European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133212
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein Belastungsverbot gemäß § 7 Abs 3 Z 2 des oö Wohnbauförderungsgesetzes (oö WFG) zugunsten des Landes Oberösterreich einverleibt ist.
[2] Die Antragstellerin begehrte unter Vorlage eines Dienstbarkeitsvertrags die Einverleibung der Dienstbarkeit der Duldung der Straßenbeleuchtung samt elektrischer Versorgungsleitungen auf einem der Grundstücke ihrer Liegenschaft.
[3] Da sie dem Verbesserungsauftrag, eine grundbuchsfähige Zustimmungserklärung des Verbotsberechtigten zur Belastung vorzulegen, mit der Begründung nicht nachkam, das Belastungsverbot in wohnbauförderungsrechtlichen Vorschriften habe ausschließlich den Zweck, Baugrundstücke nur mit solchen Pfandrechten zu belasten, die der Sicherstellung von zur tatsächlichen Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenen Darlehen dienten, wies das Erstgericht den Grundbuchsantrag ab. Die Zustimmung des Verbotsberechtigten zur Belastung sei erforderlich.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Inhalt und Umfang eines gesetzlichen Veräußerungs‑ oder Belastungsverbots hätten sich am Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung zu orientieren, die diese Verbote normiert. § 7 Abs 3 oö WFG 1993 knüpfe die Gewährung der Förderung daran, dass der Förderungswerber – neben anderen Voraussetzungen – zum Zeitpunkt der Einbringung seines Ansuchens die Einverleibung eines Belastungsverbots zugunsten des Landes auf der zu verbauenden Liegenschaft nachweise. Die Bestimmung sei § 49 Abs 1 WFG 1984 nachgebildet worden. Der Zweck der in § 49 Abs 1 WFG 1984 geregelten Eigentumsbeschränkung des Belastungsverbots ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien. Das gesetzliche Belastungsverbot solle danach gewährleisten, dass Baugrundstücke nur mit solchen Pfandrechten belastet werden, die der Sicherstellung von zur tatsächlichen Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenen Darlehen dienen. Demnach sei eine Belastung nur aufgrund von Darlehen zulässig, die die Finanzierung des Bauvorhabens betreffen, was bei der Einverleibung einer Dienstbarkeit nicht der Fall sei. Dass auch eine vertragliche Dienstbarkeit vom Belastungsverbot ausgenommen sein sollte, ergebe sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien.
[5] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, höchstgerichtliche Rechtsprechung liege nur zur Eintragung eines exekutiven Pfandrechts bei dem einverleibten Belastungsverbot gemäß § 49 Abs 1 WFG 1984 vor, nicht aber zur Frage, ob das zugunsten des Landes Oberösterreich gemäß § 7 Abs 3 oö WFG 1993 einverleibte Belastungsverbot der Eintragung einer vertraglichen Dienstbarkeit entgegenstehe.
[6] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem sie die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin anstrebt, dass die beantragte Dienstbarkeit einverleibt werde.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[8] 1. Der erkennende Senat teilt die Erwägungen des Rekursgerichts, sodass vorweg auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 zweiter Satz AußStrG iVm § 126 Abs 3 GBG). Zu ergänzen bleibt:
[9] 2. Die Vorinstanzen haben zutreffend auf die ständige Rechtsprechung verwiesen (RIS‑Justiz RS0002534 [T4, T5]), dass Inhalt und Umfang eines gesetzlichen Veräußerungs‑ und Belastungsverbots am Zweck der jeweiligen gesetzlichen Regelung, die diese Verbote normiert, zu messen sind, so auch im Fall von Belastungs‑ und Veräußerungsverboten etwa nach dem WFG 1984. Maßgeblich ist hier daher Sinn und Zweck der Bestimmung des § 7 Abs 3 Z 2 oö WFG 1993, wonach eine Förderung nur gewährt werden darf, wenn der Förderungswerber zum Zeitpunkt der Einbringung seines Ansuchens die Einverleibung eines Belastungsverbots zugunsten des Landes auf der zu verbauenden Liegenschaft nachgewiesen hat, wobei das zuständige Grundbuchsgericht dieses Belastungsverbot auf Antrag des Eigentümers zugunsten des Landes einzuverleiben hat. Die Materialien des Landesgesetzgebers verweisen dazu auf die Vorbildbestimmung des § 49 WFG 1984 (Ausschussbericht Blg 360/1990 zum kurzschriftlichen Bericht des oö Landtags 23. GP 4).
[10] 3. Zu Sinn und Zweck der in § 49 Abs 1 WFG 1984 geregelten Eigentumsbeschränkung des Belastungsverbots hat der Fachsenat bereits zu 5 Ob 246/98g unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (ErlRV 246 BlgNR XVI. GP 35) – im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Belastung einer Liegenschaft mit einem exekutiven Pfandrecht zugunsten einer Abgabenverbindlichkeit – Stellung genommen. Demnach sollen die Bestimmungen über das gesetzliche Belastungsverbot gewährleisten, dass Baugrundstücke nur mit solchen Pfandrechten belastet werden, die der Sicherstellung von zur tatsächlichen Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommener Darlehen dienen. Daraus ergibt sich der Inhalt und der Umfang des gesetzlichen Belastungsverbots des WFG 1984, dessen Zweck es nicht ist, zwischen vertraglichen und exekutiven Pfandrechten zu unterscheiden. Daran ist festzuhalten. Zur Zulässigkeit der Belastung der Liegenschaft mit einer vertraglich vereinbarten Dienstbarkeit ist aber weder den Gesetzesmaterialien zu § 49 WFG 1984 noch dieser Entscheidung eine Aussage zu entnehmen.
[11] 4. Jegliche Gesetzesauslegung hat mit der Wortinterpretation zu beginnen, worunter die Erforschung des Wortsinns der Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Gesetzes nach dem Sprachgebrauch zu verstehen ist (RS0008896). Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen und zu versuchen, den Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv‑teleologische Interpretation). Der Auslegende hat die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Maßstäbe selbständig weiter und zu Ende zu denken (RS0008836). Die historische Auslegung, die Feststellung des Willens des geschichtlichen Gesetzgebers an Hand der Gesetzesmaterialien, bedarf besonderer Vorsicht, weil diese nicht Gesetz geworden sind und mit dem wahren Willen des Gesetzgebers nicht übereinstimmen müssen. Sie haben eine gewisse Vermutung der Richtigkeit für sich. Das Gesetz steht allerdings mit seinem Wortlaut, seiner Systematik und mit seinem Zusammenhang mit anderen Gesetzen über der Meinung der Redaktoren (RS0008776).
[12] 5. Die Antragstellerin meint aus dem Umstand, dass die Materialien zum WFG 1984 davon sprechen, Baugrundstücke dürften nur mit solchen Pfandrechten belastet werden, die der Sicherstellung zur tatsächlichen Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommener Darlehen dienen, ableiten zu können, der Gesetzgeber habe eine Einschränkung der Belastung mit Dienstbarkeiten nicht beabsichtigt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Materialien - die nicht Gesetz geworden sind - eine Aussage über Inhalt und Zweck des Belastungsverbots konkret nur in Bezug auf Pfandrechte treffen, für die sie eine – sich im Gesetzeswortlaut nicht wiederfindende – Ausnahme von der Unzulässigkeit einer Belastung nennen. Der von der Revisionsrekurswerberin aus dieser Passage der Materialien offenbar gezogene Umkehrschluss würde aber eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücke voraussetzen (RS0008870 [T1]), dass der Gesetzgeber einen ungeregelten Fall daher bewusst anders als den geregelten entschieden wissen will (RS0008870 [T7]). Eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücke in Bezug auf die Belastung mit Dienstbarkeiten ist aber aus der zitierten Passage der Gesetzesmaterialien zu § 49 Abs 1 WFG 1984 nicht ableitbar, zumal sich die dort genannte Ausnahme im Gesetzeswortlaut selbst nicht wiederfindet und die Materialien auch in dem Sinn verstanden werden könnten, dass jegliche Belastung an sich einer Zustimmung des Förderungsgebers bedarf, die dieser aber im Fall der dort genannten Ausnahme – Belastung mit einem Pfandrecht zur Sicherstellung eines zur Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenen Darlehens – nicht verweigern dürfte.
[13] 6. § 7 Abs 3 Z 2 oö WFG 1993 selbst spricht unmissverständlich von der Einverleibung eines Belastungsverbots als Voraussetzung für eine Förderung, ohne hinsichtlich der Art der Belastung zu unterscheiden. Regelmäßig wird der Zweck eines Belastungsverbots nach Wohnbauförderungsgesetzen – jedenfalls im Zusammenhang mit der Vergabe von Wohnbaudarlehen – auch darin liegen, die Werthaltigkeit der Liegenschaft und damit den Haftungsfonds zu sichern, indem dem Förderungsgeber die Möglichkeit geboten wird, einer beabsichtigten Belastung im Einzelfall zuzustimmen oder eben auch nicht. Zu bedenken ist überdies, dass auch die Verwertbarkeit der Liegenschaft an sich etwa für den Fall der Zwangsversteigerung bei – wenn auch nachrangiger – Belastung mit einer (in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmenden) Dienstbarkeit potentiell beeinträchtigt sein kann. Auch aus diesem Grund liegt Sinn und Zweck der Gesetzesbestimmung darin, den Förderungsgeber aufgrund des zwingend einzuverleibenden Belastungsverbots jedenfalls in eine beabsichtigte Belastung einbinden zu müssen.
[14] 7. Diese Auslegungwird auch durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu rechtsgeschäftlichen Belastungs‑ und Veräußerungsverboten nach § 364c ABGB gestützt, wonach diese der Verbücherung eines Pachtvertrags wegen der damit verbundenen Schmälerung der Haftungsgrundlage ebenso entgegenstehen (5 Ob 36/89) wie grundsätzlich der Begründung von Dienstbarkeiten (1 Ob 128/18g; 3 Ob 136/14t).
[15] 8. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass ausgehend von dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Bestimmung ein nach § 7 Abs 3 Z 2 oö WFG 1993 verbüchertes Belastungsverbot nicht nur der Eintragung von – nicht zur tatsächlichen Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenen – Darlehen, sondern jeder potentiell wertmindernden Belastung und damit auch der Einverleibung einer Dienstbarkeit entgegensteht. Die Einverleibung der beantragten Dienstbarkeit ist daher nur mit Zustimmung des verbotsberechtigten Landes zulässig.
[16] 9. Damit war dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
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