OGH 5Ob126/01t

OGH5Ob126/01t29.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der Antragsteller 1.) Elisabeth M*****, 2.) Michael P*****, 3.) Silvia P*****, alle vertreten durch Mag. Sascha Nevoral, Mietervereinigung Österreichs, Reichsratstraße 15, 1010 Wien, wider die Antragsgegner G*****gesellschaft mbH, *****, wegen §§ 13, 14, 16 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 38 R 223/00a-15, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 28. Juli 2000, GZ 22 Msch 63/99p-9, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragsteller auf Änderung des Verteilungsschlüssels der Wohnhausanlage in *****, in der Weise, dass hinsichtlich der Wohnungen der Antragsteller die Flächen der Loggien und Terrassen in den Nutzflächen unberücksichtigt zu bleiben haben, ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass offene Balkone und Terrassen bei der Berechnung der Nutzfläche gemäß § 16 Abs 2 WGG nicht zu berücksichtigen seien. Infolge Vorliegens einer wirksamen Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG mit allen Mietern seien bei der Berechnung des Verteilungsschlüssels die Terrassen jedoch im Ausmaß von 33 1/3 vH zu berücksichtigen. Die Nutzflächen der Loggien, die als solche und nicht als Balkone zu qualifizieren seien, seien schon von Gesetzes wegen bei der Berechnung des Aufteilungsschlüssels zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000,-- übersteige und dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte zur Rechtsrüge folgendes aus:

Die Mietvertragsabschlüsse und der Abschluss der strittigen Vereinbarung betreffend die Änderung des Aufteilungsschlüssels sei Ende 1986 bzw Anfang 1987 erfolgt. Die Frage der Wirksamkeit der Vereinbarung sei daher unter Heranziehung der damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu lösen. Die vom Erstgericht zitierte Bestimmung des § 16 Abs 5 Z 1 WGG sei erst durch das 3. WÄG eingeführt worden. Nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 14 Abs 1 Satz 1 WGG idF vor dem 3. WÄG sei das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes mit der Besonderheit, dass bei einzelnen Betriebskostenarten und bei den Kosten für den Betrieb gemeinschaftlicher Anlagen die Berechnung auch nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgen könne, unter Bedachtnahme auf § 13 WGG nach dem Verhältnis der Nutzflächen zu berechnen, sofern nicht zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten einer Baulichkeit schriftlich ein anderer Aufteilungsschlüssel vereinbart worden sei. Hier habe die Antragsgegnerin mit sämtlichen Mietern des Hauses in Punkt 4) Abs 3 der Mietverträge folgende Vereinbarung getroffen:

Als Aufteilungsschlüssel für alle auf die Wohnhausanlage entfallenden Kosten - sowohl für die Finanzierungsbeiträge, wie auch für alle künftig anfallenden Kosten, wie etwa Darlehensrückzahlungen, Betriebskosten, Kosten der Gemeinschaftsanlagen und Gemeinschaftseinrichtungen etc - wird gemäß § 14 Abs 1 WGG schriftlich vereinbart, dass dem Nutzflächenausmaß gemäß § 16 Abs 2 WGG (inklusive Loggien) die Terrassen im Ausmaß von 33 1/3 vH hinzugezählt werden.

Entgegen der Ansicht des Rekurses, handle es sich hier um die Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels und nicht um die Vereinbarung der Änderung der Nutzfläche. Für die Bestimmung der Nutzfläche des Mietgegenstandes seien nur objektive Kriterien, nicht die Absicht der Parteien ausschlaggebend, sodass eine Änderung der Nutzfläche des Mietgegenstandes durch Vereinbarung nicht zulässig wäre. Die vorliegende Vereinbarung habe jedoch nicht eine Änderung der Nutzfläche, sondern des Aufteilungsschlüssels zum Inhalt, die dazu führe, dass Terrassen, die nicht als Nutzfläche zu berücksichtigen seien, in einem gewissen Ausmaß (33 1/3 vH) bei der Berechnung der Betriebskosten zu berücksichtigen seien. Dies sei nach Ansicht des Rekurssenates zulässig. Vor Inkrafttreten des § 16 WGG idF nach dem 3. WÄG sei von der Judikatur ein Gleichklang zwischen den Möglichkeiten des Aufteilungsschlüssels für Bewirtschaftungskosten nach MRG und WGG hergestellt worden. Kürzlich habe der Oberste Gerichtshof entschieden, dass im Geltungsbereich des MRG ein abweichender Verteilungsschlüssel zwischen dem Vermieter und allen Mietern des Hauses vereinbart werden könne, wenn aus der Vereinbarung deutlich werde, dass eine von der gesetzlichen Regel abweichende Kostentragungsregel zustande komme und jede Vereinbarung den gesamten Schlüssel oder einen einheitlichen Berechnungsmodus aufweise. Nach Ansicht des Rekurssenates treffe dies hinsichtlich der vorliegenden Vereinbarung zu. Es werde darin nämlich auf die Bestimmungen des § 16 Abs 2 WGG (idF vor dem 3. WÄG) und einer (davon abweichenden) Vereinbarung iSd § 14 Abs 1 Satz 1 WGG verwiesen. Auch der Berechnungsmodus, in welchem Ausmaß die Terrassen dem Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt würden, sei nachvollziehbar angeführt.

Prinzipiell zutreffend verwiesen die Rekurswerber darauf, dass nach § 21 Abs 1 Z 1 WGG idF vor dem 3. WÄG abweichende Vereinbarungen unwirksam seien, soweit sie zu Lasten des Mieters oder des Nutzungsberechtigten gingen. Die vorliegenden Vereinbarungen gingen nicht zu Lasten der Mieter, weil die Vereinbarung eines abweichenden Betriebskostenschlüssels durch Berücksichtigung der Nutzflächen der Terrassen in einem Ausmaß von 33 1/3 % den Mietern gegenüber, die diese Terrassen zur alleinigen Nutzung hätten, nicht nachteilig sei. Entgegen der Ansicht des Rekurses sei daher die Vereinbarung gemäß § 14 Abs 1 WGG idF vor dem 3. WÄG wirksam.

Insofern der Rekurs indirekt durch Verweis auf die entsprechende Qualifikation durch die MA 40 anstrebe, Loggien als Balkone zu qualifizieren, sei dies unrichtig. Balkone seien an die Hausfront angesetzt, was hier nicht der Fall sei. Für die Qualifikation als Loggia und nicht als Balkon spreche auch, dass die Loggien der Erst- und Zweitantragsteller überdies durch eine Decke nach oben begrenzt seien, nach zwei Seiten durch Wände. Dabei schade es nach Ansicht des Rekurssenates nicht, dass die beiden übrigen Wände offen durch Gitter abgesichert seien bzw beim Zweitantragsteller [nach vorne zum Garten hin] eine Terrasse an dessen Loggia anschließe.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den relevanten Fragen, ob die Vereinbarung einer Änderung des Verteilungsschlüssels durch Einbeziehung von nicht der Nutzfläche zuzuordnenden Terrassen zulässig sei, bzw ob es der Qualifikation als Loggia schon schade, wenn der Raum nach einer Seite durch Gitter bzw durch eine anschließende Terrasse abgegrenzt sei anstatt durch eine Wand, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorhanden sei.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, hilfsweise die Rechtssachen an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs nicht zuzulassen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst geltend, die Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssels in den Mietverträgen sei rechtsunwirksam, die als Loggien qualifizierten Flächen würden die hiefür erforderlichen Kriterien nicht erfüllen. Im Hinblick auf die Unsachlichkeit der Regelung des § 14 Abs 1 WGG werde die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof angeregt.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 14 Abs 1 WGG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem 3. WÄG kann es zu einer Abweichung vom Regelfall der Verteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen nicht nur bei einzelnen Betriebskostenarten (vgl hiezu 5 Ob 2248/96s = WoBl 1998/54 = MietSlg 48.530: Wasserversorgungskosten) und bei den Kosten für den Betrieb gemeinschaftlicher Anlagen nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten kommen, sondern auch durch eine schriftliche Vereinbarung der gemeinnützigen Bauvereinigung mit allen Mietern und Nutzungsberechtigten. Diese beiden abweichenden Schlüssel sind auseinanderzuhalten (vgl Würth in Rummel2 § 14 WGG Rz 4). Zu einer schriftlichen Vereinbarung im Sinne der ersten Alternative zum Regelfall ist es hier durch eine grundsätzlich nicht zu beanstandende Summenvereinbarung (inhaltlich übereinstimmende Einzelvereinbarungen; vgl zu § 17 Abs 1 MRG 5 Ob 197/99b = immolex 2000/156) gekommen. Anders als nach § 17 Abs 1 Satz 1 MRG, der seinem Wortlaut nach nur einzelne Aufwendungen des Hauses im Auge hat (vgl neuerlich 5 Ob 197/99b), ist eine Vereinbarung gemäß § 14 Abs 1 WGG aF nicht auf den Betriebskostenschlüssel beschränkt. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber sind die beiden zitierten Bestimmungen insoweit nicht völlig gleichartig. Da das Kostendeckungsprinzip des § 13 Abs 1 WGG unberührt bleibt, darf es durch die Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssels insgesamt nicht zu einer Erhöhung, sondern nur zu einer Umverteilung der Kosten kommen. Soweit die Rechtsmittelwerber meinen, die gesetzlichen Bestimmungen über die Nutzfläche würden umgangen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass das Gesetz eine einvernehmliche Abweichung vom Nutzflächenschlüssel eben ausdrücklich erlaubt. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, dass hier die Terrassen für den Aufteilungsschlüssel mit einem Drittel ihrer Fläche mitberücksichtigt wurden.

Was die als "Loggien" bezeichneten, in die Hausecken eingeschnittenen Flächen anlangt, lässt sich die getroffene Vereinbarung (im Zusammenhalt mit den Plänen) so deuten, dass die betreffenden Flächen für den Aufteilungsschlüssel maßgeblich sein sollen. Abgesehen davon kommt der Begriff "Loggia" in § 16 Abs 2 WGG (und in § 17 Abs 2 MRG) gar nicht vor. Wesentlich ist, ob eine (Außen-)Fläche als "Raum" angesehen werden kann (vgl Würth in Rummel2 § 17 MRG Rz 7a; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 17 MRG Rz 8 mit Hinweis auf 5 Ob 1025/93 = MietSlg 45.296 [überdachter Lichthof]), was bei offenen Balkonen und Terrassen nach dem Gesetz ausdrücklich nicht der Fall ist. Mögen auch die hier in Rede stehenden Flächen der Definition einer "Loggia" in 5 Ob 26/85 = EvBl 1987/78 = MietSlg 38.374/12 (vgl jüngst 5 Ob 107/01y) nicht genügen, so besteht doch angesichts der gegebenen Integration in den Baukörper kein Hindernis, sie (anders als offene Balkone) in die Nutzfläche einzubeziehen.

Schließlich ist nicht zu erkennen, dass die Anwendung des § 14 Abs 1 WGG aF hier zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen würde. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es unsachlich sein soll, die Nutzungsberechtigten von Terrassen und "Loggien" im Wege einer Vereinbarung zwischen allen Beteiligten stärker zu belasten als jene Nutzungsberechtigten, die über solche Flächen nicht verfügen. Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, der Anregung der Antragsteller zu folgen und beim Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs 1 WGG aF prüfen zu lassen.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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