OGH 5Ob58/94

OGH5Ob58/9423.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Manfred Trentinaglia und Dr.Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die Antragsgegnerin B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Karl G.Aschaber, Dr.Andreas König und Dr.Andreas Ermacora, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Entschädigung nach § 8 Abs 3 MRG (ursprünglicher Streitwert S 574.302,-, Reststreitwert S 229.667 s. A.), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 17.März 1994, GZ 2a R 121/93-76, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 17.12.1992, Msch 48/88-69, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben und der Sachbeschluß des Erstgerichtes, der hinsichtlich der Abweisung von S 344.635 s.A. bereits in Rechtskraft erwachsen ist, im übrigen dahingehend abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:

"Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen S 114.833,50 samt 9 % Zinsen seit 1.11.1988 zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 459.468,50 samt 9 % Zinsen seit 1.11.1988 wird abgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit S 6.971,20 bestimmten anteiligen Sachverständigengebühren zu ersetzen".

Das das Rechtsmittelverfahren betreffende Kostenersatzbegehren der Antragstellerin wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist seit 1.12.1984 Mieterin eines Geschäftslokals im Haus V***** 9 in K*****, in dem sie ein Nachtlokal betreibt. Das Mietverhältnis ist noch mit der seinerzeitigen Alleineigentümerin des Hauses zustande gekommen und umfaßt neben den eigentlichen Geschäftsräumlichkeiten im ersten Stock noch folgende Teile des Hauses (Punkt I des Vertrages vom 1.12.1984, Beilage J).

"Hausflur und Stiegenabgang für Ver- und Entsorgung (wird auch von anderen Hausbewohnern benützt); Passage: ist gleichzeitig Zugang zu ebenerdigem Verkaufslokal, derzeit Optik M*****, und Zugang zum Kellerlokal; sowie Aufgang über Wendeltreppe."

Im Herbst 1987 mietete die Antragsgegnerin im selben Haus Räumlichkeiten im ersten Kellergeschloß, im Parterre und im ersten Obergeschoß, um dort einen Filialbetrieb einzurichten. Die Adaptierung der Räumlichkeiten erforderte langwierige Umbauarbeiten, die sich auch auf allgemeine Teile des Hauses bezogen.

Die Antragstellerin behauptet nun, durch diese Umbauarbeiten sei in ihre Mietrechte eingegriffen worden. Sie habe vor allem dadurch, daß die zu ihrem Lokal führende Passage durch die Ablagerung von Zementsäcken, Schalbrettern und Paletten, aber auch durch das Aufstellen von Baumaschinen und wegen des Liegenlassens von Bauschutt kaum noch begehbar gewesen sei, in den Monaten November und Dezember 1987 sowie April bis Juli 1988 einen Verdienstausfall von S 574.302 erlitt, den sie samt 10 % Zinsen seit 1.11.1988 (nach Maßgabe der Zinsenbelastung für den ständig in dieser Höhe aushaftenden Bankkredit) gemäß § 8 Abs 3 MRG von der Antragsgegnerin ersetzt verlangt.

Die Antragsgegnerin bestritt zwar nicht, von Oktober 1987 bis August 1988 Bauarbeiten im verfahrensgegenständlichen Haus durchgeführt zu haben, doch hätten diese Baumaßnahmen hauptsächlich das Innere der von ihr gemieteten Räumlichkeiten betroffen. Bauarbeiten an der Außenseite des Hauses seien im wesentlichen nur von April 1988 bis Ende Juni 1988 durchgeführt worden. Auch damit seien keinerlei Beeinträchtigungen des Mietrechtes der Antragstellerin im Sinne des § 8 Abs 3 MRG verbunden gewesen. Deren Mietobjekt sei von den Umbauarbeiten weder berührt noch im geringsten benützt oder verändert worden. In der Zeit, in der außerhalb des Bestandobjektes der Antragsgegnerin gearbeitet wurde, sei der Hauseingang jeweils bei Beendigung der Arbeiten um 18 Uhr aufgeräumt worden. Der Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin, das erst im 20 Uhr öffnet, sei daher stets gewährleistet gewesen. Sofern die Anragstellerin überhaupt Umsatzeinbußen erlitten habe, seien diese ausschließlich auf den für K***** typischen Saisonverlauf und den allgemeinen Nächtigungsrückgang zurückzuführen. Im übrigen hätten während des fraglichen Zeitraums auch andere Miteigentümer und Mieter des Hauses Bauarbeiten durchgeführt. Soferne es überhaupt zu Beeinträchtigungen des Geschäftsbetriebes der Antragstellerin gekommen sein sollte, könnten sie darauf zurückzuführen sein. Die Antragsgegnerin hat daher jegliche Entschädigungsleistung abgelehnt und die Abweisung des Sachantrages beantragt.

Das Erstgericht erkannte die Antragsgegnerin schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen S 229.667 samt 9 % Zinsen seit 1.11.1988 zu zahlen, und wies das Mehrbegehren (das versehentlich mit S 334.635,- statt richtig mit S 344.635,- beziffert wurde) ab. Es ging dabei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Beim Nachtlokal der Antragstellerin handelt es sich um einen Ganzjahresbetrieb mit täglichen Öffnungszeiten von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts. Es ist im ersten Stock des insgesamt vierstöckigen Hauses V***** Nr.9 untergebracht. Im Erdgeschoß befindet sich nunmehr die Filiale der Antragsgegnerin, südlich davon das Geschäftslokal eines Optikers.

Durch die Vermietung eines Teils der Parterreräumlichkeiten an die Antragsgegnerin wurde ein massiver Umbau dieser Räumlichkeiten notwendig. Auch die Fassade des Erdgeschoßes sollte neu gestaltet werden; im Zuge des Umbaus wurde dann sogar deren Generalsanierung in Angriff genommen.

Die Bauarbeiten wurden am 5.10.1987 begonnen und in zwei Phasen durchgeführt, wobei sich der erste Bauabschnitt über den Zeitraum vom 5.10.1987 bis 24.12.1987 erstreckte, der zweite Bauabschnitt von Ostern 1988 bis Juli 1988. Die Parterreräumlichkeiten und das darunter liegende Kellergeschoß erfuhren dabei eine komplette Umgestaltung; allein die im Parterre für den Bankbetrieb der Antragsgegnerin errichteten Räumlichkeiten haben ein Ausmaß zwischen 200 m2 und 250 m2.

Die erste Bauphase betraf im wesentlichen die an der Rückseite gelegenen Parterreräumlichkeiten. Dort wurde ein Baukran aufgestellt, das meiste Baumaterial herangeschafft und Bauschutt abtransportiert. Erst etwas später - zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt - wurde Baumaterial auch über die Vorderseite des Hauses in die Räumlichkeiten der Antragsgegnerin geschafft, und zwar im wesentlichen durch den Haupteingang. Schon seit Beginn der Bauarbeiten stand allerdings an der Vorderseite des Hauses hinter einer Abplankung ein Bauschuttcontainer.

Die von der Antragsgegnerin angemieteten Räumlichkeiten im Parterre hatten zuvor ein Eisenwarengeschäft beherbergt. Die großen Auslagenscheiben dieses Geschäftes wurden samt Eisenrahmen zu Beginn der Bautätigkeit entfernt, wobei ein Teil der Glasscheiben zerbrochen wurde. Der Abtransport von Eisenrahmen und Glasscherben erfolgte innerhalb von zwei bis drei Tagen. Bis zu diesem Abtransport waren die Eisenrahmen allerdings im Zugang zum Geschäftslokal der Antragstellerin abgestellt worden; dort lagen in der maximalen Dauer von zwei bis drei Tagen auch Glasscherben herum.

In der weiteren Folge wurde zwischen der Hauptbaustelle (der späteren Geschäftsstelle der Antragsgegnerin) und der Passage, die zum Nachtlokal der Antragstellerin führt, eine Abplankung errichtet. Diese reichte zunächst vom Boden bis zur Decke. Erst als über Antrag einer Miteigentümerin des Hauses (der Vermieterin der ebenerdigen Räume) in die (vom Eingang aus gesehen) rechte Seitenwand der Abplankung Vitrinen eingebaut wurden, hat man sukzessive Öffnungen geschaffen, um durch sie Baumaterial zuliefern zu können.

Die ca 1,40 bis 1,50 m breite Passage, die als Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin führt, wurde im Zuge des Umbaus der Filiale der Antragsgegnerin nach Osten (von der Vorderfront des Hauses aus gesehen, also nach links) verlegt, um die in das Optikergeschäft führende Passage einzubeziehen. Die diesbezüglichen Arbeiten (Gestaltung des Torbogens, Aufbringen des Estrichs, Verlegung des Bodens, das Ausmalen der Passage und die Gestaltung der Decke) erfolgten über Auftrag der Antragsgegnerin; das Verputzen der Passage gab der Geschäftsführer jener GmbH (einer Mit- und Wohnungseigentümerin des Hauses) in Auftrag, von der die Antragsgegnerin die Geschäftsräumlichkeiten gemietet hatte.

In der ersten Bauphase erfolgten umfangreiche Aushöhlungen in den Geschäftsräumlichkeiten der Antragsgegnerin, zunächst ostseitig, dann fortschreitend in Richtung Westen. Über längere Zeit hindurch wurden mit Kompressoren aufwendige Schremmarbeiten, insbesondere im nunmehrigen Foyer der Bankfiliale durchgeführt, was eine erhebliche Staubentwicklung zur Folge hatte. Es wurde der Boden abgetragen, es wurden Nischen gestemmt und Abgänge in den Keller geschaffen. Die Folge war eine erhebliche Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Antragstellerin durch Staub und Schmutz. Vor Beginn des Betriebes mußte das Lokal stets gereinigt und der Staub von Gläsern und Geschirr abgespült werden; nahezu jeden Abend reinigte außerdem eine Serviererin den Zugang zum Lokal. Untertags waren in der Passage, die zum Nachtlokal der Antragstellerin führt, gelegentlich kleinere Geräte (beispielsweise eine Kreissäge) abgestellt; teilweise wurden auch Mörtel- und Zementsäcke sowie Schaltafeln und Bretter gelagert. Der Geschäftsführer der Antragstellerin mußte gelegentlich Scheibtruhen beiseite räumen, um überhaupt in sein Lokal gelangen zu können. Am Abend war die Baustelle in der Regel zwar einigermaßen aufgeräumt, aber keineswegs staubfrei. Gelegentlich lagen auch noch am Abend Schaltafeln oder Bretter auf dem Boden der Passage, doch wurde dadurch der Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin nicht behindert. Größere Geräte und Arbeitsmaschinen wurden in der Passage nicht abgestellt, weil diese dafür zu schmal gewesen wäre. Lediglich auf dem Gehsteig vor dem Zugang zur Passage war zeitweise ein Kompressor abgestellt.

Wegen dieser Beeinträchtigungen hat sich die Antragstellerin bereits zu Beginn der Bautätigkeit an die Antragsgegnerin gewendet, deren Direktor die Beanstandungen an den Bauleiter weitergab. Dieser war wöchentlich ca einmal auf der Baustelle und hat die Bauarbeiter immer wieder darauf hingewiesen, darauf zu achten, daß die Baustelle ordnungsgemäß aufgeräumt wird. Ein von der Antragstellerin um Rat gebetener Rechtsanwalt hat sich einmal im Dezember 1987 untertags die Situation angesehen und mußte dabei darauf achten, daß seine festen Schuhe nicht beschädigt werden, weil im Eingang des Hauses Bauschutt lag. Der Zustand auf der Baustelle war "arg", obwohl damals im Eingangsbereich gar nicht gearbeitet wurde. Auf seine Beschwerde hin besserte sich vorübergehend der Zustand; es wurde sorgfältiger geräumt.

Im November 1987 wurde im Zuge der Bauarbeiten ein Strom- und Telefonkabel durchgerissen, was dazu führte, daß die Antragstellerin ihr Lokal geschlossen halten mußte. Die Stromzuführ konnte nämlich erst gegen 22 Uhr 30 wieder hergestellt werden. Ca 14 Tage später erfolgte ein neuerlicher Stromausfall, der allerdings noch vor Aufnahme des Abendbetriebes im Geschäftslokal der Antragstellerin wieder behoben werden konnte.

Am Heiligen Abend des Jahres 1987 wurden die Bauarbeiten unterbrochen und erst nach Ostern 1988 (der Ostersonntag und der Ostermontag fielen auf den 3. bzw. 4.April) wieder aufgenommen.

Ab Mai 1988 wurde die Hausfassade komplett erneuert. Zu diesem Zweck wurde ein Gerüst aufgestellt, wobei eine Gerüstbühne über dem Zugang zur Passage Besucher und Arbeiter vor allenfalls herabfallenden Teilen schützte. Der Zugang wurde komplett abgeplankt und ein Netz vorgespannt. Das Abschlagen des alten Putzes nahm ungefähr eine Woche in Anspruch, die Erneuerung der Fassade insgesamt ca ein Monat. Den diesbezüglichen Auftrag haben die Antragsgegnerin und der Geschäftsführer ihrer Vermieterin gemeinsam erteilt.

Auch im Zuge der Fassadenarbeiten wurde der Zugang zum Lokal der Antragstellerin durch Staubentwicklung beeinträchtigt. Wegen des Gerüstes erfolgte nunmehr der Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin unter einer von Eisenstehern unterfangenen Gerüstabplankung. Diese Abplankung zog sich über den gesamten Bereich des verfahrensgegenständlichen Hauses, also auch noch über den Bereich des Optikergeschäftes, das südlich der nunmehrigen Bankfiliale gelegen ist. Die Besucher des Nachtlokals der Antragstellerin mußten unter dieser Abplankung einige Meter zurücklegen, bis sie zum Eingang der Passage kamen.

Die weiteren Arbeiten gestalteten sich wie folgt:

Der Eingangsbereich des Hauses wurde in Form eines massiven Portals mit zwei massiven Stehern links und rechts gestaltet, woran etwa 14 Tage lang gearbeitet wurde. Die Böden im Bereich der nunmehrigen Bankfiliale und in der Passage wurden in der Zeit vom 16.5.1988 bis 24.8.1988 gelegt. Diese Arbeiten erschwerten den Zugang durch die Passage lediglich untertags. Auf Pfosten und Kanthölzern wurde eine "Bühne" errichtet, auf die man über eine ca 15 cm hohe Stufe steigen mußte. Diese Stufe blieb nur eine Nacht bestehen. In der Folge wurde die Passage verfliest, was ca zwei bis drei Tage in Anspruch nahm. Die Arbeiten erfolgten so, daß jeweils nur eine Hälfte des Ganges verfliest wurde und dazu noch unter Verwendung eines Schnellklebers, was eine rasche Wiederbegehbarkeit mit sich brachte. Im Bereich des Stiegenaufganges zum Nachtlokal wurden Schaltafeln gelegt. Nach Ostern 1988 wurde die Leuchtreklame für das Nachtlokal der Antragstellerin entfernt, die sich an der Außenfassade des Hauses über der ursprünglichen Passage befunden hatte. Zur Montage einer neuen Lichtanlage kam es erst am 25.7.1988, zu deren Anschluß gar erst am 3.8.1988. Die neue Neonreklame sollte zum Bild der Bankfiliale passen und in gediegener Ausführung erfolgen. Der Schaukasten, welcher sich zwischen dem Optikergeschäft und der nunmehrigen Bankfiliale befand, wurde bei Beginn der Umbauarbeiten entfernt und dann in neuer Form im Juli oder August 1988 wieder montiert. Eine Leuchtreklame der Antragstellerin im Bereich des Erkerfensters war während der Arbeiten an der Fassade nur erschwert sichtbar. Als die Decke der Passage in Angriff genommen wurde, hingen Elektrokabel ca zwei Tage lang von der Decke lose herunter, allerdings nicht so weit, daß Besucher dadurch gefährdet worden wären.

Durch die Bauarbeiten in der Filiale der Antragsgegnerin ging die Besucherzahl im Nachtlokal der Antragstellerin sukzessive zurück. In den Monaten der Bautätigkeit kam es gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres zu gewichtigen Umsatzeinbrüchen. Das Nachtlokal der Antragstellerin wurde während der Bautätigkeit von mehreren Gästen als "Baustelle" bezeichnet, der Wirt als "Baustellenwirt". Der Gesamtschaden der Antragstellerin (der Nettobetrag an Einnahmeeinbußen) in den Monaten November 1987 und Dezember 1987 sowie April 1988 bis Juli 1988 errechnet sich mit S 229.667.

Wegen der Beeinträchtigungen durch die Bauführung hat die Antragstellerin von Mai 1988 bis Juli 1988 ihre Mietzinszahlungen wegen der erschwerten Benützbarkeit ihrer Räumlichkeiten durch die Fassadenarbeiten auf die Hälfte reduziert. Diese Reduzierung wurde vom Vermieter hingenommen.

In die Zeit der Umgestaltung der Geschäftsräumlichkeiten der Antragsgegnerin fielen auch andere Bauarbeiten. In der Zeit von Anfang April 1988 bis etwa Anfang oder Mitte Mai 1988 wurde auch das Optikergeschäft umgebaut. Bei diesen Bauarbeiten wurde allerdings der Zugang, der zum Nachtlokal der Antragstellerin führt, nicht benutzt. In der Zeit vom 1.Dezember 1988 bis 12.Dezember 1988 wurden überdies im Auftrag des Geschäftsführers jener Mit- und Wohnungseigentümerin, von der die Antragsgegnerin ihre Geschäftsräumlichkeiten gemietet hatte, unter anderem die Auslagenvitrinen in der Passage gemauert. Für deren Errichtung wurde eine dünne Mauer aufgestellt, die das Optikergeschäft gegen die Passage hin abgrenzt. Diese Mauer wurde zweimal, vermutlich von Besuchern eines Nachtlokals, niedergerissen und mußte sodann wieder errichtet werden. Die Treppen im Stiegenaufgang zu den oberen Geschoßen wurden ebenfalls über Auftrag der vorhin erwähnten Mit- und Wohneigentümerin erneuert. Die dazu erforderlichen Schneidarbeiten wurden in der Passage durchgeführt. Die Dauer dieser Arbeiten konnte nicht festgestellt werden; sie haben aber jedenfalls nur kurze Zeit gedauert. Die Antragstellerin selbst ließ zwischen 18.1.1988 bis Ende Februar 1988, also in einer Zeit, für die sie keinen Ersatzanspruch begehrt, eine Angestelltenwohnung im zweiten Stock des Hauses umbauen. Schließlich wurden im Bereich des Eingangs zur Passage von der Post umfangreiche Verkabelungsarbeiten durchgeführt, die allerdings durch den Bau bzw Ausbau der nunmehrigen Bankfiliale der Antragsgegnerin notwendig waren.

Die Antragstellerin unterhält bei der Landeshypothekenbank Tirol ein Kontokorrentkreditkonto mit einem Kreditrahmen von S 350.000. Zum 1.11.1988 haftete auf diesem Kreditkonto ein Betrag von S 683.888,51 aus. Für den Kontokorrentkredit müssen 8 % Sollzinsen vom Gesamtbetrag sowie 1 % an Kreditbereitstellungsprovision für den Kreditrahmen von S 350.000 bezahlt werden; Überziehungszinsen in der Höhe von 3,6 % fallen für jenen Betrag an, der den Kreditrahmen übersteigt.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die Antragstellerin die Umbauarbeiten durch die Antragsgegnerin hinzunehmen hatte, also auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach § 8 Abs 3 MRG beschränkt war. Daß sie sich dabei eine wesentliche Beeinträchtigung ihres Mietrechts gefallen lassen mußte, ergebe sich schon aus dem Umfang der Bauarbeiten, ihrer Dauer und den Folgewirkungen, nämlich dem enormen Geschäftsrückgang. Eine derartige Beeinträchtigung von Mietrechten könne nicht nur darin bestehen, daß Teile eines Mietobjektes direkt in Anspruch genommen werden (etwa durch die Abtragung einer Mauer, das Einziehen einer Decke u.dgl.), sondern auch in dem Umstand begründet sein, daß Kunden vom Besuch eines Mietobjektes abgehalten werden und damit der Umsatz zurückgeht. Rechtswidrigkeit sei nach § 8 Abs 3 MRG ebensowenig Haftungsvoraussetzung wie Verschulden. Dieser Ersatzanspruch sei vielmehr dem nach § 364a ABGB, § 13 Abs 3 WEG oder § 26 WRG sowie § 17 Telegraphengesetz vergleichbar. Ersatzpflichtig sei, wem die Erhaltungs-, Verbesserungs- oder Änderungsarbeiten zuzurechnen sind, also entweder der Vermieter oder ein (unter Umständen auch mehrere) Mieter. Unwesentliche Beeinträchtigungen des Mietrechts, die den ordentlichen Gebrauch des Mietgegenstandes nicht tangieren, seien allerdings nicht ersatzfähig.

Wenn mehrere Personen unabhängig voneinander jeweils wesentliche Beeinträchtigungen verursachen, sei für das Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädigern § 1302 ABGB heranzuziehen. Diese Norm gelte auch für die Haftung mehrerer Schädiger ohne Verschulden (Gschnitzer, Österreichisches Schuldrecht, 469), so daß dann, wenn sich die Anteile der einzelnen an der Beschädigung nicht bestimmen lassen, alle für einen und einer für alle zu haften hätten.

Diese Solidarhaftung treffe auch die Antragsgegnerin. Sie habe nämlich die wesentliche Beeinträchtigung des Mietrechtes der Antragstellerin im Sinne des § 8 Abs 3 MRG zumindest mitverursacht, ohne daß sich ihr Anteil am Schaden bestimmen lasse.

Der abweisliche Teil dieses Sachbeschlusses ist in Rechtskraft erwachsen. Die Antragsgegnerin hat jedoch den stattgebenden Teil angefochten und hatte mit dieser Anfechtung auch Erfolg. Das Rekursgericht gab ihrem Rechtsmittel Folge, hob den Sachbeschluß hinsichtlich des Zuspruchs von S 229.667 samt 9 % Zinsen seit 1.11.1988 an die Antragstellerin auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die hiefür maßgeblichen Entscheidungsgründe lauten im wesentlichen wie folgt:

Der gemäß § 37 Abs 1 Z 5 MRG im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Entschädigungsanspruch des Mieters setze voraus, daß die Beeinträchtigung seines Mietrechts durch Maßnahmen verursacht wurde, die er zu dulden hatte, während Schadenersatzansprüche aus der Mißachtung oder Überschreitung seiner Duldungspflicht nach den Regeln des allgemeinen Schadenersatzrechtes im streitigen Verfahren durchzusetzen wären (WoBl 1992/44).

Daß die hier zu beurteilenden Maßnahmen (soweit sie von der Antragsgegnerin im Sinne des § 8 Abs 3 MRG "durchgeführt" wurden) von der Antragstellerin zu dulden waren, stehe außer Zweifel und werde von der Antragsgegnerin auch gar nicht bestritten. Offenkundig sei es um Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses (§ 8 Abs 2 Z 1 MRG) bzw zweckmäßige Veränderungen (Verbesserungen) in einem "anderen Mietgegenstand" (§ 8 Abs 2 Z 2 MRG) gegangen, woraus der Antragstellerin - unter den Voraussetzungen des Abs 3 dieser Bestimmung - als Folge der "Eingriffshaftung" (Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch des Mietrechtsgesetzes, 244) Entschädigungsansprüche zustünden. Der von der Antragsgegnerin vertretenen Rechtsansicht, diese Ansprüche setzten zwingend ein Betreten, eine vorübergehende Benützung oder eine Veränderung des Mietgegenstandes der Antragstellerin voraus, könne in dieser engen Auslegung nicht beigepflichtet werden. Dies hätte sonst zur Folge, daß beispielsweise ein Mieter, der durch eine notwendige, Monate in Anspruch nehmende gänzliche Neuerrichtung eines Stiegenhauses ganz wesentliche Beeinträchtigungen seines Mietrechtes erlitt, hiefür keine Entschädigung beanspruchen könnte, weil es nicht notwendig war, seine Wohnung zu betreten, vorübergehend zu benützen oder zu verändern. Unter "Mietgegenstand" im Sinne des § 8 Abs 2 erster Satz MRG seien also nicht nur die dem Mieter zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räume zu verstehen, sondern es sei damit die Gesamtheit seines Benützungsrechtes im Sinne des Absatz 3 dieser Bestimmung ("...dem Mieter, der hiedurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird...") gemeint. Sinn und Zweck der Einführung des Entschädigungsanspruches durch § 8 Abs 3 MRG sei der Ausbau der Regelungen des § 15 Wohnungsverbesserungsgesetz bzw des § 13 Abs 2 Z 3 und Abs 3 WEG für den Bereich des Mietrechtes gewesen, denen derartige Beschränkungen fremd seien (vgl RV zum MRG, 425 der BeilagenNR 15.GP zu § 6).

Ein Entschädigungsanspruch nach § 8 Abs 3 MRG setze weiters eine wesentliche Beeinträchtigung der Mietrechte voraus, wovon nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls auszugehen sei, wenn der ordentliche Gebrauch des Bestandobjektes, wie er sich aus Inhalt und Zweck des Vertrages und ergänzend nach Verkehrssitte und Ortsgebrauch ergibt, berührt sei (vgl Krejci aaO, 245; MietSlg 18.172 uva). Nun umfasse das einem Mieter eingeräumte Benützungsrecht zweifellos auch den freien und ungehinderten Zugang zum Bestandobjekt (für viele: EvBl 1961/143); insbesondere müsse dem Mieter eines Geschäftslokals die Abwicklung des Kundenverkehrs ermöglicht werden. Dabei sei unbestreitbar der Besucherandrang zu einer Gaststätte auch und im besonderen Maß vom äußeren Erscheinungsbild des Hauses abhängig. Gemessen am Zweck eines Mietvertrages könne es daher durchaus eine wesentliche Beeinträchtigung der Bestandrechte bedeuten, wenn durch umfängliche Bautätigkeiten das äußere Erscheinungsbild des Hauses erheblich beeinträchtigt oder der Zugang zum Gastlokal erschwert oder auch nur in einer Weise verschmutzt wird, wie dies bei Bauarbeiten nahezu unvermeidlich sei. Es liege auf der Hand, daß unter solchen Umständen potentielle Gäste vom Besuch eines Lokals abgehalten würden, auch wenn dieses selbst von den Bauarbeiten gar nicht betroffen sei. Bei verständlicher Würdigung der Antragsbehauptungen gehe es der Antragstellerin hier eben nicht um Einzelheiten der Folgen der Bautätigkeiten, sondern gerade darum, daß sie einen Schaden erlitten habe, weil wegen des Gesamtbildes der mit den angesprochenen Baumaßnahmen verbundenen Begleiterscheinungen der sonst übliche oder zu erwartende Kundenbesuch weitestgehend ausgeblieben sei. Diese Art der Schadloshaltung werde vom verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch des § 8 Abs 3 MRG durchaus bezweckt (vgl Krejci aaO, 245; WoBl 1992/122). Solche Schäden könnten auch durchaus "konkret greifbar" sein.

Zweifellos könnte ein Anspruchswerber im einzelnen ebensowenig nachweisen, welcher Gast sein Lokal unter anderen Umständen besucht und wieviel er konsumiert hätte, als er im Einzelfall widerlegen könnte, ob es nicht doch andere Gründe waren, die ihn davon abhielten. Diese auf der Hand liegenden Beweisprobleme habe die Antragsgegnerin offensichtlich im Auge, wenn sie als angebliche Ursachen für den Umsatzrückgang der Antragstellerin den generellen Besucherrückgang in der Region K***** oder innerbetriebliche Schwierigkeiten nennt. Solche Beweisprobleme dürften aber nicht zur Verweigerung allfälliger berechtigter Ansprüche führen, wenn es in der Natur der Sache liegt, daß ein Schaden nur durch eine auf hinreichend verläßlichen Grundlagen beruhende Einschätzung festgestellt werden kann, wofür § 273 ZPO die Handhabe biete. Die Feststellungen des Erstgerichtes zur Höhe des Schadens der Antragstellerin seien in diesem Lichte unbedenklich, zumal das eingeholte Sachverständigengutachten eine verläßliche Grundlage für die Schadensfestsetzung (nach § 273 ZPO) biete und auf den angeblichen "Einbruch der Nächtigungszahlen" in der Region K***** bereits Bedacht genommen habe.

Beizupflichten sei der Antragsgegnerin, daß nach § 8 Abs 3 MRG derjenige Vermieter oder Mieter entschädigungspflichtig ist, der die Arbeiten "durchführt", weshalb sie bezüglich der von ihr nicht durchgeführten Baumaßnahmen auch nicht haftbar gemacht werden könne. Nach Krejci (aaO, 244) sei derjenige ersatzpflichtig, dem die Arbeiten "zuzurechnen" seien, wobei es nicht darauf ankomme, wem daraus Vorteile erwüchsen. Beide Begriffe seien jedoch unbestimmt und ließen offen, wie zu entscheiden sei, wenn mehrere Vermieter und/oder Mieter zeitgleich derartige Arbeiten "durchführen". Offenbar im Hinblick auf die Feststellung, den Auftrag zur Fassadenerneuerung hätten die Antragsgegnerin und der Geschäftsführer ihrer Vermieterin gemeinsam erteilt, sei das Erstgericht in analoger Anwendung des § 1302 ABGB zu einer jedenfalls solidarischen Ersatzpflicht der Antragsgegnerin gelangt. Ob dem bei Ermangelung jeglicher Entscheidungsgrundlagen über die "Zuordenbarkeit" in letzter Konsequenz beizupflichten sei, könne dahingestellt bleiben. Auszugehen sei nämlich davon, daß das Gesetz in erster Linie eine "angemessene Entschädigung" anordne und damit dem Richter eine auf der Grundlage der feststellbaren "Zuordnungskriterien" überprüfbare Ermessensentscheidung im Sinne des § 273 ZPO auftrage. In deren Rahmen gehöre es zur Beurteilung der "Angemessenheit" der Entschädigung, auch den "Anteil" zu bestimmen, den der in Anspruch genommene von mehreren anfälligen Ersatzpflichtigen zu leisten hat. Der Ansicht der Antragsgegnerin, Entschädigungspflichten könnten sie schon allein deshalb nicht treffen, weil die fraglichen Arbeiten ausschließlich allgemeine Teile des Hauses, nämlich den Zugang zum Lokal der Antragstellerin bzw die Fassade betroffen hätten, sei nicht zu folgen. Es könne aber auch eine "Bestimmung der Anteile" nicht schon dann versagen, wenn bestimmten Baumaßnahmen ein "gemeinsam erteilter Auftrag" zugrunde liegt. Anhaltspunkte für eine Bestimmung der Anteile könnten durchaus darin gelegen sein, wem bestimmte Maßnahmen mehr oder weniger "zum Vorteil" gereichten, etwa im Hinblick auf die Größe der Objekte der einzelnen Mieter oder Vermieter, den erforderlichen Zeitaufwand für die eine andere Maßnahme, allenfalls das Verhältnis der Miteigentumsanteile oder das der Kosten der vom einen oder anderen veranlaßten Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen. Im Sinne dieser Grundsätze erweise sich die Sache - insbesondere zur Frage "Zurechenbarkeit" - als noch nicht spruchreif. Bei der neuerlichen Entscheidung werde darauf Bedacht zu nehmen sein, daß die Antragstellerin Ersatzansprüche ausschließlich wegen der Beeinträchtigung ihrer Rechte in den Monaten November und Dezember 1987 sowie im April 1988 bis Juli 1988 geltend macht. Um überprüfen zu können, inwieweit "wesentliche Beeinträchtigungen" vorlagen, werde zu erheben sein, welche Auswirkungen gerade in diesen Monaten die Baumaßnahmen auf das äußere Erscheinungsbild des Hauses, den Zugang zum Lokal der Antragstellerin und deren Bestandräumlichkeiten gehabt hätten. Soweit sich derartige Beeinträchtigungen zeitlich ausschließlich in Baumaßnahmen zur Umgestaltung des Mietlokals der Antragstellerin einerseits bzw des Optikergeschäftes andererseits trennen lassen, würden besondere Schwierigkeiten bei der "Zuordnung" der Baumaßnahmen nicht auftreten. Sollte sich herausstellen, daß derartige Maßnahmen gleichzeitig erfolgten, würden "Zuordnungskriterien" festzustellen sein, die als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit einer allfälligen Entschädigungsleistung herangezogen werden können. Schließlich werde im Zuge des fortgesetzten Verfahrens auch Gelegenheit bestehen, auf den unter dem Rekursgrund der Nichtigkeit geltend gemachten Umstand Bedacht zu nehmen, daß das Erstgericht den Zuspruch von Verzugszinsen bzw die hiefür maßgeblichen Feststellungen nicht begründet habe.

Dieser Aufhebungsbeschluß enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß es an einer allgemein zugänglichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle, die sich unmittelbar mit einem Entschädigungsanspruch im Sinne des § 8 Abs 3 MRG befaßte.

Die zweitinstanzliche Entscheidung haben beide Parteien angefochten. Der Rekurs der Antragstellerin zielt auf eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, der Rekurs der Antragsgegnerin enthält hingegen den Antrag, den angefochtenen Beschluß so abzuändern, daß der Sachantrag zur Gänze abgewiesen und die Antragstellerin zudem noch zum Ersatz der von der Antragsgegnerin für das Sachverständigengutachten aufgewendeten Kosten verpflichtet wird.

Rekursbeantwortungen wurden ermöglicht, aber nicht erstattet.

Die Rechtsmittel sind zulässig und teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Rekurs der Antragsgegnerin:

Sie vertritt den Standpunkt, daß der in § 8 Abs 3 MRG normierte Ersatzanspruch nur dann geltend gemacht werden könne, wenn die Beeinträchtigung des Mieters aus einem Betreten, einer vorübergehenden Benützung oder einer Veränderung seines Mietgegenstandes resultiert. In allen anderen Fällen bestünde auch gar keine Duldungspflicht des Mieters, an deren Vorliegen die Eingriffshaftung des Vermieters oder eines anderen Mieters bei der Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten anknüpfe. Es gehe daher in Wahrheit um ein Schadenersatzbegehren der Antragstellerin, über das im streitigen Rechtsweg abzusprechen sei.

Unabhängig davon seien jene Arbeiten, mit denen die Antragstellerin den angeblichen Verdienstentgang in Verbindung bringt, nicht der Antragsgegnerin, sondern den Hauseigentümern zuzurechnen, da sowohl der Zugang zum Geschäftslokal der Antragstellerin als auch die Hausfassade zu den allgemeinen Teilen des Hauses zählten. Die Verlegung der Passage hänge überdies in erster Linie mit der Vergrößerung des Optikergeschäftes zusammen.

Weiters habe das Rekursgericht zu Unrecht angenommen, der in § 8 Abs 3 MRG normierte Ersatzanspruch umfasse auch einen allfälligen Verdienstentgang des durch Umbauarbeiten beeinträchtigten Mieters. Zu ersetzen seien lediglich Reinigungskosten, die Aufwendungen für das Ausmalen verschmutzter Räume etc, also Schäden, die "konkret greifbar" seien.

Schließlich sei es der Antragstellerin nicht gelungen, die Kausalität der Umbauarbeiten für den behaupteten Verdienstentgang zu beweisen. Es sei daran festzuhalten, daß die Umsatzeinbußen im fraglichen Zeitraum auf einen massiven Einbruch der Nächtigungszahlen in der Region K***** zurückzuführen seien.

Das erste dieser Argumente ist im Kernbereich damit zu entkräften, daß sich die Mietrechte der Antragstellerin auch auf die Passage, den Zugang zu ihrem Nachtlokal, erstreckten. Auf den Umstand, daß dieser mitgemietete Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin durch die von der Antragsgegnerin veranlaßten Umbauarbeiten nur stunden- und tageweise verstellt, verengt und/oder verschmutzt wurde, wird bei der Bemessung der Entschädigung noch zurückzukommen sein. Kein Grund für die Abweisung oder Schmälerung des Entschädigungsbegehrens der Antragstellerin liegt jedenfalls darin, daß ein nicht mehr genau feststellbarer Teil der Zugangserschwernisse, die die Antragstellerin hinnehmen mußte, auf Arbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses zurückzuführen ist.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden, daß auch Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses zu einer Eingriffshaftung nach § 8 Abs 3 MRG führen können, wenn es dabei zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Bestandrechts eines Mieters kommt (WoBl 1993, 169/112). Es sind daher alle von der Antragsgegnerin veranlaßten Renovierungs- und Umbauarbeiten - soweit sie zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Mietrechte der Antragstellerin führten - in die Berechnung der Entschädigung einzubeziehen. Ob es dabei immer nur auf ein Betreten, vorübergehendes Benützen oder Verändern des dem Ersatzansprecher vermieteten Objektes ankommt (s. WoBl 1993,169/112), oder ob schlechthin jede vom Mieter kraft Gesetzes zu duldende Beeinträchtigung seiner Rechte im Zuge von Erhaltungs-, Änderungs- oder Verbesserungsarbeiten die Entschädigungspflicht des die Arbeiten durchführenden Vermieters oder Mieters auslöst, muß hier nicht näher erörtert werden, weil die fragliche Passage (also ein Teil des Mietobjektes der Antragstellerin) selbst von Umbauarbeiten betroffen war, die daraus resultierenden Zugangserschwernisse auch während anderer Bauarbeiten (etwa im Zuge der Fassadensanierung) anhielten und selbst diese anderen Baumaßnahmen unmittelbar zu Eingriffen in die Mietrechte der Antragstellerin geführt haben. Damit besteht kein Zweifel, daß durch die Bauarbeiten der Antragsgegnerin eine in das Mietrecht der Antragstellerin eingreifende Mitbenützung bzw Veränderung ihres Bestandobjektes stattgefunden hat, herrschte doch im mitgemieteten Zugangsbereich monatelang Baustellenbetrieb. Daß die Antragstellerin bei der Ausübung ihres Mietrechtes insgesamt wesentlich beeinträchtigt wurde, ergibt sich aus der Zusammenschau jener Umstände, die ihr Mietobjekt - wie es Gäste ausdrückten - monatelang praktisch selbst zu einer "Baustelle" machten.

Auch das Problem der "Zurechnung" der Bauarbeiten wurde von den Vorinstanzen richtig gelöst. Daß letztlich die Fassadenrenovierung - weil man sich entschloß, nicht nur den Bereich des Erdgeschoßes, sondern die Außenansicht des Hauses insgesamt zu sanieren - von der Antragsgegnerin und ihrer Vermieterin gemeinsam in Auftrag gegeben wurde, ändert nichts daran, daß treibende Kraft hinter den Umbauarbeiten die Antragsgegnerin war. Ihre monatelangen Baumaßnahmen haben jedenfalls entscheidend zu den Beeinträchtigungen der Antragstellerin beigetragen, ohne daß sich die konkreten Anteile der anderen Bauherrn am Vermögensnachteil der Antragstellerin bestimmen ließen. Der Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin wurde beispielsweise - was vom Rekursgericht außer acht gelassen wurde - für die Umbauten im Optikergeschäft gar nicht benutzt. Aus Gründen, die später noch genauer auszuführen sind, ist daher die Antragsgegnerin der Antragstellerin zumindest solidarisch mit den anderen Bauhherrn zur Ersatzleistung nach § 8 Abs 3 MRG verpflichtet; es wird ihre Sache sein, bei allfälligen Mitschuldnern Regreß zu nehmen.

Warum sich die in § 8 Abs 3 MRG normierte Ersatzpflicht auf "konkret greifbare" Schäden beschränken, den geltend gemachten Verdienstausfall also nicht umfassen sollte, sagt die Antragsgegnerin selbst nicht. Tatsächlich wird zu ähnlichen Ausgleichsansprüchen, etwa zu jenen des Nachbarrechts (das für die Regelung des § 8 Abs 3 MRG vorbildlich war) judiziert, daß das gesamte subjektive Interesse, auch der entgangene Gewinn, zu ersetzen ist (MietSlg 37.022 ua; vgl Spielbüchler in Rummel2, Rz 9 zu § 364a ABGB; Krejci in Korinek-Krejci, HB zum MRG, 245). Lediglich der Ersatz immaterieller Schäden wurde abgelehnt (WoBl 1992, 188/122; WoBl 1993, 169/112), doch hat sich sogar in diesem Punkt der Gesetzgeber des 3.WÄG zu einer Änderung entschlossen und im neuen § 8 Abs 3 MRG normiert, daß im Fall eines zumindest grobfahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht zur möglichsten Schonung des Mietrechtes auch auf erlittenes Ungemach Bedacht zu nehmen ist.

Im letzten Punkt ihrer Rechtsmittelausführungen, der Bestreitung des Kausalzusammenhanges zwischen den verfahrensgegenständlichen Bauarbeiten und dem Verdienstentgang der Antragstellerin, weicht die Antragsgegnerin überhaupt vom festgestellten Sachverhalt ab. Zu einer Überprüfung der Tatsachenfeststellungen ist jedoch der Oberste Gerichtshof nicht befugt.

Dem Rekurs der Antragsgegnerin kann daher nur insoweit ein Erfolg beschieden sein, als der Gesetzesbefehl zur "angemessenen" Entschädigung Schranken setzt, die einerseits dem allgemeinen Schadenersatzrecht zuzuordnenden, darüber hinausgehenden Ersatzansprüchen Raum geben, andererseits zu einem Ausgleich widerstreitender Interessen führen und die Durchführung notwendiger oder zweckmäßiger Erhaltungs-, Änderungs- und Verbesserungsarbeiten nicht ungebührlich erschweren sollen. In diesem Zusammenhang ist der Umstand zu berücksichtigen, daß der mitgemietete Zugang zum Nachtlokal der Antragstellerin während der monatelangen Bauarbeiten nur stunden- und tageweise erschwert benützbar war, die unmittelbaren, eine Benützung oder Veränderung des Mietobjektes der Antragstellerin darstellenden Eingriffe in die Rechte der Antragstellerin also doch nicht mit der Schwere einer ständig andauernden Inanspruchnahme des Mietobjektes für Zwecke des umbauwilligen Vermieters oder eines anderen Mieters zu vergleichen sind. Wie sich dies auf den Entschädigungsanspruch der Antragstellerin und die Entscheidung über beide Rechtsmittel auswirkt, wird bei der Behandlung des Rekurses der Antragstellerin zu erörtern sein.

2. Zum Rekurs der Antragstellerin:

Sie rügt zu Recht, daß der bereits angesprochene gesetzliche Auftrag, den Mieter für wesentliche Beeinträchtigungen seines Mietrechtes im Zusammenhang mit Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten, die der Vermieter oder ein anderer Mieter durchführt, "angemessen" zu entschädigen, nicht noch zusätzlich als Kriterium für die Haftung mehrerer Beteiligter oder die Behandlung mehrerer Schadensursachen angesehen werden kann. Da es sich bei dem in § 8 Abs 3 MRG normierten Ersatzanspruch um einen dem § 364a ABGB vergleichbaren Fall der Eingriffshaftung handelt, für den Rechtswidrigkeit ebensowenig Haftungsvoraussetzung ist wie ein Verschulden des Schädigers (vgl Krejci aaO, 244; WoBl 1992, 188/122), liegt es vielmehr nahe, die Haftung mehrerer Schädiger und das Problem zusammenwirkender Schadensursachen nach jenen Regeln zu beurteilen, die bei derartigen Ausgleichsansprüchen Anwendung finden.

Das führt, wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte, zur Bestimmung des § 1302 ABGB, weil für verschuldensunabhängige Ausgleichsansprüche gegen mehrere Personen, die gemeinsam den Haftungstatbestand verwirklicht haben, die gleichen Grundsätze anzuwenden sind wie bei deliktischen Ersatzansprüchen (SZ 61/273; 1 Ob 46/88 = JusExtra 175; vgl auch Reischauer in Rummel2, Rz 2 zu § 1302 ABGB). Nach diesen Grundsätzen tritt bei nicht gemeinsam vorgehenden Schadensstiftern solidarische Haftung ein, wenn sich die Anteile der einzelnen Täter nicht bestimmen lassen (JBl 1986, 579; JBl 1986, 787; SZ 60/55; SZ 60/91) oder jeder einzelne eine conditio sine qua non für den ganzen Schaden gesetzt hat (JBl 1989, 579). Im erstgenannten Fall besteht die solidarische Haftung der Nebentäter sogar für Schäden, die dem einzelnen nicht sicher zurechenbar sind; es besteht eine Haftung für bloß potentielle Kausalität (Koziol-Welser I9, 456).

Damit hat das Erstgericht die Antragsgegnerin grundsätzlich zu Recht für den ganzen aus den Bauarbeiten während der Monate November und Dezember 1987 sowie April bis Juli 1988 resultierenden Vermögensnachteil der Antragstellerin haften lassen, soweit er als angemessen im Sinne des § 8 Abs 3 MRG angesehen werden kann. Die ganze Zeit hindurch sind nämlich immer auch Bauarbeiten geleistet worden, die die Antragsgegnerin in Auftrag gab und dem Umbau ihres Geschäftslokals dienten. Sie machten - in unterschiedlichem Ausmaß, letztlich aber doch die ganze Zeit der Renovierungs- und Umbauarbeiten hindurch - zumindest einen Teil jener Baumaßnahmen aus, die das Mietrecht der Antragstellerin beeinträchtigten und ihr den festgestellten Vermögensnachteil zufügten, so daß die Antragsgegnerin entweder überhaupt allein oder - mangels Bestimmbarkeit ihres Anteils an der Beeinträchtigung - solidarisch für den ganzen nach § 8 Abs 3 MRG zu bemessenden Schaden einzustehen hat.

Das erübrigt die vom Rekursgericht als notwendig erachtete Verfahrensergänzung, weil sich die diffizile Zurechnungsproblematik gar nicht stellt. Auch die bei der Behandlung des Rekurses der Antragsgegnerin angestellten Erwägungen zur Höhe des Entschädigungsanspruches der Antragstellerin gebieten keine weitere Verhandlung, weil sich die Bemessungsprobleme wegen der trotz Ausschöpfung aller Beweismittel anhaltenden Zweifel über das tatsächliche Ausmaß jener Vermögensnachteile, die allein auf die dem § 8 Abs 2 MRG zu unterstellenden Beeinträchtigungen des Mietrechts der Antragstellerin zurückzuführen sind, durch die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO lösen lassen. Es wurde bereits gesagt, daß die nur stunden- und tageweise Inanspruchnahme des Mietobjektes der Antragstellerin für die Neugestaltung des Geschäftslokals der Antragsgegnerin im Rahmen der Entschädigungsregelung des § 8 Abs 3 MRG nicht dazu führen kann, der Antragstellerin alle durch die monatelangen Baumaßnahmen eingetretenen Vermögensnachteile abzugelten. Andererseits wäre in der schlichten Gegenüberstellung der Gesamtdauer der Bauarbeiten und der zeitlichen Inanspruchnahme des Mietobjektes der Antragstellerin kein gerechter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung zu finden, weil jede, auch nur kurze Behinderung des Zugangs zu einem Geschäftslokal - allein schon durch die negative Mundpropaganda - längere Zeit hindurch Geschäftseinbußen nach sich ziehen kann. Mangels brauchbarer Kriterien für die Bemessung des nach § 8 Abs 3 MRG zu ersetzenden subjektiven Interesses der Antragstellerin an der Integrität ihrer Mietrechte war daher iSd § 1304 ABGB die Mitte zwischen den denkbaren Extremen zu wählen und der Entschädigungsbetrag mit der Hälfte des festgestellten Gesamtschadens festzusetzen.

Bei der daran anknüpfenden Entscheidung über das Zinsenbegehren war den (erschließbaren) Erwägungen des Erstgerichtes zu folgen. Der insoweit von der Antragsgegnerin behauptete und vom Rekursgericht bejahte Nichtigkeitsgrund liegt nämlich nicht vor. Die diesbezüglichen Feststellungen, die einen Verzögerungsschaden der Antragstellerin im Ausmaß der geltend gemachten Bankzinsen belegen, sind durch eine Urkunde (Beilage O) gedeckt, die nicht nur dem Gericht vorgelegt, sondern von der Antragsgegnerin sogar ausdrücklich als echt und richtig anerkannt wurde (siehe dazu das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.7.1989, ON 12). Daß der Antragstellerin Zinsen im begehrten Ausmaß gebühren, ergibt sich aus der Ersatzfähigkeit des gesamten subjektiven Interesses.

Nachzutragen bleibt schließlich noch, daß das Erstgericht zu Recht von der Anwendbarkeit des § 8 Abs 3 MRG auf das Mietverhältnis der Antragstellerin ausgehen durfte, weil sich die Antragsgegnerin nie auf einen Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 bis 4 MRG berufen hat (vgl SZ 60/51).

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Rekurse beider Parteien gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG wie im Spruch zu entscheiden (vgl 5 Ob 144/92, tw veröffentlicht in EWr II/19/6, wonach die Bestimmung des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO auch im besonderen Außerstreitverfahren nach § 37 MRG anzuwenden ist.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 43 Abs 1 und 2 ZPO. Ein Kostenzuspruch im Rechtsmittelverfahren konnte gemäß § 37 Abs 3 Z 19 MRG nicht erfolgen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte