Spruch:
1. Dem Rekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und durch folgenden, die erstgerichtliche Entscheidung vom 23.Jänner 1991, ON 41, abändernden
Sachbeschluß
ersetzt:
Es wird festgestellt, daß die Heizkosten der Wohnungseigentumsanlage auf der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** L***** ab 1.Mai 1989 von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen sind.
2. Der Antragsgegner Peter P***** wird mit seinem Rekurs auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** L***** mit den Häusern L*****straße 18, L*****straße 20, L*****straße 22, L*****straße 24, Am R***** 17 und Am R***** 19; sie verfügt (mit einem Mindestanteil von 818/158.847) über Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 2 im Haus Am R***** Nr. 19.
Die Wohnanlage wurde etwa 1970 fertiggestellt und wird seither von der Elektrizitätswerk W***** AG mit Wärmeenergie versorgt.
Seit der Heizperiode 1984 werden die Heizkosten der gesamten Wohnungseigentumsanlage nach Maßgabe des § 19 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz WEG 1975 auf die Miteigentümer aufgeteilt, nachdem mit gerichtlicher Bewilligung (Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 21. Oktober 1983, 3 Nc 15/83) sämtliche Heizkörper mit Wärmezählern der Marke "Techem Clorius", Type HAV 80, ausgestattet worden waren. Obwohl der Antragstellerin wegen der exponierten Lage ihrer Wohnung eine Heizkostenreduktion gewährt wurde, hält sie den auf sie entfallenden Heizkostenanteil für zu hoch, weil er sich - bedingt durch Fehler der Meßgeräte, aber auch wegen der Eigenheiten der Heizanlage - nicht am tatsächlichen Verbrauch orientiere. Sie hat daher in einem gegen alle übrigen Miteigentümer der Wohnanlage angestrengten Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 5 WEG 1975 iVm § 19 Abs 2 Z 2 WEG 1975 die Abänderung des Heizkostenverteilungsschlüssels in der Weise beantragt, daß jeder Miteigentümer entsprechend seinem Miteigentumsanteil zur Deckung der Heizkosten beitragen soll.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab; die zweite Instanz hob jedoch diesen Beschluß über Rekurs der Antragstellerin auf, weil es - bei seiner auf § 19 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz WEG 1975 gestützten rechtlichen Beurteilung des Streitfalls - eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen für notwendig hielt.
Die zweitinstanzliche Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, unter welchen ganz konkreten Voraussetzungen der Anteil am Gesamtverbrauch (noch) als feststellbar gilt, welche Komponenten hiebei einzufließen bzw. außer Betracht zu bleiben haben und welche Fehlerquote (+/-) noch tolerierbar ist.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes haben sowohl die Antragstellerin als auch Peter P*****, der im Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung noch grundbücherlicher Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft war, fristgerecht Rekurs erhoben. Während das Rechtsmittel der Antragstellerin darauf abzielt, die notwendige Verfahrensergänzung nicht dem Erstgericht, sondern dem Rekursgericht aufzutragen, will der zweite Rechtsmittelwerber die abweisliche Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt haben. Hilfsweise hat jedoch auch Peter P***** einen Aufhebungsantrag mit dem Ziel gestellt, dem Rekursgericht auf der Basis des bereits festgestellten Sachverhalts eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Hinsichtlich der festgestellten Tatsachen kann auf die in dieser Rechtssache bereits ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26.November 1991, 5 Ob 107/91, verwiesen werden. Damals wurde - einer Anregung der Antragstellerin folgend - gemäß Art. 89 Abs 2 B-VG (Art. 140 Abs. 1 B-VG) beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des mit den Worten "ist der Verbrauch ..." beginnenden zweiten Halbsatzes des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975, BGBl. 1975/417, idFd § 56 Z 2 MRG, BGBl. 1981/520, beantragt.
Der Verfassungsgerichtshof ist diesem Antrag gefolgt und hat mit Erkenntnis vom 14.Oktober 1992, G 8/92-5, die erwähnte Wortfolge in § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 tritt auf Grund der Anordnung des Verfassungsgerichtshofes mit Ablauf des 31.Dezember 1992 in Kraft; sie hat jedoch gemäß Art. 140 Abs 7 B-VG bereits für den Anlaßfall zu gelten. Damit stellt sich die im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 26 Abs 2 WEG 1975 und § 37 Abs 3 Z 16 MRG bedeutsame Aufgabe einer Neubeurteilung des Rechtsfalls unter geänderten gesetzlichen Bedingungen, wenngleich die vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen nicht mehr zu lösen sind. Ob auch die von den Rechtsmittelwerbern in den Vordergrund gestellte verfahrensrechtliche Frage, wie weit die den Rechtsmittelgerichten durch § 496 Abs 3 ZPO auferlegte Pflicht zur Verfahrensergänzung reicht, eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen könnte, ist nicht weiter zu untersuchen.
Zum Rekurs der Antragstellerin:
Wie bereits erwähnt, ist jene Gesetzesbestimmung, auf die sich die umstrittene Verteilung der Heizkosten stützt (§ 19 Abs 1 Z 1 zweiter Halbsatz WEG 1975), schon jetzt auf den gegenständlichen Fall nicht mehr anzuwenden (Art. 140 Abs 7 B-VG). Daß ein Beschluß der Mehrheit der Miteigentümer im Sinne des § 19 Abs 1 Z 1 erster Halbsatz WEG 1975 bestünde, die den in der aufgehobenen Gesetzesbestimmung vorgesehenen Heizkostenverteilungsschlüssel auch privatautonom abgesichert hätten (zum Problem der Schriftform siehe Würth in Rummel II2, Rz 2 zu § 19 WEG; vgl. auch MietSlg. 41/27), wurde nicht vorgebracht und läßt sich auch nicht einmal andeutungsweise den Verfahrensergebnissen entnehmen. Auch die Entscheidung des Bezirksgerichtes Wels vom 21.Oktober 1983, 3 Nc 15/83-22, besagt nur, daß zu Lasten des Instandhaltungsfonds der Einbau von Wärmezählern in den verfahrensgegenständlichen Objekten genehmigt wurde. Es hat daher die Regel des Einleitungssatzes des § 19 Abs 1 WEG 1975 zu gelten, wonach alle unter diese Gesetzesbestimmung fallenden Aufwendungen von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen sind (vgl. auch Würth aaO, Rz 4 zu § 19 WEG).
Wie die Heizkosten der gegenständlichen Wohnhausanlage aufzuteilen sind, wird daher durch die im Anlaßfall geltende Gesetzeslage bestimmt. Die Antragstellerin hat zwar richtigerweise eine rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitrichters begehrt (vgl. MietSlg. 35.647), doch galt es auf Grund des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 14.Oktober 1992 nur noch festzustellen, daß sich die Heizkostenverteilung der geänderten Gesetzeslage anzupassen hat. Im Ergebnis wurde auch damit dem Begehren der Antragstellerin entsprochen, sodaß ihrem Rekurs stattzugeben war.
Zu bemerken bleibt, daß trotz des Aufhebungsantrages der Rekurswerberin kein Hindernis bestand, sogleich in der Sache selbst zu entscheiden. Die analoge Anwendung des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO schien schon deshalb geboten, weil das Rechtsmittelverfahren in außerstreitigen Angelegenheiten des Wohnungseigentums (§ 26 Abs 2 WEG 1975 iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) in vielen Belangen dem Berufungsverfahren im Zivilprozeß gleicht (vgl. 5 Ob 108/90).
Der Antragsgegner Peter P***** war mit seinem Rekurs auf diese Entscheidung zu verweisen.
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