European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00189.23I.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:
„Urkunden
1 Kaufvertrag vom 27.02.2023
2 Standesurkunden vom 30.03.1994
3 Teillöschungserklärung (H* K*) vom 30.03.2023
4 Gutachten vom 16.06.2020
Bewilligt wird
1 in EZ * KG *
die Löschung C‑LNR 8
8a 6155/2013
WOHNUNGSGEBRAUCHSRECHT
gemäß Punkt V. Übergabsvertrag 2013-06- 28 für H* K* geb. *
b 10206/2017 VORRANG von LNR 9 vor 8
c 9233/2018 VORRANG von LNR 10 vor 8
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 3
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 4
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 5
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 6
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 7
hinsichtlich Anteil gemäß Pkt. 2, Zeile 8
Löschung des Wohnungsgebrauchsrechtes der H* K* hinsichtlich der entstehenden Anteile aus Begehren Pkt. 2, Zeile 3, 4, 5, 6, 7, 8, unter Fortbestand des Wohnungsgebrauchsrechtes bei den entstehenden Anteilen aus Begehren Pkt. 2, Zeile 1 und 2.
2 in EZ * KG *
5 ANTEIL: 1/2
A* H*
GEB: * ADR: * *
a 3386/2023 IM RANG 1970/2023 Kaufvertrag 2023-02-27 Eigentumsrecht
6 ANTEIL: 1/2
R* H*
GEB: * ADR: * *
a 3386/2023 IM RANG 1970/2023 Kaufvertrag 2023-02-27 Eigentumsrecht
die Eintragung
1 zu 121/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 5)
Wohnungseigentum an Top 1
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
2 zu 121/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 6)
Wohnungseigentum an Top 1
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
3 zu 106/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 5)
Wohnungseigentum an Top 2
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
4 zu 106/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 6)
Wohnungseigentum an Top 2
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
5 zu 15/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 5)
Wohnungseigentum an Top 3
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
6 zu 15/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 6)
Wohnungseigentum an Top 3
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
7 zu 46/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 5)
Wohnungseigentum an Top 4
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
8 zu 46/576 der Liegenschaft (aus B‑LNR 6)
Wohnungseigentum an Top 4
Verbindung der Anteile gem. § 5 Abs 3, § 13 Abs 3 WEG 2002
und in der Aufschrift WOHNUNGSEIGENTUM.
Verständigt werden:
1) Mag. C* F*,
*
2) H* K*,
*
3) Stadt V*
4) Finanzamt Österreich, *“
Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Begründung:
[1] Die Antragsteller sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft. Sie haben diese mit „Kaufvertrag sowie Wohnungseigentumsvertrag“ vom 27. 2. 2023 gekauft und in diesem Vertrag auf Basis eines bestimmt bezeichneten Nutzwertgutachtens Wohnungseigentum begründet, und zwar an allen Wohnungseigentumsobjekten (den Wohnungen Top 1 und Top 2 sowie den Garagen Top 3 und Top 4) jeweils in Form einer Eigentümerpartnerschaft.
[2] Mit Teillöschungserklärung vom 30. 3. 2023 hat die ob der gesamten Liegenschaft eingetragene Wohnungsgebrauchsberechtigte der Löschung ihres Wohnungsgebrauchsrechts hinsichtlich der Wohnung Top 2 sowie der Garagen Top 3 und 4 zugestimmt, dies unter Fortbestand ihres Wohnungsgebrauchsrechts an der Wohnung Top 1.
[3] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 17. 5. 2023 wurde der gesonderte Antrag der Antragssteller auf Löschung diverser Pfandrechte sowie Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragsteller je zur Hälfte bewilligt.
[4] Unter Vorlage des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags, der Heiratsurkunde, des Nutzwertgutachtens sowie der Teillöschungserklärung der aus einem Wohnungsgebrauchsrecht Berechtigten stellen die Antragsteller nun den Antragauf Einverleibung des Wohnungseigentums entsprechend der vertraglichen Vereinbarung und teilweise Löschung des Wohnungsgebrauchsrechts unter Fortbestand dieses Rechts (nur mehr) an der Wohnung Top 1.
[5] Das Erstgerichtwies diesen Antrag ab.
[6] Die Voraussetzung zur Begründung von Wohnungseigentum sei nicht gegeben, weil die Hälfteeigentümer nach dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertragjeweils an allenWohnungseigentumsobjekten als Eigentümerpartner gemeinsam Eigentümer seien. Die Miteigentümer seien bei sämtlichen Wohnungseigentumsobjekten idente Partner. Das komme dem Umstand gleich, als hätten die Eigentümer Wohnungseigentum mit sich selbst begründet.
[7] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
[8] Zwei Miteigentümer könnten Wohnungseigentum nicht in der Form begründen, dass sie beide als Eigentümerpartner Eigentümer sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft werden, also ein und dieselbe Eigentümerpartnerschaft sämtliche Wohnungseigentumsobjekte zugeordnet erhalte.
[9] Das Erstgericht habe diese Möglichkeit im Wesentlichen mit dem Verweis auf die damit gegebene Eigentümeridentität verneint. Das Rekursgericht teile diese Auffassung im Ergebnis, zumal § 2 WEG gerade die Einräumung eines die übrigen Miteigentümer ausschließenden, alleinigen dinglichen Nutzungsrechts voraussetze. Es müssten sich also Vertragspartner gegenüberstehen, die sich wechselseitig das Recht auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über ein bestimmtes Wohnungseigentumsobjekt einräumen. Dies sei aber gerade nicht der Fall, wenn ausschließlich zwei Eigentumspartner, die nach außen eine Einheit bildeten und quasi als ein Eigentümer angesehen würden, Eigentümer sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte einer Liegenschaft werden sollen.
[10] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Der Oberste Gerichtshof habe die Frage der Zulässigkeit der Wohnungseigentumsbegründung durch eine einzige Eigentümerpartnerschaft noch nicht behandelt. Die Klärung dieser über den konkreten Einzelfall hinaus wesentlichen Rechtsfrage sei umso notwendiger, als es gewichtige Argumente gegen den vom Rekursgericht vertretenen Standpunkt gebe. Dafür, dass auch eine Eigentümerpartnerschaft allein Wohnungseigentum an allen Wohnungseigentumsobjekten einer Liegenschaft begründen könne, spreche abgesehen vom hier vorliegenden Umstand, dass die potentiellen Partner bereits ideelle Miteigentümer der Liegenschaft (insoweit also auch bereits zwei Miteigentümer vorhanden) seien, das Argument, wonach selbst dem Alleineigentümer die Möglichkeit offen stehe, vorläufiges Miteigentum nach den Grundsätzen des 10. Abschnitts des WEG 2002 zu begründen, die Anwendung der Bestimmungen über die Eigentümerpartnerschaft aber für diese Konstruktion in § 48 Z 2 WEG ausdrücklich ausgeschlossen werde. Dies hätte im Ergebnis eine Schlechterstellung der Eigentümerpartner gegenüber dem Alleineigentümer zur Folge. Nach dem Verständnis von Prader (in WEG6.05 § 5 E 1) könne auch die Entscheidung 5 Ob 18/94 für die Zulässigkeit von Begründung von Wohnungseigentum „nur“ von Eigentumspartnern unter gleichzeitiger Begründung einer Eigentümerpartnerschaft ins Treffen geführt werden.
[11] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und dem Antrag stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
[13] 1. Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG). Die Eigentümerpartnerschaft ist dabei die Rechtsgemeinschaft zweier natürlicher Personen, die gemeinsam Wohnungseigentümer eines Wohnungseigentumsobjekts sind (§ 2 Abs 10 WEG).
[14] Das Wohnungseigentum ist demnach die untrennbare Verbindung eines ideellen Miteigentumsanteils an der Liegenschaft mit einem ausschließlichen, servitutsähnlichen Nutzungsrecht an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt (RS0081766). Der einzelne Wohnungseigentümer ist Miteigentümer der gesamten Liegenschaft. Mit der Begründung von Wohnungseigentum erhält der Wohnungseigentümer das dingliche Recht, das ihm zugewiesene Objekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (3 Ob 173/21v mwN). Dieses Nutzungsrecht ist mit dem Miteigentumsanteil untrennbar verbunden (§ 11 WEG) und nur als Einheit Gegenstand des Rechtsverkehrs (5 Ob 238/18p; 5 Ob 217/17y; RS0081766 [T2]).
[15] 2. Wohnungseigentum ist im Verhältnis zum schlichten Miteigentum kein quantitatives „Mehr“, sondern ein Aliud (5 Ob 217/17y; RS0081766 [T3]; RS0110336 [T1]; RS0041056 [T1]). Wohnungseigentum ist aber insofern eine Weiterentwicklung des Miteigentums, als es Miteigentum voraussetzt und zwingend Miteigentum enthält (Terlitza, Miteigentum und Wohnungseigentum – Parallelwelten [2021] S 38 mwN).
[16] Die Begründung von Wohnungseigentum setzt demnach – bestehendes oder wenigstens gleichzeitig erworbenes – Miteigentum an der betreffenden Liegenschaft notwendigvoraus. Das Wohnungseigentum kann nur von einem Miteigentümer erworben werden, dessen Anteil dem Mindestanteil entspricht. Zwei natürliche Personen, deren Miteigentumsanteile je dem halben Mindestanteil entsprechen, können als Eigentümerpartnerschaft gemeinsam Wohnungseigentum erwerben (§ 5 Abs 1 WEG).
[17] Von einem Alleineigentümer kann Wohnungseigentum nicht begründet werden (5 Ob 64/95; RS0083036). Das gilt auch in Ansehung der mit dem WEG 2002 neu geschaffenen Regelungen über das „Vorläufige Wohnungseigentum des Alleineigentümers“ (§§ 45–51 WEG). Der Alleineigentümer vermag nämlich nicht „echtes“, sondern bloß vorläufiges Wohnungseigentum (als Vorstufe „echten“ Wohnungseigentums) zu begründen. Erst bei Hinzutreten eines weiteren Miteigentümers geht dieses in „echtes“ Wohnungseigentum über (Terlitza, Miteigentum und Wohnungseigentum S 38 FN 214 mwN).
[18] 3. Zur Begründung einer Eigentümerpartnerschaft müssen die Partner Miteigentümer, und zwar Eigentümer je eines halben Mindestanteils sein (§ 13 Abs 2 Satz 1 WEG). Das für die Begründung von Wohnungseigentum notwendig vorausgesetzte Miteigentum ist daher gegeben.
[19] Das gemeinsame Wohnungseigentum von Eigentümerpartnern kann gleichzeitig an mehreren Wohnungseigentumsobjekten bestehen (5 Ob 18/94 [Ehegatten-Wohnungseigentum]). Wohnungseigentum kann, wie der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 18/94 zu einer entsprechenden, mit der hier zu beurteilenden vergleichbaren Fallkonstellation bereits entschieden hat, schon so begründet werden, dass alle Wohnungseigentumsobjekte derselben Eigentümerpartnerschaft zugewiesen werden. Wohnungseigentum kann in diesem Sinn auch „nur“ von Eigentumspartnern, also von zwei Miteigentümern bei gleichzeitiger Begründung einer Eigentümerpartnerschaft an mehreren, auch allen Objekten begründet und einverleibt werden (5 Ob 18/94, wobl 1995, 56/30 [zust Pittl]; vgl auch dendazuvon Prader in WEG6.05 § 5 E 1 gebildeten Rechtssatz sowie Höllwerth in Hausmann/Vonkilch WEG5 § 45 WEG Rz 5).
[20] Die Unmöglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum durch einen Alleineigentümer, auf die die gegenteilige Argumentation der Vorinstanzen aufbaut, folgt aus deruntrennbaren Verbindung des Wohnungseigentums mit dem Miteigentum. Dieser konzeptionelle Grund steht der Begründung von Wohnungseigentum durch eine jeweils idente Eigentümerpartnerschaft (als einer Rechtsgemeinschaft zweier Miteigentümer) nicht entgegen. Auch der zweite das Wesen des Wohnungseigentums bestimmende Aspekt der Einräumung eines Rechts auf ausschließliche Nutzung und alleinige Verfügung über ein bestimmtes Wohnungseigentumsobjekt erfordert es nicht, dass zumindest ein Wohnungseigentumsobjekt einem der Miteigentümer allein oder einer „anderen“ Eigentümerpartnerschaft zugewiesen werden muss. Das ausschließliche Nutzungsrecht an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt ist schließlich nicht mit der Person des Miteigentümers sondern mit dem Miteigentumsanteil (Mindestanteil) untrennbar verbunden (vgl RS0081766). Abgesehen davon, ließe sich das Ergebnis einer Wohnungseigentumsbegründung nur durch eine idente Eigentümerpartnerschaft im konkreten Fall ohne weiteres dadurch erzielen, dass die Antragsteller zunächst ihr schlichtes Miteigentum in Wohnungseigentum mit jeweils alleinigen Verfügungsrechten an den Wohnungseigentumsobjekten umwandeln und nach Verbücherung dieses Vorgangs jeweils die Hälfte ihrer Mindestanteile dem anderen zwecks Begründung entsprechender Eigentümerpartnerschaften an allen Wohnungseigentumsobjekten übertragen. Es ist nicht einzusehen, warum dies nicht durch einen einzigen Vertrag möglich sein sollte (vgl 5 Ob 18/94).
[21] 4. Da den Begehren auch sonst keine Eintragungshindernisse entgegenstehen, war dem Revisionsrekurs Folge und dem Antrag der Antragsteller statt zu geben.
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