OGH 5Ob171/24v

OGH5Ob171/24v14.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr, den Hofrat Dr. Steger und die Hofrätin Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. P*, 2. Mag. M*, beide vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. M*, 2. M*, beide vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über die „außerordentliche Revision“ der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Juli 2024, GZ 38 R 41/24x‑16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 27. Dezember 2023, GZ 9 C 65/23w‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00171.24V.1114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger und die Erstbeklagte sind jeweils Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum, wobei den Klägern das ausschließliche Nutzungsrecht am ObjektW 3, der Erstbeklagten jenes an den ObjektenW 1 und W 2 zukommt. Das Objekt W 2 samt Gartenanteil hat die Erstbeklagte an den Zweitbeklagten zum Betrieb einer Praxis für Physiotherapie, Osteopathie und ähnliche Gesundheitsberufe vermietet.

[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagten, die Benutzung des Wohnungseigentumsobjekts W 2 samt Garten auf andere Weise als zu Wohnzwecken zu unterlassen.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteigt und die Revision daher jedenfalls unzulässig sei.

[4] Dagegen richtet sich das als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel der Beklagten, die dessen Zulässigkeit damit begründen, dass ein Bewertungsausspruch wegen eines nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstands unterbleiben hätte müssen: jedenfalls sei die Bewertung durch das Berufungsgericht offenkundig zu gering. Sie beantragen die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

[6] 1. Das Berufungsgericht hat hier iSd § 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR nicht übersteigend bewertet. Eine ausdrückliche Begründung dazu lieferte es zwar nicht, aus der Aktenlage ist aber ableitbar, dass es sich dabei an der Angabe des Interesses der Kläger an der von ihnen begehrten Unterlassung laut Klage orientierte, das diese mit 5.000 EUR ansetzten. Entgegen der Auffassung der Revisionswerber war dieser Ausspruch auch erforderlich.

[7] 2. Zwar hat ein Bewertungsausspruch bei Verletzung höchstpersönlicher Rechte, die einer Bewertung durch Geld nicht zugänglich sind, zu unterbleiben (RS0042418 [T7, T9]; 6 Ob 148/00h [Unterlassungsansprüche nach dem DSG]; 2 Ob 82/08k [Anspruch auf Unterlassung des persönlichen Verkehrs]). Nicht als höchstpersönlich und einer Bewertung daher zugänglich wurden demgegenüber Ansprüche nach § 97 ABGB (3 Ob 689/82), nach § 1330 ABGB (7 Ob 1515/85), nach § 78 UrhG (4 Ob 83/10z) und Ansprüche nach dem BGStG (4 Ob 157/23a) angesehen. Zu 5 Ob 102/15h ging der Fachsenat in einem ebenfalls auf Unterlassung widmungswidriger Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts gerichteten Streitverfahren von der Notwendigkeit eines Bewertungsausspruchs und von einer Bindung an den dort vorgenommenen Ausspruch des Berufungsgerichts aus. Selbst im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach dem WEG betreffend die Duldung von Änderungen liegt nach § 16 Abs 2 und 3 WEG gemäß § 52 Abs 2 iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG immer ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vor.

[8] 3. Auch hier geht es nicht um höchstpersönliche Rechte der Kläger, die einer Bewertung in Geld gar nicht zugänglich wären, sondern Unterlassungsansprüche aus ihrer Stellung als Wohnungseigentümer, die vermögensrechtlicher Natur sind und daher einer Bewertung durch das Berufungsgericht bedurften.

[9] 4. Bei dieser Bewertung war das Berufungsgericht an die Bewertung der Kläger nach § 56 Abs 2 JN tatsächlich nicht gebunden (RS0043252; vgl RS0042296). Allerdings ist dieser Bewertungsausspruch grundsätzlich unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend (RS0042385; RS0042410), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt, eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen oder eine Bewertung hätte überhaupt unterbleiben müssen (RS0042450 [T8]; RS0109332; RS0042410 [T28]).

[10] 5. Das Berufungsgericht kann den Entscheidungsgegenstand zwar nicht willkürlich festsetzen, es steht ihm aber – soweit die Bewertung nicht zwingend vorgegeben ist – ein Ermessensspielraum offen. Sein Ermessen ist ein gebundenes Ermessen, das sich an den für die Bewertung des Streitgegenstands normierten Grundsätzen zu orientieren hat (5 Ob 102/15h). Das Berufungsgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen; nur wenn eine solche Fehlbeurteilung offenkundig ist, wäre der Oberste Gerichtshof daran nicht gebunden (RS0118748).

[11] 6. Die Beklagten können mit ihrer Argumentation eine Überschreitung des Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands nicht aufzeigen. Der bloße Hinweis auf Verfahren zwischen anderen Wohnungseigentümern, die auf Unterlassung widmungswidriger Änderungen gerichtet waren und in denen eine Bewertung mit mehr als 5.000 EUR erfolgte, reicht dafür nicht aus. Wie die ebenso einen Unterlassungsanspruch zwischen Wohnungseigentümern betreffenden Entscheidung 5 Ob 102/15h ausdrücklich betont, ist für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands das objektive Interesse der konkreten Kläger an der Unterlassung der von ihnen beanstandeten Wohnungsnutzung durch die Beklagten maßgeblich. Dieses Interesse haben die Kläger hier ausdrücklich mit 5.000 EUR bewertet (es geht nicht um einen Zweifelsstreitwert nach § 56 Abs 2 JN). Wenn sich das Berufungsgericht an dieser Bewertung orientierte, kann von einer offenkundigen Unterbewertung keine Rede sein.

[12] 7. Da somit der Wert des Entscheidungsgegenstands nach dem hier jedenfalls vorzunehmenden und bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts 5.000 EUR nicht übersteigt, ist die Revision jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen.

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