European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00219.20X.0114.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin begehrte die Einverleibung der Reallasten der Bauher‑ und Baufertigstellung sowie der Betriebspflicht zu ihren Gunsten ob einer im Eigentum einer GmbH stehenden Liegenschaft aufgrund einer als „Projektsicherungsvertrag (Verwendungsvereinbarung)“ bezeichneten Urkunde.
[2] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs im Hinblick auf bereits vorhandene Rechtsprechung zur Vertragsraumordnung nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1.1. Lehre und Rechtsprechung definieren die Reallast als die dinglich wirkende Belastung eines Grundstücks mit der Haftung für positive, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümers (5 Ob 198/12x; 5 Ob 231/17g; 5 Ob 62/20h je mwN; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 12 Rz 32; Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 4.95). Die Rechtsprechung schließt die Begründung neuer Reallasten zwar nicht aus, fordert aber eine Bezugnahme auf historische Vorbilder. Handelt es sich um Leistungen, die weder periodisch zu erbringen sind noch mit dem Ertrag der Liegenschaft in Zusammenhang stehen, ist eine Reallast nur dann anzunehmen, wenn ihr Versorgungszweck außer Zweifel steht (RIS‑Justiz RS0128561; RS0012178 [T6]; jüngst 5 Ob 62/20h). Aus dem Fehlen von Vorschriften über die Beschaffenheit jener Leistungen, die den Inhalt einer Reallast bilden können, ist nicht abzuleiten, dass Beschränkungen jedweden Inhalts als Reallast begründet werden könnten (RS0116184 [T4]); der im Sachenrecht herrschende Typenzwang gebietet vielmehr eine enge Auslegung. Dass die Verpflichtung ein „wichtiges wirtschaftliches Bedürfnis“ des Berechtigten betrifft (so LG St. Pölten R 733/94 = NZ 1995, 116), reicht dafür nicht aus (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 12 Rz 31; Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang], § 530 Rz 5). Eine gesetzlich nicht vorgesehene Verdinglichung eines obligatorischen Rechtsverhältnisses ist grundsätzlich nicht möglich (RS0009728 [T1, T2]).
[6] 1.2. Das Schrifttum befürwortet die Auffassung, auch eine Verpflichtung zu einer einmaligen Leistung könne eine Reallast sein (Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 4.97; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 12 Rz 34; Bittner in Klang3 § 530 ABGB Rz 4; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 530 Rz 9). Soll eine einmalige Leistung Gegenstand einer Reallastverpflichtung sein, ist aber eine verstärkte Bezugnahme zu den typischen historischen Vorbildern vorauszusetzen (Rassi, Grundbuchsrecht3 Rz 4.97). Die – vereinzelt gebliebene – Entscheidung 1 Ob 941/25 (SZ 7/371) sprach aus, dass eine im Vertrag übernommene Demolierungsverpflichtung in Bezug auf ein Gebäude als Reallast zugunsten der Gemeinde einverleibt werden könne. Die Entscheidung 6 Ob 259/64 (EvBl 1965/214) bezog sich nur auf die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts nach § 49 Abs 2 Z 3 JN und nahm inhaltlich nicht dazu Stellung, ob die Verpflichtung zur Herstellung eines Wohnhauses tatsächlich als Reallast einverleibt werden könnte. Zu 3 Ob 63/05v führte der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit einer Verpflichtung, ein Grundstück in bestimmter Art und Weise abzuzäunen, aus, eine solche Verpflichtung weise nicht die wesentliche Charakteristik einer Reallast auf. In der jüngst ergangenen Entscheidung 5 Ob 62/20h (= immolex 2020/93 [zust Jenewein]) billigte der erkennende Senat, dass die Verpflichtung der Grundeigentümerin zur Errichtung und Erhaltung von Fahrradabstellplätzen, Einrichtung und Erhaltung einer Spielfläche, zur Anlegung und Erhaltung einer Hecke sowie zur Bepflanzung und Erhaltung der Anpflanzung mit Strauchwerk und heimischen Bäumen nicht als Reallast einverleibt werden kann. Ein erhoffter Nutzen für die Gemeindebevölkerung (Allgemeinheit) zeigt sich als bloße Reflexwirkung, der der Charakter einer Versorgungsleistung fehlt. Das Bedürfnis der Gemeinde nach dauerhafter Sicherung der von ihr mit Mitteln der Vertragsraumordnung verfolgten Ziele kann die für das Vorliegen einer Reallast geforderten Kriterien nicht ersetzen.
[7] 1.3. Auch zur Frage, ob eine bestimmte Art der Nutzung als Reallast verbüchert werden kann, liegt gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Schon SZ 5/62 (RS0023899) sprach aus, dass die Verpflichtung zur immerwährenden Stilllegung einer Fabrik nicht als Reallast einverleibt werden kann. Zu 5 Ob 198/12x (EvBl 2014/65 [zust Jelinek]) sprach der Fachsenat aus, dass eine Vereinbarung zwischen Grundeigentümer und Gemeinde, die zur Nutzung eines Grundstücks als Hauptwohnsitz oder zu touristischen Zwecken verpflichtet, keine positive Leistungspflicht begründet, sondern auf eine Untersagung einer mit den Zielsetzungen der örtlichen Raumplanung nicht zu vereinbarenden Nutzung als Zweitwohnsitz abzielt. Damit ist keine für die Reallast geforderte positive Leistung des Grundeigentümers verbunden (vgl RS0128562). Die auch dort vereinbarte Errichtungspflicht reichte nicht aus, um eine Wertung als Reallast rechtfertigen zu können. Diese Auffassung wurde zu 5 Ob 66/17t (= EvBl 2018/2 [zust Jelinek]) bekräftigt. Die dort – überdies nicht ausreichend deutlich – vereinbarte Verpflichtung zur Erhaltung der zu errichtenden Gebäude konnte daran nichts ändern. Im Anschluss daran wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, die Vertragsraumordnung sei keine Reallast (Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang], § 530 Rz 7a).
[8] 2.1. Die Entscheidung des Rekursgerichts orientiert sich an diesen Grundsätzen der Rechtsprechung, auch wenn die dem Einverleibungsgesuch zugrundeliegenden Vertragsbestimmungen im Detail von zuvor beurteilten Vertragsklauseln etwas abweichen. Die wesentlichen Bestimmungen des Projektsicherungsvertrags hat das Rekursgericht – wörtlich – wiedergegeben, sodass von einer Aktenwidrigkeit keine Rede sein kann. Davon abgesehen ist für die Beurteilung ohnedies der gesamte aktenkundige Inhalt des Projektsicherungsvertrags als Grundlage heranzuziehen. Ob der Gesamtinhalt des vorgelegten Projektsicherungsvertrags rechtfertigt, unter Bezugnahme auf historische Vorbilder von der Vereinbarung einer Reallast auszugehen, ist rechtliche Beurteilung.
[9] 2.2. Die einzelfallbezogene und daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfende (vgl RS0042936) Auslegung des dem Einverleibungsbegehren zugrundeliegenden Vertrags durch das Rekursgericht begegnet keinen Bedenken. Warum der Titel „Projektsicherungsvertrag“ (wobei im Klammerausdruck darunter auch der Begriff „Verwendungsvereinbarung“ aufscheint) daran etwas ändern sollte, erschließt sich dem erkennenden Senat nicht. Die Punkte I. und II. („Gutsbestand und Absicht der Grundstückseigentümerin“ sowie „Raumplanungsziele der Gemeinde“) lassen nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts deutlich erkennen, dass es den Vertragsparteien im Wesentlichen um die Errichtung eines gastgewerblichen Betriebs für Beherbergungszwecke ging und dieser Betrieb sichergestellt sowie die Schaffung zusätzlicher Ferienwohnungen verhindert werden sollte. Dem entspricht die in den Punkten III.1. und 2. von der Eigentümerin übernommene Verpflichtung, die Räumlichkeiten keinesfalls als Ferienwohnungen zu benützen und eine derartige Nutzung auch ihren Rechtsnachfolgern zu untersagen. Die in den Punkten II.6. und III.4. vereinbarte Verpflichtung zur Bauher‑ und Baufertigstellung als gegenüber der Unterlassung einer flächenwidmungswidrigen Nutzung untergeordnet anzusehen, entspricht der in den Entscheidungen des Fachsenats 5 Ob 198/12x und 5 Ob 66/17t vertretenen Auffassung. Die Verpflichtung zur Betreibung eines Beherbergungsbetriebs (samt der in Punkt III.8c. sowie IV.1. vereinbarten Verpflegungsdienstleistungen) kann nach der zitierten Rechtsprechung nicht als Reallast verbüchert werden. Die Auffassung, ein Versorgungszweck in Bezug auf die Allgemeinheit (die Gemeindebevölkerung) sei hier ebenso wenig zu erkennen wie in der übernommenen Verpflichtung zur Bauher‑ und Baufertigstellung, ist nicht korrekturbedürftig. Die Grundsätze der Entscheidung 5 Ob 62/20h zum fehlenden Zusammenhang zwischen allfälligen Erträgen aus der Liegenschaft und den mit der Vereinbarung begründeten Pflichten der Liegenschaftseigentümerin gegenüber der antragstellenden Gemeinde auch hier anzuwenden, begegnet daher keinen Bedenken im Einzelfall.
[10] 3. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)