OGH 5Ob218/05b

OGH5Ob218/05b21.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Dr. Alfred D*****, 2.) Mag. Klara D***** , beide vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die Antragsgegnerin D***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwaltspartnerschaft in St. Pölten, wegen § 8 Abs 2 und Abs 3 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 5 MRG, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss und Sachbeschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 10. Juni 2005, GZ 7 R 53/05g-126, womit der Beschluss und Sachbeschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 7. Jänner 2005, GZ 9 MSch 9/98a-120, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben und teilweise abgeändert und der Rekurs der Antragsteller teilweise zurückgewiesen wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird, soweit er sich gegen die Aufhebung der Zurückweisung eines Begehrens von EUR 39.286,93 s.A. richtet, nicht Folge gegeben.

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsteller wird Pkt D/5 des erstinstanzlichen Sachbeschlusses als nichtig aufgehoben.

Beide Revisionsrekurse werden im Übrigen zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes besteht zum einen aus zwei Beschlüssen, zum anderen Teil aus einem Sachbeschluss, mit dem meritorisch über miteinander verbundene Begehren der Antragsteller und der Antragsgegnerin entschieden wurde.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zum Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Beschlüsse des Rekursgerichtes wendet:

a) Zunächst wurde aus Anlass des Rekurses der Antragsteller die Zurückweisung des Spruchpunktes A/1 des Erstgerichtes ersatzlos aufgehoben (Punkt II erster Satz).

In diesem Punkt hatte das Erstgericht ein im Verfahren 9 MSch 9/98a angeblich (noch) enthaltenes Zahlungsbegehren von EUR 39.286,93 zurückgewiesen.

Im dagegen von den Antragstellern erhobene Revisionsrekurs wird geltend gemacht, dass das Rekursgericht die unzutreffende Zurückweisung des diesbezüglichen Begehrens nicht hätte ersatzlos beseitigen dürfen, sondern in der Sache selbst über das Begehren auf weiteren Ersatz gemäß § 8 Abs 3 MRG über EUR 39.286,93 s.A. zu entscheiden gehabt hätte. Dementsprechend werde ein (weiterer) Zuspruch in dieser Höhe begehrt.

Es treffe zu, dass die Antragsteller im Verfahren vor der Schlichtungsstelle das Begehren auf Zahlung dieser EUR 39.286,93 primär auf einen anderen Rechtsgrund gestützt hätten und dass das Begehren aus diesem Rechtstitel zurückgewiesen worden sei, doch sei das entsprechende Zahlungsbegehren aushilfsweise auch auf den Rechtsgrund des § 8 Abs 3 MRG gestützt worden. Es hätte daher darüber meritorisch entschieden werden müssen.

Die Antragsgegnerin beantragte dazu, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist in diesem Punkt nicht berechtigt.

Mit der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung des erkennenden Senates 5 Ob 170/01d vom 18. 12. 2001 wurde jener Teil des verfahrenseinleitenden Antrags der Antragsteller zu 9 MSch 9/98a, der sich auf Zahlung von EUR 39.286,93 s.A. richtete, zurückgewiesen. Dazu wurde ausgeführt, dass vom insgesamt begehrten Betrag von S 736.000,-- nur S 195.400,- -, also exakt die EUR 14.200,27, deren Zuspruch die Antragstellerin im Verfahren 9 MSch 9/98a erwirkte, als Teilbetrag für Entschädigung gemäß § 8 Abs 3 MRG begehrt wurde. Der darüber hinausgehende Betrag, nämlich jener Betrag von EUR 39.286,93, dessen Zuspruch die Antragsteller nunmehr anstreben, wurde aus dem Rechtsgrund der Bevorschussung für Arbeiten, die die Antragsteller selbst durchzuführen beabsichtigten, begehrt. Dafür war der außerstreitige Rechtsweg nicht zulässig. Eine Überweisung ins streitige Verfahren kam nicht in Betracht, weil die Antragsteller darauf beharrten, dieses Begehren unter § 8 Abs 3 MRG zu subsumieren.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das Begehren, dessen Zuspruch die Antragsteller nun anstreben, nicht mehr verfahrensgegenständlich ist. Im Ergebnis zutreffend hat das Rekursgericht daher die vom Erstgericht vorgenommene Zurückweisung ersatzlos beseitigt.

b) Zum Revisionsrekurs der Antragsteller gegen die Zurückweisung ihres Rechtsmittels gegen D/5 des erstinstanzlichen Sachbeschlusses:

Mit dem in Frage stehenden Teil des erstinstanzlichen Sachbeschlusses wurde einer den Antragstellern auferlegte Duldungsverpflichtung hinsichtlich in ihrer Wohnung vorzunehmender Sanierungsarbeiten die Bedingung angefügt, dass die Arbeiten nur dann durchgeführt werden dürften, wenn den Antragstellern eine angemessene Ersatzwohnung zur Verfügung gestellt werde. Im Spruch wurden auch die Mindestanforderungen an eine solche Ersatzwohnung bezeichnet.

Das Rekursgericht hat den dagegen erhobenen Rekurs mangels Beschwer zurückgewiesen. Den Antragstellern stünde überhaupt kein Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Ersatzwohnung seitens der Antragsgegner zu, weshalb sie weder durch die Tatsache, dass der Duldungsverpflichtung eine solche Bedingung beigefügt wurde noch durch die Beschreibung des „angemessenen Ersatzobjektes" einen Nachteil erleiden könnten.

In ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs machen die Antragsteller vor allem geltend, dass die Beschreibung und Beurteilung der Angemessenheit der Ersatzwohnung unzutreffend sei. Ihr Rechtsmittelantrag geht dahin, auszusprechen, dass die Ersatzwohnung andere Eigenschaften aufzuweisen habe. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rechtsmittel der Antragsteller nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, führt aber im Ergebnis lediglich zur Beseitigung des fraglichen Teiles des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Ein Antrag auf Genehmigung von Eingriffen in ein Mietrecht nach § 8 Abs 2 MRG ist nämlich ein vollständig der Dispositionsmaxime unterliegender Sachantrag und keine Regelungsstreitigkeit. Das Gericht ist daher an den Antrag gebunden (MietSlg 5 Ob 109/90 = 43.302/9; 5 Ob 65/01x = wobl 2001/173). Vom verfahrenseinleitenden Antrag der Antragsgegnerin auf Duldung der Sanierungsarbeiten war ein entsprechendes Begehren bzw die Bereitschaft - die Duldung von der Beistellung einer Ersatzwohnung abhängig zu machen - nicht umfasst, weshalb nicht nur ein Verstoß gegen § 36 Abs 4 AußStrG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen der §§ 39, 40 MRG fehlen.

Das hatte zur Beseitigung des angefochtenen Teiles des erstinstanzlichen Sachbeschlusses zu führen.

2.) Zu den Revisionsrekursen beider Parteien gegen den zweitinstanzlichen Sachbeschluss:

Zwar hat das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärt, weil zur Frage, nach welchen Kriterien erlittenes Ungemach im Sinn des § 8 Abs 3 MRG zu ermitteln ist, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Entgegen diesem Ausspruch - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist - sind jedoch für die Entscheidung der gegenständlichen Sache erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu klären.

Das ist wie folgt zu begründen:

Zunächst kann die behauptete Aktenwidrigkeit nicht vorliegen, wenn das Gericht zweiter Instanz Feststellungen des Erstgerichtes übernommen hat (RIS-Justiz RS0043240).

Entgegen der Bezeichnung im Revisionsrekurs wird eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens von den Antragstellern nicht geltend gemacht.

Die von der Antragsgegnerin gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die im Rekursverfahren als Nichtigkeit geltend gemacht wurde und darin gelegen sein soll, dass der verfahrenseinleitende Antrag zu 9 MSch 10.016/02b keine anspruchsbegründenden Tatsachenbehauptungen enthalten habe, wurde vom Rekursgericht bereits abschließend behandelt (vgl RIS-Justiz RS0030748). Dem ist noch hinzuzufügen, dass bei mehreren Anträgen nach § 8 Abs 3 MRG auf Entschädigung von Mietrechtsbeeinträchtigungen für unterschiedliche Zeiträume an das Bestimmtheitsbegehren eines folgenden Antrages dann keine besonderen Anforderungen mehr zu stellen sind, wenn er sich erkennbar auf Sachverhalte bezieht, die schon in anderen Verfahren zum Gegenstand gemacht wurden.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes bietet der vorliegende Sachverhalt keinen Anlass für grundsätzliche richtungsweisende Ausführungen zur Art der Bemessung erlittenen Ungemachs im Sinn des § 8 Abs 3 MRG, die im Fall eines zumindest grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur größtmöglichen Schonung der Mietrechtes dem Mieter zu leisten ist.

Während schon nach der Urfassung des § 8 Abs 3 MRG dem beeinträchtigten Mieter, der nach § 8 Abs 2 MRG Arbeiten zu dulden hatte, als Fall der Eingriffshaftung ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf volle Genugtuung für Vermögensschäden zustand (MietSlg 47.206; WoBl 2000, 230/116; WoBl 1999/122; WoBl 1993/112 ua), wurde durch das 3. WÄG vom Gesetzgeber bei grob fahrlässiger Verletzung des Schonungsprinzips zusätzlich ein Ersatz ideeller Schäden ausdrücklich angeordnet, der allerdings dem Umfang nach mit seiner „Angemessenheit" begrenzt ist (5 Ob 58/94 = SZ 67/155 = WoBl 1995/75).

Der vorliegende Fall ist nun dadurch gekennzeichnet, dass die Mieter einer im obersten Stock eines mehrere hundert Jahre alten Hauses eine Generalsanierung des Hauses samt Auswechslung der Fenster, eine Erneuerung der Decke ihrer Wohnung, einen Abbruch des Daches samt Aufstockung und dadurch eine wesentliche Beeinträchtigung ihres Mietrechtes durch Jahre hindurch hinzunehmen hatten. Im Wesentlichen geht es nicht um vermögensrechtliche Nachteile der Mieter, sondern um Beeinträchtigungen durch Staub, Kälte, Baulärm, Nässe etc. Bei Bauvorhaben wie dem von der Antragsgegnerin durchgeführten, insbesondere bei Auswechslung der Decke, Neuerrichtung einer Dachkonstruktion und Aufstockung eines Hauses, sind für die Bewohner des Hauses nachteilige Beeinträchtigungen dieser Art auch ohne Verletzung des Schonungsprinzips unausweichlich, wie das Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens auch feststellte. Es kommt also maßgeblich darauf an, in welchem Umfang die Antragsgegnerin bzw die ihr zuzurechnenden Unternehmer grob fahrlässig die Verpflichtung zu einer möglichen Schonung der Antragsteller verletzt haben. Das war nach den erstgerichtlichen Feststellungen insoweit der Fall, als die Bauarbeiten überdurchschnittlich verzögert wurden. Die Verzögerungen sind allerdings nur teilweise der Antragsgegnerin als Vorwurf anzulasten, weil gleichzeitig mit der Durchführung der Arbeiten am Haus vor dem Haus (von einem anderen Auftraggeber veranlasst) eine Tiefgarage errichtet wurde, was eine Aufstellung von Baukränen und die Zufahrt von Baufahrzeugen hinderte. Neben dieser, der Antragsgegnerin teilweise anzulastenden Verzögerung hat sie noch zu verantworten, dass durch unsachgemäße Weisungen während der Wintermonate die Wohnung der Antragsteller erschwert beheizbar war und in einem anderen Zeitraum wegen unsachgemäßer Vorgangsweise kein ausreichender, aber möglicher Schutz der Wohnung der Antragsteller vor Wassereintritten gewährleistet wurde. Ein Auszug der Antragsteller aus der Wohnung erfolgte nur während eines kurzen Zeitraumes.

Bei diesem Sachverhalt lässt sich eine exakte Zuordnung konkreter Beeinträchtigungen zu konkret grob fahrlässigen Verstößen der Antragsgegnerin gegen ihre Verpflichtung zur möglichen Schonung des Mietrechtes nicht vornehmen, weshalb hier ohnedies nur eine grobe Schätzung einer angemessenen Entschädigung für erlittenes Ungemach in Betracht kommt.

Während das Erstgericht bei seiner Bemessung ausgehend von den getroffenen Feststellungen diesen Umständen Rechnung zu tragen suchte, erweisen sich die Rechtsmittel der Streitteile in dieser Hinsicht als nicht zielführend.

Die Antragsteller streben eine Bemessung nach „Ungemachs-Perioden" vergleichbar den zu Schmerzengeldansprüchen entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen an, ohne allerdings zu differenzieren, worin der grob fahrlässige Verstoß der Antragsgegnerin jeweils gelegen sein soll. Ihre Ansicht, sie seien nach allen Tagen, in denen Beeinträchtigungen stattgefunden hätten, zu entschädigen, geht an den als maßgeblich erkannten Rechtsfragen vorbei. Letztlich trägt auch ihr Argument nicht, die Antragsgegnerin treffe ein grobes Verschulden schon deshalb, weil sie den Antragstellern kein geeignetes Ersatzquartier zur Verfügung gestellt habe, hätten die Antragsteller doch auch selbst tätig werden und der Antragsgegnerin die Kosten dafür anrechnen können.

Die Ausführungen im Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wiederum lassen eine Orientierung an den erstgerichtlichen Feststellungen vermissen, wonach ihnen zumindest zeitweilig und teilweise auch bei konkreten Vorgangsweisen grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Ihr Argument, die Antragsteller hätten die Beeinträchtigungen selbst vermeiden können, wenn sie eine Ersatzwohnung gemietet hätten und die Kosten dafür beansprucht hätten, geht ebenfalls an den hier zu beurteilenden Fragen vorbei.

Soweit die Antragsgegnerin in ihren Revisionsrekursausführungen die Angemessenheit der Höhe eines Entschädigungsanspruches von ca EUR 14.000,-- für 23 Monate, in denen laufend erhebliche Störungen - auch durch grob fahrlässiges Vorgehen der Beklagten verursacht - stattgefunden haben, bestreitet, ist das schon angesichts des Umstandes, dass in diesen Zeitraum zwei Winter mit erheblicher, von der Antragsgegnerin zu vertretender Heizinsuffienz fallen und dazu noch massive, ebenfalls von der Antragsgegnerin zu vertretende Wassereinbrüche im Sommer 1997, nicht nachvollziehbar. Gleiches trifft auf ihre Kritik an der pauschalen Abgeltung in Höhe von EUR 7.000,-- für den Zeitraum 23. 4. 1999 bis 31. 12. 1999 zu. In diesem Betrag sind überdies Kosten einer Ersatzwohnung von EUR 400,-- monatlich bis Juli 1999 enthalten; spätere Zeiträume sind ohnehin nicht erfasst.

Zusammengefasst vermögen beide Rechtsmittel keine stichhaltigen Argumente dafür zu liefern, weshalb der den Antragstellern letztlich insgesamt zuerkannte Entschädigungsbetrag von ca EUR 21.000,-- nach Angemessenheitsgrundsätzen nicht zu rechtfertigen wäre.

Die hier maßgebliche Vorschrift des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG bindet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Voraussetzung, dass die Entscheidung über das Rechtsmittel von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes anhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

Wenn wie hier erhebliche Beeinträchtigungen jeweils nur zum Teil und auch nur zeitweise Berücksichtigung finden können, steht bei der Angemessenheitsprüfung die Besonderheit des Einzelfalls derart im Vordergrund, dass für die Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung richtungsweisende Aussagen nicht getroffen werden können.

Spruchgemäß waren daher die Revisionsrekurse zurückzuweisen.

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