steinmauer, Austausch der durch Bohrlöcher beschädigten Steine, Entfernung der Steinplatten an der Sockelmauer und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands aus dem Jahr 2012 ebenso ab wie ein entsprechendes Unterlassungsbegehren.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Auszugehen sei davon, dass die Gartenbereiche im Zubehörwohnungseigentum der Parteien stehen. Zubehörobjekte müssten von benachbarten Liegenschaftsteilen – etwa durch die errichtete Mauer – deutlich abgegrenzt sein. Diese stehe im Miteigentum sämtlicher Wohnungseigentümer. Das Einschlagen von Nägeln und Bohren von Löchern zur Montage von Schrauben sei ebenso vom ausschließlichen Nutzungsrecht des Wohnungseigentümers umfasst wie die Verkleidung der Mauer.
[6] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 5.000 EUR übersteigend. Die Revision ließ es mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich noch nicht mit der Frage befasst, ob die im Rechtssatz RS0011729 aufgestellten Grundsätze auch für im Miteigentum aller Wohnungseigentümer stehende Grenzmauern zwischen Eigengärten von Wohnungseigentümern gelten.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, in der sie die Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie kann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 1 ZPO).
[9] 1. Dass einem Minderheitseigentümer (somit auch dem Wohnungseigentümer) die Negatorienklage nach § 523 ABGB nicht nur gegen einen Dritten, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum zusteht (RS0012137; RS0012112), haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt. Das Erstgericht ging allerdings von schikanöser Rechtsausübung der Klägerin aus; das Berufungsgericht bestätigte diese Auffassung nur hinsichtlich des Begehrens auf Entfernung der Verkleidung der Mauer. Die Zulassungsbegründung bezieht sich nur auf die Frage der Schikane.
[10] 2. Nach dem Rechtssatz RS0011729 liegt keine Schikane vor, wenn der Grundeigentümer, auf dessen Grund eine Begrenzungsmauer an die Grenzlinie angebaut ist, die Entfernung der zur Befestigung eines Zauns in die Begrenzungsmauer eingetriebenen Schrauben verlangt; ihm ist nämlich ein triftiges Interesse daran zuzubilligen, dass sein Grundstück mit keiner Last nach § 487 ABGB belastet ist und künftig einer Vermutung nach § 857 ABGB vorgebeugt wird. Auf die Frage, ob diese Grundsätze auch auf „Grenzmauern“ zwischen im Zubehörwohnungseigentum stehende Gärten anzuwenden sein könnten, kommt es aber aus – im folgenden angeführten – Gründen nicht an. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO würde aber voraussetzen, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (RS0088931), was hier nicht der Fall ist.
[11] 3. Nach Sailer/Painsi in KBB7 § 857 ABGB Rz 1 mwN stellt § 857 ABGB als Gegenstück zu der in § 854 ABGB aufgestellten Miteigentumsvermutung die Rechtsvermutung des Alleineigentums für jene Fälle auf, in denen der Verlauf oder die Gestaltung der Grenzeinrichtung auf solches hinweist. Unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 90/98s gehen sie davon aus, die Regel, dass von jemandem auf seinem eigenen Grund errichtete Scheidewände in seinem alleinigen Eigentum stehen, lasse sich auf Wohnungseigentumsobjekte übertragen. Diese Entscheidung betraf die Nutzungsbefugnis hinsichtlich einer nichttragenden Innenwand, die keine gemeinschaftlich genutzten Versorgungsleitungen enthielt. Deren Veränderung wurde dort als gar nicht genehmigungsbedürftig angesehen, sodass sich das Problem eigenmächtigen Handelns vor Einholung der dem Außerstreitrichter vorbehaltenen Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit einer die Interessen anderer beeinträchtigenden Änderung gar nicht stellte.
[12] 4. Ob diese Ausführungen auf eine zur Abtrennung von – auch nach den Revisionsausführungen als Zubehör gewidmeten – Hausgärten errichtete Gartenmauer überhaupt anzuwenden wären, kann dahinstehen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verläuft in der strittigen Mauer nämlich eine (Haupt‑)Wasserleitung. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt grundlegend von der Entscheidung 5 Ob 90/98s. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die zwischen den Eigengärten errichtete Mauer sei hier allgemeiner Teil was eine ausschließliche Nutzungsbefugnis ausschließt (vgl RS0082890; RS0117164), ist daher nicht korrekturbedürftig.
[13] 5. Die vom Berufungsgericht verneinte Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen an dieser Mauer, die nur die dem Gartenanteil der Beklagten zugewandte Mauerseite betrafen und deren Substanz nicht verletzten, spricht die Revision nicht an. Eine Änderung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG kann nach der Judikatur des Fachsenats für bagatellhafte Umgestaltungen verneint werden (RS0109247). Das Einschlagen von Nägeln und das Anbohren von Wänden innerhalb eines Wohnungseigentumsobjekts wurde bereits als nicht genehmigungsbedürftig beurteilt (5 Ob 50/02t [zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 13 Abs 2 WEG 1975]). Ergänzend erwähnt sei, dass nach der Judikatur des Fachsenats (RS0013205; 5 Ob 84/18s) einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, auch die alleinige rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zusteht, wobei das alleinige Nutzungsrecht in gewissem Umfang auch das Recht zur physischen Veränderung umfasst. § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, stünde dem nur dann entgegen, wenn durch Substanzveränderungen in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden. Dass dies weder beim Bohren dreier Löcher noch bei der bloßen Verkleidung der dem Hausgarten der Beklagten zugewandten Mauerseite der Fall ist, ist keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[14] 6. Damit ist die Revision zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
[15] 7. Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat die Klägerin der Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der diese auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
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