OGH 5Ob174/22g

OGH5Ob174/22g25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S * AG, *, vertreten durch MMag. Dr. Alexander Spunda, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. Juli 2022, GZ 38 R 30/22a‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00174.22G.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass die Befristungsklausel des zwischen ihr und der Beklagten am 21. 12. 2018 abgeschlossenen Mietvertrags nicht durchsetzbar und das Mietverhältnis unbefristet sei.

[2] Dieser Mietvertrag enthält in Pkt II.1) folgende Befristungsregelung: „Das befristete Mietverhältnis beginnt am 1.4.2019 und endet (automatisch) wie auf Seite 1 vereinbart, am 31.3.2029, ohne dass es einer gesonderten Aufkündigung bedarf.“ Auf der Seite 1 des Mietvertrags finden sich folgende Angaben: „Mietbeginn: 01.April 2019“ und unmittelbar darunter „Mietende: 31.3.2029 (Mietvertragsdauer 10 Jahre befristet)“.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

[4] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Der Mietvertrag wird (nur dann) durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, wenn schriftlich vereinbart wurde, dass er durch den Ablauf der bedungenen Zeit erlischt (§ 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG). Dieses Erfordernis erfüllt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann. Dies ist der Fall, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunktes und der Mietdauer eindeutig festgelegt ist (RIS‑Justiz RS0070201). Die Befristung ist demnach durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin unzweifelhaft bestimmt ist (RS0090569 [T1, T8]). Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (RS0070201 [T4]; RS0090569 [T3]).

[6] 2. Die Auslegung des Inhalts einer konkreten vertraglichen Beziehung ist – auch unter dem Aspekt der Bestimmung des Endtermins eines Mietvertrags – von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und bildet grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine solche läge nur vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (9 Ob 11/21i; 5 Ob 123/17z mwN).

[7] 3. Eine solche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts kann die Revisionswerberin nicht aufzeigen.

[8] In dem hier zu beurteilenden Mietvertrag ist der unbedingte Endtermin in der Urkunde sowohl durch das Datum als auch durch die Angabe des Anfangszeitpunkts und der Mietdauer bestimmt. Auf der Seite 1 sind der „Mietbeginn“ und das „Mietende“ durch Angabe des Datums festgelegt, im Pkt II.1) der Beginn des Mietverhältnisses und dessen Ende. Auf der Seite 1 findet sich bei diesen Angaben– in Klammern – zusätzlich die mit diesen Daten korrespondierende Befristungsdauer. Die Klägerin sieht darin eine widersprüchliche und daher unklare Befristungsklausel, weil ihr als Mieterin in den ersten drei Monaten nach dem nominellen Mietbeginn der Gebrauch des Mietobjekts nicht überlassen worden sei und sie bis dahin vereinbarungsgemäß auch keinen Anspruch auf Gebrauchsüberlassung gehabt habe. Ausgehend von dem richtigen Mietbeginn mit Ablauf dieser ersten drei Monate endet die 10‑jährige Vertragsdauer daher nicht, wie im Mietvertrag angeführt, am 31. 3. 2029, sondern tatsächlich erst am 30. 6. 2029.

[9] Das Berufungsgericht kam in Auslegung dieser Befristungsvereinbarung – zusammengefasst – zu dem Ergebnis, dass die Parteien durch die datumsmäßige Bestimmung des Tages des Beginns des Mietverhältnisses den Zeitpunkt des Beginns des Fristenlaufs definierten und dieser Mietvertragsbeginn nach den diesbezüglichen vertraglichen Regelungen nicht zwingend mit der Gebrauchsüberlassung einhergehen musste. In Konsequenz dessen stimmen das Datum des Endtermins und dessen Bestimmung durch die Angabe der Mietvertragsdauer und des Anfangszeitpunkts überein.

[10] Diese ausführlich begründete Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Schließlich kommt auch aus den Regelungen über die Erstreckung der Übergabe („nicht am Tag des Mietvertragsbeginns“, „bis längstens nach Mietvertragsbeginn“) deutlich hervor, dass die Parteien den fristauslösenden Beginn des Mietverhältnisses bzw den „Mietbeginn“ nicht mit dem Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung gleichgesetzt haben und auch nicht gleichsetzen wollten.

[11] Das Berufungsgericht verweist zudem darauf, dass der Endtermin jedenfalls durch das fixe Datum bestimmt sei, also offenbar ohnedies nur dieses Datum der ausschlaggebende Faktor für die Befristungsdauer sei. Dass damit die Mietvertragsdauer im Hinblick auf die Zusatzvereinbarung betreffend die möglicherweise spätere Gebrauchsüberlassung (ungeachtet des in Klammer gesetzten Hinweises auf der Seite 1) nicht von vornherein bestimmt, sondern flexibel vereinbart sein soll, schadet der Durchsetzbarkeit des Endtermins ja nicht, weil für die Vermietung von Geschäftsräumen nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG keine zeitlichen Befristungsbeschränkungen bestehen.

[12] Auch diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Wesentlich ist, dass dem Mieter noch vor der vertraglichen Bindung eindringlich vor Augen geführt wird, dass er sich auf einen Zeitmietvertrag einlässt. Konnte sich der Mieter, entsprechend der Intention des Gesetzgebers, darauf einstellen und musste er davon ausgehen, dass das Mietverhältnis ohne sein weiteres Zutun zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde, ist der Endtermin ausreichend bestimmt (vgl 6 Ob 124/20h). Daran ändern die im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen im Zusammenhang mit der offenbar absehbaren Verzögerung der Gebrauchsüberlassung und der Umstand, dass diese auch schlagend wurden, nichts. In der Einräumung einer Hauptmietzinsfreistellung bei gleichzeitigem Verzicht auf darüberhinausgehende Ansprüche aus der Erstreckung der Übergabe liegt keine befristungsschädliche Vereinbarung, weil der Mieter zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber bleibt, dass der Mietvertrag dennoch zum vereinbarten Mietende abläuft und er sich darauf auch einstellen konnte.

[13] 4. Die außerordentliche Revision war somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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