Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs der Antragsteller zurückgewiesen.
Text
Begründung
Erst‑ und Zweitantragsteller sind Mit‑ und Wohnungseigentümner der Liegenschaft EZ 20095 GB ***** mit dem Grundstück 996.
Der Viertantragsteller ist grundbücherlicher Alleineigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ 20072 GB ***** mit dem Grundstück 998.
Nach ihrem Vorbringen haben der Erst‑ und der Drittantragsteller unter der Oberfläche der Grundstücke 996 und 998 eine Tiefgarage als vollkommen selbständigen Baukörper errichtet, woran gemäß § 300 ABGB wirtschaftlich gesondertes (Mit‑)Eigentum begründet werden soll.
Unter Vorlage der Vereinbarungen vom 21./27. 6. 2011 samt Nachtrag vom 30. 9./4. 10. 2011, einer „Ergänzenden Feststellung“ des Architekten DI G*****, von Grundrissplänen, einem Nutzwertgutachten sowie einer Bescheinigung des bezeichneten Architekten begehren die Antragsteller die Eröffnung einer neuen Grundbuchseinlage für die unter der Oberfläche der Grundstücke 996 und 998 gelegene Tiefgarage, die Ersichtlichmachung auf EZ 20095 und EZ 20072, dass der Keller (Tiefgarage) nicht zum Gutsbestand dieser Liegenschaften gehört, die Einverleibung des Kellereigentumsrechts für Erst‑ und Drittantragsteller sowie im Weiteren die Ersichtlichmachung von „Wohnungseigentum“ im Gutsbestandsblatt sowie die Aufteilung in bestimmte Anteile, die Einverleibung diverser Dienstbarkeiten und jeweils Ersichtlichmachung derselben.
Es bestehe keine Eigentümeridentität zwischen den Kellereigentümern und den Grundeigentümern, weshalb die Begründung von Kellereigentum nicht an der eigenen, sondern an der Liegenschaft „eines anderen“ iSd § 300 ABGB erfolge. So wie bei Bauführung am eigenen Grundstück wirksam Eigentum erworben werden könne, seien Grenzkataster und Grundbuchsmappe gemäß § 44 Abs 1 VermG richtigzustellen.
Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab. Für eine Einbücherung durch Anlegung einer neuen Grundbuchsanlage seien die Bestimmungen des AllgGAG anzuwenden. Ein Einbücherungsverfahren nach Bestimmungen des LiegTeilG sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Rechtliche Beurteilung
Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Gemäß § 300 ABGB idF der Grundbuchs‑Novelle 2008 könne mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers unter anderem an Tiefgaragen, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befänden und nicht der Fundierung von über der Erdbodenfläche errichteten Bauwerken dienen, gesondert Eigentum begründet werden. Damit solle die durch das Hofkanzlei‑Dekret vom 2. 7. 1832 bewirkte Rechtslage über den 31. 12. 2000 hinein aufrecht erhalten werden.
Wenn das Grundbuch durch Eintragung einer Liegenschaft zu ergänzen sei, finde § 65 Abs 1 AllgGAG Anwendung. Betreffe dies eine im Privateigentum stehende, bisher noch nicht im Grundbuch eingetragene Liegenschaft, sei das Einbücherungsverfahren amtswegig gemäß § 1 Abs 3 AllgGAG durchzuführen. Ein Antrag auf Einbücherung sei nicht vorgesehen. Ein solcher sei allerdings als Anregung zu beachten, den im AllgGAG normierten Amtspflichten nachzukommen (5 Ob 157/01a; RIS‑Justiz RS0115571). Der vorliegende Fall, dass nachträglich ein Objekt geschaffen wurde, an dem Kellereigentum begründet werden könne, sei dem Fall gleichzuhalten, dass hervorkomme, dass bei Anlegung des Grundbuchs eine aufzunehmende Liegenschaft übersehen worden sei (§ 22 AllgGAG; RIS‑Justiz RS0009888 = EvBl 1981/18).
Den Antragstellern komme daher kein Antragsrecht zu, dass betreffend der errichteten Tiefgarage ein eigener Grundbuchskörper geschaffen werde. Von Amts wegen werde das Erstgericht allerdings Erhebungen iSd § 65 Abs 1 AllgGAG aufzunehmen haben, inwiefern an der errichteten Tiefgarage Kellereigentum begründet werden könne. Anschließend seien diese Erhebungen dem zuständigen Oberlandesgericht vorzulegen, das über die Zulässigkeit des grundbücherlichen Ergänzungsverfahrens (§§ 35, 65 Abs 2 AllgGAG) zu entscheiden haben werde.
Zu Recht habe daher das Erstgericht die Anträge der Einschreiter abgewiesen. Weitere Anträge, die den Bestand eines neuen Grundbuchskörpers voraussetzten, seien verfrüht. Insofern liege kein verbesserbares Formgebrechen vor.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur neuen Rechtslage nach § 300 ABGB, insbesondere zur Errichtung einer Tiefgarage unter zwei getrennten Grundbuchskörpern und zur verfahrensrechtlichen Umsetzung von Kellereigentum nach dem AllgGAG fehle. Diesen Fragen komme erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu.
Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsteller ist eine der Entscheidung des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit wahrzunehmen:
1. Ist eine Tiefgarage, an der Kellereigentum begründet werden soll, erst nach der Grundbuchsanlegung entstanden, so ist zum Zwecke der Verbücherung das Verfahren zur Richtigstellung des Grundbuchs nach den Bestimmungen des AllgGAG einzuleiten (5 Ob 6/80 SZ 53/109 = JBl 1981, 266 [Hoyer] = RIS‑Justiz RS0009888). Nur wenn das Eigentum am Keller durch Eröffnung einer Grundbuchseinlage verbüchert wird, wird die Kelleranlage zur selbständigen unbeweglichen Sache (1 Ob 513/93 SZ 66/38).
2. Grundlage für die Verbücherung eines Kellers als eigener Grundbuchskörper war das Hofkanzlei‑Dekret vom 2. 7. 1832 über den Bestand der Keller‑Grundbücher. Durch das BRBG BGBl I 1999/191 wurde dessen Geltung bis 31. 12. 2009 befristet. Mit 1. 1. 2009 trat § 300 ABGB idF BGBl I 2008/100 in Kraft. Seither ist die Sonderrechtsfähigkeit von unterirdischen Räumen nach dieser Bestimmung zu beurteilen, wonach an Räumen und Bauwerken, die sich unter der Erdoberfläche der Liegenschaft eines anderen befinden und nicht der Fundamentierung von über der Erdoberfläche errichteten Bauwerken dienen, wie Kellern, Tiefgaragen etc, mit Einwilligung des Liegenschaftseigentümers gesondert Eigentum begründet werden kann.
Nach den Gesetzesmaterialien (RV 542 BlgNR XXIII. GP, 16 f) soll mit § 300 ABGB nF die durch das Hofkanzlei‑Dekret bewirkte Rechtslage über den 31. 12. 2009 hinaus aufrecht erhalten werden, wobei sich seine Formulierung zur Wahrung der Rechtskontinuität an den in der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verwendeten Formulierungen orientiere.
Gemäß Art VI Abs 2 der Grundbuchs-Novelle 2008 (BGBl I 100/2008) trat das Hofkanzlei‑Dekret vom 2. 7. 1932 bereits mit Ablauf des 31. 12. 2008 außer Kraft (Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht Kommentar, § 2 GBG Rz 10a).
3. Durch die mit der Grundbuchs-Novelle 2008 in Kraft gesetzte Bestimmung des § 300 ABGB nF wurde lediglich eine neue rechtliche Grundlage für die Zulässigkeit gesonderten Eigentumserwerbs von unter der Oberfläche einer Liegenschaft befindlichen Kellern oder Tiefgaragen geschaffen. Neue Regelungen für ein Einbücherungsverfahren, etwa solche, die Bestimmungen des LiegTeilG für die Einbücherung nutzbar hätten machen können, wurden nicht in Kraft gesetzt (vgl dazu Kuster, Katze aus dem Sack ..., ÖRPfl 2010 H 2, 49 [50]).
4. Es sind daher weiterhin die Bestimmungen des AllgGAG anzuwenden, wenn ein Grundbuch durch Eintragung einer Liegenschaft, die noch in keinem Grundbuch eingetragen war, ergänzt werden soll (§ 65 Abs 1 AllgGAG). Davon ist der erkennende Senat in der bereits zur neuen Rechtslage ergangenen Entscheidung 5 Ob 99/09h NZ 2010/753 (zust Hoyer) auch ausgegangen.
5. Dieses Grundbuchsanlegungs‑ und Ergänzungsverfahren ist ein außerstreitiges, gerichtliches Verfahren (RIS‑Justiz RS0049656), das vom Prinzip der Amtswegigkeit geprägt ist (§ 1 Abs 3 AllgGAG) und in dem nur die in § 62 AllgGAG taxativ aufgezählten Beschlüsse (RIS‑Justiz RS0049674 [T1]) einer Anfechtung unterliegen.
Sofern kein Fall des § 1 Abs 2 AllgGAG vorliegt, es sich also nicht um öffentliches Gut oder Gemeindegut handelt, besteht wegen der Amtswegigkeit der Einleitung des Einbüchungsverfahrens (§ 1 Abs 3 AllgGAG) kein durchsetzbarer privatrechtlicher Anspruch auf Wahrnehmung der gerichtlichen Amtspflicht zur Einbücherung von Liegenschaften. Ein Antrag auf Einbücherung eines Kellergrundstücks iSd § 300 ABGB ist nur als Anregung iSd § 22 AllgGAG zu verstehen (5 Ob 99/09h mwN).
Der Beschluss, mit dem das Erstgericht die Einbücherung ablehnt, ist daher nicht anfechtbar (wiederum 5 Ob 99/09h mit ausführlicher Begründung; 5 Ob 157/01a NZ 2002, 300).
Die meritorische Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den unzulässigen Rekurs war daher als Nichtigkeit wahrzunehmen und als Folge dessen der unzulässige Rekurs gegen die Entscheidung der ersten Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0115201; RS0042059; 1 Ob 156/06g; 5 Ob 116/08g).
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