Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin war Mieterin eines Geschäftslokals. Nach dem mit Schreiben vom 15. 1. 2001 angezeigten Erwerb aller Geschäftsanteile der Antragstellerin durch die J***** AG hat die Antragsgegnerin den monatlichen Hauptmietzins auf 70.955 Schilling erhöht. Der Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Bestandobjekts war zum Anhebungsstichtag (1. 1. 2001) sehr gut. Das Geschäftslokal liegt im innersten Stadtkern Wiens an einer Straße, die schon seit 100 Jahren als sehr gute Verkaufs- und Handelsstraße gilt. Im Straßenzug bestehen ca 73 Geschäftslokale, davon 9 Buchhandlungen („Bücherstraße"). Die Passantenfrequenz war laut einer Zählung im Jahr 2000 gleichbleibend bis leicht ansteigend und erreichte mit einer täglichen Passantenfrequenz von 24.351 den 19. Platz unter den frequenzstärksten Straßen Wiens. Sichtbarkeit und Erreichbarkeit des Geschäftslokals mit dem Pkw sind sehr gut. Es handelt sich um eine Innercity-Seitenlage zu den Haupteinkaufsstraßen mit starker bis sehr guter Fußgängerfrequenz, hoher Kaufkraft und gutem Branchenmix sowie zahlreichen Gastronomieangeboten.
Die Antragstellerin betrieb im Geschäftslokal eine juristische Fachbuchhandlung, welche auf deren Homepage als größte juristische online-Buchhandlung Österreichs mit 9.432 lieferbaren juristischen Büchern beworben wird. Im Jänner 2001 setzte sich das Warensortiment etwa zur Hälfte aus fremdsprächiger und zur Hälfte aus juristischer Literatur zusammen.
Zum Anhebungsstichtag (1. 1. 2001) war für ein dem Bestandobjekt nach Größe, Art, Beschaffenheit, Ausstattungs- und Erhaltungszustand vergleichbares Geschäftslokal in sehr guter Stadtlage ein monatlicher Hauptmietzins von 75.750 Schilling nachhaltig erzielbar; daraus folgt unter Berücksichtigung der von der Mieterin vorgenommenen Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstands zum Stichtag ein angemessener Hauptmietzins von 49.237,50 Schilling (= 3.578,23 Euro).
Das Erstgericht stellte den gemäß § 12a Abs 2 iVm § 16 Abs 1 MRG angemessenen monatlichen Nettohauptmietzins für das Geschäftslokal mit 49.237,50 Schilling (= 3.578,23 Euro) fest; eine Reduktion des Hauptmietzinses wegen „der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit" (§ 12a Abs 2 MRG; „Branchenabschlag") nahm das Erstgericht nicht vor.
Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und gab deshalb dem von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 Euro und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht teilweise von der höchstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 323/98f = WoBl 1999/58, [Hausmann] = MietSlg 51.273/4 = RdW 1999, 340 = immolex 1999/93, abgewichen wie folgt.
Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, die einen Aufhebungsantrag stellt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts - liegen die in § 62 Abs 1 AußStrG nF iVm (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) normierten Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht vor, weil die Entscheidung des Rekursgerichts den vom erkennenden Senat zu § 12a Abs 2 MRG („Branchenabschlag") entwickelten Grundsätzen folgt und die zu beurteilende (seinerzeitige) Geschäftstätigkeit der Antragstellerin ganz spezifische Besonderheiten aufweist, die keine richtunggebende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ermöglichen; dies ist gemäß § 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG nF (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) - kurz - wie folgt darzustellen:
1. Die gesetzliche Anordnung, bei Festsetzung des angemessenen Mietzinses auf die Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit Rücksicht zu nehmen, erfolgte primär zur Vermeidung sozialer Härten, vor allem im Bereich ertragsarmer Branchen und zur Sicherung der Nahversorgung (5 Ob 109/97h = SZ 70/74 mit Hinweisen zu Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien). Der besondere Schutz der Mietzinsregelung des § 12a Abs 2 MRG ist daher vorrangig jenen kleingewerblichen Nahversorgern zugedacht, die Sachgüter und Dienstleistungen des täglichen Lebens bereitstellen, also Grundbedürfnisse der Bevölkerung abdecken (5 Ob 108/00v = immolex 2000/198 = WoBl 2001/65 mwN).
2. Die Mietzinsbegünstigung kann im Einzelfall auch Branchen zugutekommen, die nicht zum Kreis typischer „Nahversorger" gehören, sofern nur ausreichend dargetan ist, dass auch diesen die vom Gesetzgeber geforderte soziale Rücksichtnahme gebührt (RIS-Justiz RS0107998[T4]; RS0107999[T3]). Die bloße Sicherung bestimmter Geschäftszweige, die zwar der Angebotsvielfalt („Branchenmix") dienen, jedoch eine soziale Komponente zugunsten einer breiten Bevölkerungsschicht vermissen lassen, rechtfertigt eine Mietzinsreduktion selbst dann nicht, wenn es sich um eine ertragsschwache Branche handelt (RIS-Justiz RS0107998[T7]; RS0107999[T8]). Dabei ist es jedenfalls nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs für jede einzelne Branche zu untersuchen, ob eine Mietzinsreduktion gemäß § 12a Abs 2 MRG möglich ist (5 Ob 84/01s); vielmehr wird bei der Beurteilung der Frage, ob die vom Mieter im Mietobjekt ausgeübte Geschäftstätigkeit eine solche Versorgungskomponente aufweist, die die Zuerkennung der vom Gesetzgeber geforderten sozialen Rücksichtnahme auf eine bestimmte Branche rechtfertigt, den Gerichten ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der die Möglichkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs auf die Korrektur grober Beurteilungsfehler einschränkt (5 Ob 294/03a).
3. Die Antragstellerin argumentiert, dem Bucheinzelhandel habe der Wiener Gemeinderat die Nahversorgungsfunktion bestätigt, diese Branche sei auch im Nahversorgungskatalog des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds gelistet und sowohl der Buchhandel im Allgemeinen als auch die Antragstellerin im Besonderen zeichneten sich durch Ertragsschwäche und eine kleinbetriebliche Organisationsstruktur aus. Auf diese Umstände kommt es jedoch nicht (mehr) an, wenn es bei der Antragstellerin (schon) an der für eine Mietzinsreduktion erforderlichen sozialen Komponente fehlt; gerade vom Fehlen dieser sozialen Komponente sind aber die Vorinstanzen bei der Antragstellerin ausgegangen und diese Rechtsansicht stellt jedenfalls weder eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar, noch steht sie mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 323/98f = WoBl 1999/58, [Hausmann] = MietSlg 51.273/4 = RdW 1999, 340 = immolex 1999/93, in Widerspruch:
4. Zu 5 Ob 323/98f hat der Oberste Gerichtshof den Buchhandel im Allgemeinen als ertragsschwach erkannt und der dortigen Mieterin auch eine gewisse Nahversorgungsfunktion unter dem Gesichtspunkt zuerkannt, dass „ .... die Bereitstellung eines möglichst umfassenden Aus- und Weiterbildungsangebotes, wie es gerade in Buchhandlungen zu finden ist, zu den wichtigsten sozialen Anliegen eines Gemeinwesens zählt .... (und) Buchläden eine wichtige Funktion bei der Befriedigung von Kultur- und Freizeitbedürfnissen (erfüllen) ....". Ein Warensortiment wie es allerdings die Antragstellerin hier zum Stichtag aufgewiesen hat, nämlich bestehend zur Hälfte aus fremdsprächiger und zur anderen Hälfte aus juristischer Literatur war im Vorverfahen - entgegen der Behauptung der Antragstellerin - genauso wenig Beurteilungsgegenstand wie deren besondere Konzentration auf den online-Buchhandel mit juristischen Werken. Ein stark fachspezifisch eingeschränktes Warensortiment auf fremdsprächige und juristische Literatur bietet aber naturgemäß eben nicht ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot, wie dies für den Bucheinzelhandel im Allgemeinen zutreffen mag und die Konzentration auf den online-Buchhandel stellt eine besondere Form der Bedienung überregionaler Nachfrage und gerade nicht der örtlichen Nahversorgung dar. Bei Berücksichtigung dieser spezifischen Organisationsstruktur der Antragstellerin stellt die Verneinung der für die Mietzinsreduktion erforderlichen sozialen Komponente durch die Vorinstanzen jedenfalls keine unvertretbare Rechtsansicht dar und widerspricht auch nicht den die Entscheidung 5 Ob 323/98f tragenden Grundsätzen.
Der Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.
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