OGH 5Ob1574/92(5Ob1575/92)

OGH5Ob1574/92(5Ob1575/92)27.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine U*****, Firmengesellschafterin, ***** Wien, Z*****gasse 6, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ludwig Josef U*****, Firmengesellschafter, ***** S*****, K***** 22, vertreten durch Dr.Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausschluß aus einer Kommanditgesellschaft infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 1992, GZ 4 R 49/92-59, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag der Revisionsgegner auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 3 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Ausschluß eines Gesellschafters kann immer nur die ultima ratio sein (GesRZ 1992, 41; vgl auch WBl 1992, 97). Dementsprechend streng sind die Anforderungen, die an die Verwirklichung eines Ausschließungsgrundes zu stellen sind. Ob er vorliegt, ist auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände zu entscheiden, wobei nicht zuletzt auch die Verdienste des auszuschließenden Gesellschafters für das Gemeinschaftsunternehmen sowie die von ihm zu gewärtigenden persönlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ausschlusses zu berücksichtigen sind (Karsten Schmidt aaO, RN 21 und 22 zu § 140 HGB). Selbst das Verhalten der anderen Gesellschafter ist zu prüfen (SZ 51/20). Darum kann die Berechtigung eines Ausschlußbegehrens gemäß § 140 HGB oder eines Übernahmebegehrens gemäß § 142 HGB immer nur an den Umständen des Einzelfalles gemessen werden (SZ 51/20; Karsten Schmidt aaO, RN 10 zu § 140 HGB).

Der Gesetzgeber hat diesem Problem dadurch Rechnung getragen, daß er den in §§ 133, 140 und 142 HGB angesprochenen "wichtigen Grund" nicht näher definierte, sondern dem Rechtsanwender einen Beurteilungsspielraum für die Konkretisierung des jeweiligen Auflösungs- bzw. Ausschließungsgrundes einräumte. Eine derartige Entscheidungsfindung berührt erhebliche Rechtsfragen nur dann, wenn Grundsätze der Judikatur und Lehre verlassen werden (vgl WBl 1992, 97).

Die von der Revisionswerberin aufgezeigten Gesichtspunkte lassen in diesem Licht erhebliche Rechtsfragen erkennen:

Wie die Auflösungsklage (§ 133 HGB) richtet sich auch die Ausschlußklage (§ 140 HGB) auf Rechtsgestaltung (Koppensteiner aaO, Rz 1 und 9 zu § 133 HGB sowie Rz 12 zu § 140 HGB). Der wichtige Grund iSd § 133 HGB ist somit ein prognostischer Tatbestand, dessen Verwirklichung nach der Sachlage bei Schluß der letzten Tatsachenverhandlung zu beurteilen ist (Karsten Schmidt aaO, RN 8 zu § 133 HGB). Wenn ein wichtiger Grund zunächst vorhanden war, dann aber aus irgendeinem Grund wegfällt, ist die Klage abzuweisen (Koppensteiner aaO, Rz 12 zu § 133 HGB). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht auf alle bis Schluß der Verhandlung in erster Instanz gewonnenen Verfahrensergebnisse Bedacht genommen. Diese Rechtslage ist so klar, daß sie keiner zusätzlichen Bekräftigung bedarf.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß Verstöße gegen ein Konkurrenzverbot zwar grundsätzlich schwerwiegende Pflichtverletzungen sind, die Besonderheiten des Einzelfalls aber doch gegen die Verwirklichung eines Ausschließungsgrundes sprechen können. Die in Judikatur und Lehre behandelten Fälle (SZ 29/51; Karsten Schmidt aaO, RN 35 zu § 140 HGB) bestätigen diese Ansicht, weil jeweils noch andere Verfehlungen herangezogen wurden, um die Ausschließung des betreffenden Gesellschafters zu rechtfertigen. Umso mehr sind Milderungsgründe zu berücksichtigen, die der auf Ausschließung geklagte Gesellschafter ins Treffen führen kann. Ein Judikaturgrundsatz, daß Verstöße gegen ein Konkurrenzverbot immer zum Ausschluß des betreffenden Gesellschafters aus der Gesellschaft führen müssen, besteht nicht und ließe sich aus der dargestellten Gesetzeslage auch nicht ableiten.

Richtig ist, daß den Gesellschafter eines Familienunternehmens besondere Treuepflichten treffen. Die verwandtschaftlichen Bindungen der Gesellschafter können jedoch einer Ausschließung auch entgegenstehen (vgl SZ 34/120). Das gilt beispielsweise für ein ererbtes Familienunternehmen, das nach dem Erblasserwillen die Lebensgrundlage aller verbliebenen Gesellschafter bilden soll (Karsten Schmidt aaO, RN 25 zu § 140 HGB). Letzteres trifft - in abgewandelter Form - auf den gegenständlichen Fall zu. Jene Argumente, mit denen die Revisionswerberin das Verhalten des Beklagten als undankbar und besonders verwerflich darzustellen versucht, können daher nur im Rahmen einer umfassenden Beurteilung aller maßgeblichen Umstände Berücksichtigung finden und wurden vom Berufungsgericht auch so behandelt.

Ähnliches gilt für die Abfindungsregelung im Gesellschaftsvertrag. Mag es auch zutreffen, daß diese Vertragsklausel für alle Gesellschafter in gleicher Weise gilt und den absoluten Vorrang der Gemeinschaftsinteressen vor den Interessen der einzelnen Gesellschafter dokumentieren sollte, so bleibt doch auch der Umstand beachtlich, daß dem Beklagten durch den Ausschluß aus der Gesellschaft schwerste Vermögenseinbußen drohen würden. Auf die Relevanz dieses Umstandes wurde bereits hingewiesen.

Schließlich kann die gebotene Würdigung aller Umstände nicht davor Halt machen, auch den mündlich oder konkludent erklärten Verzicht der Revisionswerberin auf die Einhaltung des dem Beklagten auferlegten Konkurrenzverbotes zu berücksichtigen. Die für Änderungen des Gesellschaftsvertrages geltende Schriftform ist dabei schon nach der Natur der Sache ohne Belang.

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