OGH 5Ob160/21x

OGH5Ob160/21x20.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R*, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei „B*“ * GmbH, *, vertreten durch Mag. Herbert Nigl, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen 13.633,55 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Mai 2021, GZ 1 R 33/21f‑24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. November 2020, GZ 12 C 39/20b‑20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133357

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Mieter einer Wohnung im dritten Stock eines Hauses, das auf einer Liegenschaft errichtet ist, an der Wohnungseigentum besteht. Seine Vermieterin veräußerte den Rohdachboden des Gebäudes an die Beklagte zur Errichtung von vier Wohnungen, an denen ebenfalls Wohnungseigentum begründet wird. Die Beklagte beauftragte mit den Arbeiten Dritte. Nach der Entfernung des Daches kam es wegen Mängel an der provisorischen Abdeckung zu Wassereinbrüchen in die unter dem Dachgeschoß gelegene Wohnung des Klägers, waszu massiven Schäden auch an darin befindlichen Fahrnissen des Klägers führte.

[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz der ihm durch die Wassereintritte entstandenen, im Revisionsverfahren der Höhe nach nicht mehr strittigen Schäden.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte im Ergebnis das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts. Der Kläger könne sich zwar nicht auf aus dem Wohnungseigentumsvertrag abgeleitete Schutzpflichten zu seinen Gunsten berufen. Die Rechtsprechung anerkenne aber einen direkten Schadenersatzanspruch des Bestandnehmers gegen denjenigen, der Schäden am Bestandobjekt verursache. Passiv legitimiert sei für Ansprüche nach § 364a ABGB jeder, der die Beeinträchtigung herbeiführe. Den Arbeiten der Beklagten am Dachboden habe eine behördliche Bewilligung (Baugenehmigung) zugrunde gelegen, sodass der Kläger diese hinnehmen habe müssen. Schäden, wie die beim Kläger eingetretenen, seien geradezu typisch für solche Arbeiten. Ihm stehe daher ein Ausgleich nach dieser Gesetzesstelle zu. Die Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil ihm eine ausdrückliche Rechtsprechung, nach der einem Bestandnehmer gegen einen von seinem Bestandgeber verschiedenen Miteigentümer (Wohnungseigentümer) ein Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB für typische durch einen Dachgeschossausbau erfolgte Regenwasserschäden zustehen, nicht bekannt sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig:

[5] 1.1 Die Rechtsprechung bejaht in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 364a ABGB, wenn eine dieser Bestimmung vergleichbare Interessenlage gegeben ist (vgl RIS‑Justiz RS0010449 [T18]; RS0037182 [T1] ua). Das wird insbesondere in Fällen angenommen, in denen wegen des mit einer behördlichen Genehmigung verbundenen Anscheins der Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen eine Schadensabwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird (RS0010668 [zu Baubewilligungen]).

[6] 1.2 Seit der Entscheidung des verstärkten Senats zu 7 Ob 645/89 wird auch dem Bestandnehmer einer unbeweglichen Sache als bloß obligatorisch Berechtigtem das Recht eingeräumt, eine Unterlassungsklage gegen den Störer seines Bestandrechts geltend zu machen. Ihm steht daher grundsätzlich auch ein Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB zu (RS0010643). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass es sich bei Wassereintritten wegen einer ungenügenden Dachabdeckung im Zug des Ausbaus eines Dachbodens um Einwirkungen handelt, die für den Betrieb der „Anlage“ (dem behördlich genehmigten Ausbau) typisch sind (5 Ob 444/97b mwN), dh eine adäquat verursachte Folge dieser Arbeiten sind (RS0010670 [T4]).

[7] 1.3 Die Bejahung der Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung der Schäden, die ihm durch den Dachbodenausbau entstanden sind, entspricht damit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

[8] 2.1 Die Beklagte stellt diese Grundsätze auch nicht in Abrede, sondern meint, ihre Haftung gegenüber dem Kläger käme nicht zum Tragen, weil – zusammengefasst – sie sich als Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft auf das stärkere Recht berufen könne.

[9] 2.2 Ersatzpflichtig und damit passivlegitimiert ist der Störer und jeder dem die Immission wegen seiner Beziehung zum emittierenden Grundstück zugerechnet wird (Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364a Rz 20 [Stand 1. 7. 2016, rdb.at]). Es genügt, dass die Schädigung in irgendeiner Weise mit der Verfügungsmacht des Grundeigentümers zusammenhängt, sei es, dass dieser die Liegenschaft in den einen Schaden hervorrufenden Zustand versetzt oder in einem solchen belässt, sei es, dass er auf seiner Liegenschaft eine schadenstiftende Tätigkeit verrichtet oder deren Verrichtung durch Dritte duldet (RS0010448). Der Störer hat daher ein schädigendes Verhalten des von ihm mit einer Bauführung beauftragten Baumeisters und dessen Leute zu vertreten (RS0010519 [T3]). Auf ein Verschulden des Störers kommt es dabei nicht an (RS0010449 [T7]).

[10] 2.3 Es entspricht der Rechtsprechung, dass § 364 Abs 2 ABGB auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern ein- und desselben Hauses anwendbar ist, solange ein Wohnungseigentümer im Rahmen der Ausübung seines ausschließlichen Benützungsrechts an einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt Störungen verursacht (RS0010614 [T1]). Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch kann also auch zwischen Wohnungseigentümern ein- und desselben Hauses für eine von einem Wohnungseigentumsobjekt ausgehende Störung bestehen (RS0010603 [T1]).

[11] 2.4 Der Umstand, dass das emittierende und das beeinträchtigte Wohnungseigentumsobjekt Teil derselben Liegenschaft sind, steht der (analogen) Anwendung des § 364a ABGB daher nicht im Weg. Da dem Kläger als Mieter eines solchen Wohnungseigentumsobjekts wegen der ihm von der Rechtsprechung angenommenen „quasi-dinglichen“ Rechtsstellung Ansprüche nach dieser Gesetzesstelle zugebilligt werden, ergibt sich schon aus den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen, dass er sie auch gegen den Eigentümer der Liegenschaftsanteile geltend machen kann, mit denen Wohnungseigentum an dem Objekt verbunden ist, von dem die Störung ausgeht. Der Beklagte ist insoweit im Verhältnis zum Kläger nicht anders als jeder dritte Störer zu beurteilen. Da die in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Sachverhalten vertretenen Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden können, stellen sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine erheblichen Rechtsfragen (siehe nur RS0107773 [T3]).

[12] 3. Zu den übrigen Argumenten der Revisionswerberin:

[13] 3.1 Der Kläger begehrt den Ausgleich für die ihm durch die Wassereintritte entstandenen Nachteile und hat dazu bereits in seiner Klage auf die behördliche Bewilligung zum Dachbodenausbau und die sich daraus ergebende Verpflichtung der Beklagten Bezug genommen. Damit ist die Auslegung seines Vorbringens durch das Berufungsgericht im Einzelfall (dazu RS0042828) auch nicht zu beanstanden, das eine Einschränkung des Klageanspruchs allein auf den Rechtsgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder den des § 1318 ABGB nicht zu erkennen vermochte.

[14] 3.2 Werden nur dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zu Grunde lagen, rechtlich anders gewertet, liegt nach der Rechtsprechung keine Verletzung des § 182a ZPO vor (RS0120056 [T1; T13; T14]). Im Übrigen gibt die Revisionswerberin nicht zu erkennen, welches Tatsachenvorbringen sie konkret erstattet hätte, wenn – was ihrer Ansicht nach erforderlich gewesen wäre – mit ihr die Voraussetzungen für eine Haftung aus Nachbarrecht erörtert worden wären.

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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