European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00197.22I.1108.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung im Haus des Klägers. Dieser begehrt von ihm einen Betriebskostenrückstand 2017 sowie offene Mietzinse für die Monate September 2020 bis Oktober 2021 und – gestützt auf diese Zahlungsrückstände – die Räumung der Wohnung.
[2] Der Beklagte behauptete, keine Einzahlungen geleistet zu haben, weil ihm der Kläger kein neues Konto bekanntgegeben habe. Einen Mietzinsminderungsanspruch begründet er damit, dass er die Wohnung seit Ende 2019 nicht mehr beheizen könne, seit Mai 2021 kein Wasser mehr habe und Stromkreise nicht mehr funktionierten. Außerdem wendete er eine Gegenforderung ein, weil er sich mit dem Kläger auf die teilweise Rückzahlung der Kaution geeinigt habe, dieser sie aber nicht zurückgezahlt habe.
[3] Das Erstgericht stellte die Klageforderung als mit 9.469,56 EUR zu Recht bestehend, die Gegenforderung (von 9.433,84 EUR) als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete den Beklagten daher zur Zahlung von 9.469,56 EUR sA sowie zur Räumung der Wohnung. Das Mehrbegehren von 3.591,07 EUR wies es (aufgrund eines Zinsminderungsanspruchs des Beklagten nur in diesem Umfang) – rechtskräftig – ab.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
[5] Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Die Unterlassung eines Beschlusses nach § 33 Abs 2 Satz 2 MRG könnte nur eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zur Folge haben (RIS‑Justiz RS0043204). Das Berufungsgericht hat sich mit diesem vom Beklagten in der Berufung behaupteten Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens befasst und ihn verneint, dies kann in der Revision nicht mehr aufgegriffen werden (RS0042963; zu § 33 Abs 2 MRG jüngst 1 Ob 5/22z).
[7] 2. Die erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG liege hier nicht vor, weil auf der Liegenschaft zwei Wohngebäude errichtet seien, die zwar mit unterschiedlichen Hausnummern bezeichnet, aber – da auf derselben EZ gelegen – hinsichtlich der Zahl der Mietobjekte zur Beurteilung des Ausnahmetatbestands zusammenzurechnen seien, widerspricht dem Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).
[8] 3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, es bedürfe keiner Beschlussfassung nach § 33 Abs 2 MRG, wenn grobes Verschulden des Mieters am Bestehen des Zahlungsrückstands vorliegt, entspricht der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RS0111942 [T6]; RS0069105 [T4]; RS0069149 [T2]; RS0070349 [T3]). Ob den Mieter am Bestehen des Mietzinsrückstands ein grobes Verschulden trifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dem Rechtsanwender ist bei der Beurteilung eines bestimmten Verhaltens als grobes Verschulden an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt (RS0042773). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit kann die Zulässigkeit der Revision nur dann begründet werden, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Beurteilung des groben Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses eingeräumten Spielraum überschritten hätte (RS0042773 [T3]). Dies ist hier nicht der Fall:
[9] 4. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte die offenen Mietzinse deshalb nicht zahlte, weil er vom Kläger darüber informiert worden wäre, keine Einzahlungen mehr auf das bisherige Hausverwaltungskonto zu leisten und er ihm ein neues Konto für die Zahlung der Mietzinse bekanntgeben würde. Dass die vom Beklagten eingerichtete Einziehungsermächtigung allein nicht ausreichend sein konnte, um die Nichtzahlung sowohl des Betriebskostenrückstands aus dem Jahr 2017 als auch jeglicher (!) Mietzinse im Zeitraum September 2020 bis einschließlich Oktober 2021 als nicht grob schuldhaft erscheinen zu lassen, ist im Einzelfall nicht korrekturbedürftig, zumal der Beklagte üblicherweise den Zins per Kontoüberweisung bezahlte. Mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, Mietzinse seien als Geldschulden Bringschulden, setzt sich der Revisionswerber nämlich gar nicht substantiiert auseinander, sondern behauptet dazu bloß, die Simplifizierung und Lösung des Falls durch die Gleichung „Bringschuld + lange Zeit gar keine Zahlung = grobes Verschulden“ sei rechtlich unrichtig. Damit zeigt er weder eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf noch führt er die Rechtsrüge diesbezüglich gesetzesgemäß aus (vgl RS0043654 [T6, T12, T14, T15]).
[10] 5. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, die Willensrichtung des Beklagten sei hier angesichts der gänzlichen Nichtzahlung der Mietzinse seit Oktober 2020 als besonders sorglos und gleichgültig gegenüber den Interessen des Klägers und damit als grob schuldhaft zu werten, hält der Beklagte zunächst seine Überzeugung von einer ihm zustehenden Gegenforderung entgegen. Er ignoriert aber dabei die Feststellung des Erstgerichts, dass der Kläger ihm vereinbarungsgemäß die erlegte Kaution in zwei Teilbeträgen (teilweise) tatsächlich zurückerstattet hatte. Wenn die Vorinstanzen daraus ableiteten, dem Beklagten müsse bewusst gewesen sein, die Kautionsrückzahlung teilweise erhalten zu haben, ist dies nicht zu beanstanden.
[11] 6. Mietzinsminderungsansprüche des Beklagten hat das Erstgericht nur im Ausmaß von 5 % für das defekte Licht und die funktionsuntüchtigen Steckdosen für den Zeitraum September 2020 bis April 2021 und von 70 % für die Mängel der Wasserversorgung für die Monate Mai bis Oktober 2021 anerkannt, weitere Zinsminderungsansprüche hingegen nicht, zumal der Beklagte selbst die mangelnde Gasversorgung und (daraus resultierende mangelnde Beheizung) dadurch bewirkt hatte, dass er dem Rauchfangkehrer den zur Betriebsdichtheitsprüfung der Abgasanlage erforderlichen Zutritt zum Dachboden verwehrte. Den Umstand, dass der Beklagte gar keinen Zins bezahlte, angesichts dieser nur in geringem Umfang festgestellten Mängel des Objekts als grob schuldhaft zu werten, begegnet daher keinen Bedenken im Einzelfall. Die bloße Erteilung der Einzugsermächtigung ohne weitere Information des Vermieters als grobes Verschulden nicht ausschließend zu werten, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
[12] 7. Die Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)