Spruch:
1. Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos aufgehoben wird.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
2. Die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** und Wohnungseigentumsorganisatorin der Wohnhausanlage ***** in *****. Die Beklagten sind aufgrund des Anwartschaftsvertrages vom 22. 6. 1992 Wohnungseigentumsbewerber hinsichtlich der Wohnung top Nr 1 in diesem Haus.
Als Kaufpreis wurde ein Betrag von S 3,111.100 vereinbart, der sich aus S 388.100 Grundkosten, S 2,527.600 Baukosten Preisbasis März 1991 und aus S 195.400 Aufschließungskosten zusammensetzte. Die Finanzierung seitens der Beklagten sollte durch Eigenmittel und Kreditaufnahme erfolgen. Das finanzierende Kreditinstitut sagte den Beklagten einen einmal ausnutzbaren Kredit von S 2,100.000 zu, wobei die Auszahlung der Kreditvaluta in drei Tranchen nach Baufortschritt vereinbart wurden.
Zwischen der Klägerin und den Beklagten war folgende Bezahlung vereinbart:
a) des Baukostenanteils
bis 30. 6. 1992 S 1,516.000
bis 31. 7. 1992 S 708.000
bis 15. 10. 1992 S 303.600
auf das Konto der L*****bank ***** Kontonummer 20141194950
b) des Grundkostenanteils
sofort bei Vertragsunterzeichnung S 388.100
auf das Konto bei der K*****-Bank
Nummer 1-00422-618
c) der Aufschließungskosten
sofort bei Vertragsunterzeichnung S 195.400
auf das Konto der L*****-
bank ***** (wie oben).
Mit Schreiben vom 28. 8. 1992 an die S***** AG bestätigte die bestellte Treuhänderin den Erhalt einer Kopie des Kreditvertrages und ersuchte, den Darlehensbetrag auf das Treuhandkonto Nr 5000-0000785 bei der T***** AG zu überweisen. Am 1. 10. 1992 bezahlten die Beklagten ihren eigenen Anteil von S 499.500 worauf die kreditierende Bank die gesamte erste Tranche von S 2,099.500 auf das Treuhandkonto der Treuhänderin mit dem Verwendungszweck "1. Tranche gemäß Kreditanbot vom 25. Mai 1992" überwies.
Am 16. 11. 1992 bezahlten die Beklagten lediglich einen Teil ihres Anteils an der zweite Tranche in Höhe von S 323.500 (anstelle der vereinbarten S 458.280). Die kreditierende Bank überwies diesen Betrag mit dem vereinbarten Kreditanteil von S 300.000, somit insgesamt S 623.500 am 17. 11. 1992 auf das bezeichnete Treuhandkonto der Treuhänderin.
Im Oktober und November 1992 erfolgte die Übergabe aller Wohnungen an die Wohnungseigentumsbewerber, so auch an die Beklagten. Die Beklagten wurden mit Schreiben vom 21. 10. 1992 von der Klägerin zur Zahlung eines Betrages von S 1,011.600 aufgefordert, welcher Betrag dahin aufgeschlüsselt war, dass er aus S 388.100 Grundkosten und restlichen S 623.500 bestehe. Diese Zuordnung wurde seitens der klagenden Partei vorgenommen.
Eine Kontaktperson der Beklagten zur klagenden Partei teilte dieser in einem Telefonat mit, dass die Beträge von S 623.500 und die Grundkosten von S 388.100 in Kürze überwiesen werden würden. Am 7. 12. 1992 bestätigte die Treuhänderin der Klägerin, dass eine Zahlung von S 623.500 bei ihr eingegangen sei. Demnach vermerkte die Klägerin auf einem Kontoauszug den von den Beklagten bezahlten Betrag mit S 2,723.000.
Die Beklagten wurden darauf hingewiesen, dass nach wie vor die Grundkosten von S 388.100 offen seien. In einem Telefonat sicherte der Erstbeklagte der klagenden Partei die Zahlung dieses Betrags zu. Eine solche Zahlung erfolgte nicht, die Beklagten wurden von der Klägerin im Mai 1994 neuerlich zur Zahlung des Grundkostenanteils von S 388.100 aufgefordert.
Aufgrund einer im Jahr 1995 erstellten Endabrechnung der Baukosten erhöhte sich der auf die Beklagten entfallende Kaufpreis von S 3,111.100 auf S 3,327.000, wobei die Ursachen der Überschreitung waren, dass in der Kalkulation einige Positionen nicht oder mit zu niedrigen Ansätzen aufgeschienenen waren, dass in den Leistungsverzeichnissen nicht alle erforderlichen Leistungen erfasst waren und dass sich dadurch auch mengenabhängige Positionen wie Architektengebühren, Bauverwaltungskosten etc erhöhten.
Die Klägerin forderte daraufhin von den Beklagten die Zahlung von S 604.740,80 und verwies darauf, dass im Anwartschaftsvertrag unter Punkt VII Z 4 ein Rücktrittsrechts vereinbart war, wenn die Beklagten ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht erfüllten, obwohl sie unter Setzung einer 14tägigen Nachfrist dazu aufgefordert wurden.
Die Beklagten zahlten bisher der Klägerin diesen Betrag nicht.
Die gesamte Wohnhausanlage besteht aus sechs Wohnobjekten, die ident auf drei Ebenen ineinander verschachtelt gebaut sind, wobei die unteste Ebene jeweils das Wohnzimmer bildet. Die Beklagten sind Wohnungseigentumsbewerber eines Eckhauses, wobei sich unter ihrem Haus die Einfahrt zur Tiefgarage befindet. Zwischen den einzelnen Häusern wurden nicht zwei getrennte Mauern, sondern lediglich eine Trennwand errichtet. In Abänderung der ursprünglichen Baubeschreibung wurden die Außenwände nicht aus Durisol-Ziegeln, sondern aus "roten Ziegeln" errichtet. Bedingt durch die Bauweise ist die Schall- und Wärmeisolierung der Objekte mangelhaft. Im Winter erwärmt sich insbesondere der untere Bereich des Hauses der Beklagten nur schlecht. Aus dem unmittelbar anschließenden Haus werden nahezu sämtliche Geräusche und aus dem übernächsten Haus noch die lauteren Geräusche übertragen. Weiters sind zahlreiche, auch größere Risse im Inneren und Äußeren der Objekte vorhanden, insbesondere im Übergangsbereich zwischen dem unterkellerten und dem nicht unterkellerten Teil des Hauses der Beklagten bestand einer der größten Risse. Die Gartenanlage um das Haus der Beklagten herum ist nicht fertiggestellt.
Alle diese Mängel sind der Klägerin bekannt. Sie erstellte auch ein Schall- und Wärmeisolierungskonzept zur Sanierung, welches jedoch nicht verwirklicht wurde, da einige Wohnungseigentümer Preisminderung verlangten und erhielten.
Die Anwartschaftsverträge einzelner Wohnungseigentumsbewerber wurden rückabgewickelt.
Den Beklagten bot die klagende Partei mit Schreiben vom 19. 3. 1997 als Preisminderung eine Pauschalabgeltung in Höhe von S 275.000 an, welches Angebot von den Beklagten nicht angenommen wurde.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin als Folge eines ihr nach § 24 Abs 4 WEG zustehenden Rücktrittsrechts die Räumung der Wohnung von den Beklagten, weil diese ihre vertraglichen Verpflichtungen trotz Nachfristsetzung nicht erfüllt hätten. Es hafte der restliche Kaufpreis von S 388.100 (Grundkostenanteil) und der sich aus der Endabrechnung ergebende Betrag von S 216.640,80 trotz mehrfacher Mahnungen und Nachfristsetzungen offen aus. Daher habe die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag erklärt.
Die beklagten Parteien beantragten Abweisung der Klage und wendeten ein, dass sie vertragsgemäß die gesamten Grund- und Aufschließungskosten bereits bezahlt hätten. Eine Nachforderung wegen Baukostenerhöhungen und Mehrleistungen sei vertraglich nicht berechtigt. Im Übrigen weise das Wohnungseigentumsobjekt wesentliche Mängel auf, die von der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderungen nicht behoben worden seien, weshalb der aushaftende Betrag nicht fällig sei. Die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts des Wohnungseigentumsorganisators für diesen Fall verstoße gegen § 24 Abs 1 WEG und sei damit unwirksam.
Das Erstgericht stellte gemäß § 24 Abs 4 WEG fest, dass der Zahlungsrückstand der beklagten Parteien für das Objekt Nr 1 in*****, S 388.110 betrage.
Den oben wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, dass den Beklagten aufgrund der feststehenden und nicht behobenen Mängel ein Preisminderungsanspruch zustehe und dass dieser gemäß § 273 ZPO mit S 216.640,80, also jenem Betrag angemessen sei, der noch als offene Baukosten begehrt werde. Daneben sei aber noch die Verpflichtung der Beklagten offen, den auf sie entfallenden Grundkostenanteil von S 388.100 zu bezahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Grundkosten bestehe nämlich unabhängig von allfälligen Baumängeln. Die Behauptung der Beklagten, bereits mit der ersten Tranche ihrer Zahlungen die Grundkosten beglichen zu haben, erweise sich angesichts dessen, dass die Grundkosten auf ein gesondertes Konto einzuzahlen gewesen wären, als nicht richtig. Die Klägerin habe daher keine unzulässige Umwidmung vorgenommen.
Einem dagegen von den beklagten Parteien erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht die beantragte Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Baufach zum Beweis der behaupteten Baumängel nicht durchgeführt habe. In Hinblick auf die Einwendungen der Beklagten sei aber zu prüfen gewesen, ob und unwieweit diesen ein Preisminderungsanspruch zustehe. Die Voraussetzungen des § 273 ZPO seien insofern nicht vorgelegen, als der Preisminderungsanspruch der Beklagten der Höhe nach durch das beantragte Sachverständigengutachten tatsächlich ausgemittelt hätten werden können, ohne dass damit unverhältnismäßige Schwierigkeiten oder Kosten verbunden gewesen wären.
Als unbekämpfbar erachtete das Rekursgericht die "Feststellung" des Erstgerichtes, dass der Grundkostenanteil der Beklagten in Höhe von S
388.100 unberichtigt aushafte. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die zu leistenden anteiligen Grundkosten von Gewährleistungsansprüchen der Beklagten nicht umfasst würden, wurde vom Rekursgericht allerdings nicht geteilt. Sollten die Gewährleistungsansprüche der Beklagten den noch offenen Baukostenanteil übersteigen, wäre auch die Forderung der Klägerin nach Zahlung des gesamten Grundkostenanteils nicht berechtigt.
Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren durch Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Baufach zu klären haben, wie hoch die den Beklagten zustehenden Preisminderungsansprüche insgesamt seien. Erst dann lasse sich nach § 24 Abs 4 WEG die Höhe der noch offenen Forderungen ermitteln.
Das Rekursgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil zur Frage der Einheitlichkeit des Kaufpreises bei Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, insbesondere dazu, ob von Gewährleistungsansprüchen auch reine Grundkosten betroffen wären, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes.
Die beklagten Parteien beantragten, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus Gründen der Einheitlichkeit und Weiterentwicklung der Rechtsprechung zulässig, er ist im Sinn der Beseitigung des Beschlusses gemäß § 24 Abs 4 WEG auch berechtigt.
Die Rekursbeantwortung der beklagten Parteien ist nicht zulässig. Analog der Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG gilt auch hier, dass § 521a Abs 1 ZPO nicht anzuwenden ist, das Rekursverfahren daher einseitig bleibt (RS0044013).
§ 24 Abs 4 WEG wurde den Bestimmungen der §§ 21 Abs 2 MG sowie 33 Abs 2 und 3 MRG nachgebildet (SZ 69/267).
Zutreffend hat das Rekursgericht zunächst erkannt, dass der zwischen den Verfahrensparteien vereinbarte Kaufpreis für das ins Wohnungseigentum zu übertragende Objekt, unabhängig davon, dass er nach den Bestimmungen des WGG zu errechnen ist, insofern einheitlich ist, als ihm eine einheitliche Gegenleistung des Wohnungseigentumsorganisators entgegensteht. Sowenig wie ein Teilrücktritt hinsichtlich einzelner Leistungen durch den Wohnungseigentumsorganisator in Betracht kommt, ist nur ein Teil des Kaufpreises einem Minderungsanspruch zugänglich, sondern hat eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen.
Das Rekursgericht hat allerdings mit dem Erstgericht übersehen, dass
die Beklagten im Verfahren den Behauptungen der klagenden Partei
nicht einen Preisminderungsanspruch aus dem Titel der Gewährleistung
entgegengesetzt haben, sondern mangelnde Fälligkeit des Kaufpreises,
weil feststehende Mängel trotz Aufforderung nicht behoben wurden. Aus
den vom Rekursgericht zutreffend angeführten Gründen hindert die
festgestellte Mangelhaftigkeit des Bauwerks die Fälligkeit des
Entgelts insgesamt, sodass es auf komplexe Fragen der Widmung nicht
ankommt. Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass die
vom Erstgericht vorgenommene Zahlungswidmung gänzlich außer Betracht
lässt, dass die Beklagten - offenbar vertragsmäßig, Feststellungen dazu fehlen -, sämtliche Zahlungen an eine Treuhänderin geleistet hat, was dem vom Erstgericht verwendeten Argument der Nichtzahlung auf ein bestimmtes Konto den Boden entzieht.
Darauf muss aber mangels Fälligkeit des gesamten aushaftenden
Entgelts ohnedies nicht weiter eingegangen werden.
Der erkennende Senat hat sich zuletzt mehrfach mit der Frage auseinandergesetzt, wem hinsichtlich von Mängeln an allgemeinen Teilen des Hauses Gewährleistungsrechte zustehen, und ausgesprochen, dass der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen eine Willensbildung der Wohnungseigentümer vorauszugehen hat, dass dieser und nicht etwa andere Rechtsbehelfe in Anspruch genommen werden sollen (5 Ob 253/00t; SZ 70/129 ua).
Im vorliegenden Fall steht nicht fest, dass an der Liegenschaft bereits Wohnungseigentum begründet worden wäre. Selbst wenn dies der Fall wäre, stünde den Beklagten jedenfalls so lange das Recht zu, mangelnde Fälligkeit des Entgelts einzuwenden, als nicht feststeht, dass sich die Wohnungseigentümer mehrheitlich auf Preisminderung festgelegt haben.
Es bestehe daher keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Einwands der mangelnden Fälligkeit angesichts der im bekämpften Beschluss getroffenen Feststellungen über die nicht behobenen Mängel.
Davon ausgehend besteht aber kein Rücktrittsrecht des Wohnungseigentumsorganisators, was wiederum die Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 24 Abs 4 WEG ist. Die Fassung eines Beschlusses über einen Rückstand mit "0" kommt ebensowenig wie im Verfahren nach § 33 Abs 2 und 3 MRG in Betracht, sondern ist diesfalls mit Abweisung der Klage vorzugehen (vgl Würth/Zingher, Miet- und WohnR20, Rz 31 zu § 33 MRG).
Dass Vereinbarungen, die das Recht des Wohnungseigentumsbewerbers über die Geltendmachung von Gewährleistungs- oder Preisminderungsansprüchen einschränken, nach § 24 Abs 1 Z 4 WEG unzulässig sind, haben bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
Im Ergebnis war daher mit einer ersatzlosen Aufhebung des Beschlusses gemäß § 24 Abs 4 WEG vorzugehen, ohne dass die vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzungen durchzuführen wären, weil es auf die Höhe des Preisminderungsanspruches nach den obigen Ausführungen nicht ankommt. Insofern war das Rechtsmittel der Klägerin auch berechtigt. Im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl Kodek in Rechberger Rz 5 zu § 519 ZPO), was sinngemäß auch im Fall des § 527 Abs 2 ZPO zu gelten hat.
In Anbetracht dessen, dass bisher keine Sachentscheidung vorliegt, ist dem Obersten Gerichtshof allerdings die Entscheidung in der Sache selbst verwehrt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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