European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00122.15Z.0714.000
Spruch:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Streitteile führten während ihrer Ehe einen Umbau ihrer Ehewohnung durch. Zur Finanzierung dieses Umbaus diente ein Kredit, zu dessen Besicherung eine Er- und Ablebensversicherung abgeschlossen und zugunsten der Kreditgeberin vinkuliert worden war. Als Versicherungsnehmerin scheint die Beklagte auf. Versicherte Person ist der Kläger. Im Erlebensfall ist der Überbringer der Polizze bezugsberechtigt.
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 1. 12. 2000, AZ 3 C 121/99h, geschieden. Im ebenfalls vor dem Erstgericht geführten Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse beantragte der Kläger unter anderem, ihn hinsichtlich der Lebensversicherung anstelle der Beklagten zum Versicherungsnehmer zu bestimmen. Dieser Antrag wurde im Aufteilungsverfahren rechtskräftig zurückgewiesen.
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, eine Erklärung zu unterfertigen, in der sie ihre Zustimmung erteilt, dass anstelle ihrer Person der Kläger als „Versicherungsnehmer fungiert“. Die Lebensversicherung habe als Pfand für einen von ihm aufgenommen Kredit gedient und sei zu Gunsten des Kreditinstituts vinkuliert. Die Prämien hätte ausschließlich er bezahlt, weswegen die Lebensversicherung einen Vermögenswert darstelle, der ihm zuzuordnen sei. Die Wahl der Beklagten als Versicherungsnehmerin habe lediglich steuerliche Gründe gehabt.
Die Beklagte machte geltend, es liege das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vor und wendete ein, der Kläger habe die Prämien im Rahmen seiner Unterhaltspflicht ihr gegenüber bezahlt. Das Begehren des Klägers sei verjährt.
Das Erstgericht wies mit seinem in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluss den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache ab und gab dem Urteilsbegehren statt. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, Zweck der Lebensversicherung sei die Kreditbesicherung gewesen, wobei weder eine Schenkungsabsicht des Klägers noch dessen Absicht, durch die Zahlung der Prämien (Natural‑)Unterhalt an die Beklagten zu leisten, erweislich gewesen sei. Eine Leistungsverpflichtung ohne Rechtsgrund führe dazu, dass der Kläger die Prämien nicht bezahlen hätte müssen, sodass die Beklagte, würde sie die daraus entstehenden Werte lukrieren, unrechtmäßig bereichert wäre. Der auf unrechtmäßige Bereicherung gestützte Anspruch des Klägers sei auch nicht verjährt, sodass die Beklagte zur Abgabe der Zustimmungserklärung zu verpflichten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung über die Einrede der entschiedenen Rechtssache und hob das Urteil in der Hauptsache auf. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach die Beklagte durch die gegenwärtige Situation unrechtmäßig bereichert sei. Das Bereicherungsrecht diene der schuldrechtlichen Rückgängigmachung einer (durch Wegfall der rechtlichen Grundlage) zweckverfehlten oder nicht mehr gerechtfertigten Leistung, wobei solche Ansprüche grundsätzlich nach 30 Jahren verjährten. Die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Bereicherungsansprüchen ausnahmsweise herangezogene kurze Verjährungsfrist greife hier nicht. Die Leistungskondiktion nach § 1435 ABGB regle den Fall, dass der zunächst vorhandene Leistungsgrund später wegfalle, sodass die Sache zurückzugeben sei. Hier liege auf der Hand, dass die Ehegatten bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherung eine Vereinbarung getroffen haben mussten oder jedenfalls einen konkreten, beiden bekannten Zweck verfolgten, wobei weder den Feststellungen des Ersturteils noch dem Vorbringen der Parteien mit ausreichender Deutlichkeit entnommen werden könne, von welcher Absicht oder Vereinbarung die Ehegatten im Frühjahr 1992 anlässlich des Abschlusses des Versicherungsvertrags inter partes ausgegangen seien. Diesen Umstand werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben.
Zur Zulässigkeit des Rekurses führte das Berufungsgericht aus, dass man die Rechtslage auch anders sehen könnte, wobei es einerseits Überlegungen zu einer möglichen Treuhandvereinbarung der Streitteile anstellte und andererseits darauf verwies, dass es möglicherweise an einer Bereicherung der Beklagten fehle, weil die Versicherungspolizze bei der Pfandgläubigerin hinterlegt sei. Diese Überlegungen ‑ so das Berufungsgericht ‑ wären von der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Bedeutung und Tragweite.
Dagegen richten sich die „Revisionsrekurse“ der Parteien. Die Beklagte beantwortete das Rechtsmittel des Klägers. Der Kläger erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist anzumerken, dass das Berufungsgericht seinen Aufhebungsbeschluss damit begründete, dass weder den Feststellungen des Ersturteils noch dem Vorbringen der Parteien mit ausreichender Deutlichkeit entnommen werden könne, von welcher Vereinbarung die Streitteile bei Abschluss der Lebensversicherung im Jahr 1992 ausgegangen seien, und dem Erstgericht dazu ausdrücklich die Erörterung mit den Parteien auftrug. Die Überlegungen des Berufungsgerichts zu einer möglichen Treuhandvereinbarung erweisen sich daher im derzeitigen Verfahrensstadium als rein spekulativ, wobei es nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs ist, theoretisch zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen (vgl RIS‑Justiz RS0102059 [T8; T18]). Insoweit spricht das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des Rekurses auch keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an. Dessen ungeachtet sind die Rekurse zulässig, weil die zur Aufhebung des Ersturteils herangezogene Begründung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf. Sie sind jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Zum Rekurs der Beklagten:
1. Auch in dritter Instanz beharrt die Beklagte darauf, die Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz als Rekursgericht im Aufteilungsverfahren stehe der Klage des Klägers entgegen. Inhaltlich beruft sie sich in diesem Zusammenhang auf den von ihr in erster Instanz erhobenen Einwand der entschiedenen Sache, den die Vorinstanzen übereinstimmend im Spruch ihrer Entscheidungen verworfen haben. Damit haben die Vorinstanzen ‑ für den Obersten Gerichtshof bindend ‑ das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache verneint (1 Ob 146/00b; 8 Ob 13/07f; vgl auch Mayr in Rechberger ZPO4 § 42 JN Rz 11).
2. Die Entscheidung über die Frage der Sachlegitimation
(Aktivlegitimation oder Passivlegitimation) ist nichts anderes als die meritorische Entscheidung über den Klagsanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen (RIS‑Justiz RS0035170). Sie ist von der Frage, ob der Versicherungsvertrag zugunsten der Kreditgeberin vinkuliert ist, unabhängig. Darüber kann ‑ und insoweit ist dem Berufungsgericht zuzustimmen ‑ erst nach Ergänzung des Verfahrens endgültig abgesprochen werden.
Zu den Rekursen beider Parteien:
1. Beide Parteien nehmen in ihren Rechtsmitteln Bezug auf die Überlegungen des Berufungsgerichts zu § 1435 ABGB. Der Kläger sieht die Beklagte ungerechtfertigt bereichert und strebt mit seinem Rekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils an. Die Beklagte hingegen macht geltend, dass überhaupt keine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung vorliege, und zielt damit auf eine Abweisung des Klagebegehrens ab.
2. Erfolgt eine Leistung des Verkürzten an den Bereicherten, die sich als ungerechtfertigt bzw zweckverfehlend erweist, ist die Vermögensverschiebung mittels der Leistungskonditionen gemäß §§ 1431 ff ABGB rückgängig zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Leistung als eine bewusste, zweckgerichtete Vermögenszuwendung an einen anderen vorliegt. Sie ist kondizierbar, wenn der angestrebte Zweck verfehlt wird und die Rechtsordnung den Leistenden für schutzwürdiger hält oder wenn die Rechtsordnung ein unerlaubtes Geschäft bekämpft und die Zuwendung deshalb als nicht erwünscht betrachtet ( Lurger in Kletečka/Schauer ABGB‑ON 1.02 vor § 1431 bis 1437 Rz 2). Das Berufungsgericht bezieht sich in seinen Ausführungen auf § 1435 ABGB, der nach herrschender Ansicht über seinen Wortlaut hinaus als Grundlage für die Anerkennung einer Kondiktion wegen Wegfalls des Grundes und Nichteintritts des erwarteten Erfolgs dient (condictio causa data causa non secuta; RIS‑Justiz RS0033952; Rummel in Rummel, ABGB³ § 1435 Rz 4 ff; Koziol in KBB4 § 1435 Rz 2 f).
3. Die Kondiktion ist auf die Rückgabe der geleisteten Sache gerichtet, soweit dies möglich und tunlich ist ( Koziol aaO § 1431 Rz 6 mwN). Das gilt auch für die vom Berufungsgericht angesprochene Kondiktion gemäß § 1435 ABGB ( Rummel aaO § 1435 Rz 10). Das Begehren des Klägers ist aber nicht auf eine solche Rechtsfolge gerichtet:
Die Lebensversicherung kann gemäß § 159 VersVG auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Liegt ‑ wie hier ‑ eine Fremdversicherung vor, steht der Anspruch aus der Versicherung dem Versicherungsnehmer als Vertragspartei zu, ohne Rücksicht darauf, ob er an der Versicherung des fremden Lebens ein (wirtschaftliches) Interesse hat (vgl Grubmann , Versicherungsvertragsgesetz 7 § 159 E 1). Versicherungs-nehmerin ist hier unstrittig die Beklagte. Im Verhältnis zum Kläger, der geltend macht, er habe bislang ausschließlich die Versicherungsprämien bezahlt, könnte eine Bereicherung ‑ sollte es sich dabei um eine zweckverfehlte Leistung handeln ‑ allenfalls in der Summe der von ihm bislang aus diesem Titel geleisteten Zahlungen liegen. Auf eine Rückforderung von durch ihn geleisteter Zahlungen ist das Begehren des Klägers aber nicht gerichtet. Die von den Vorinstanzen angestrengten bereicherungsrechtlichen Überlegungen gehen daher fehl. Insoweit ist den Ausführungen der Beklagten in ihrem Rekurs zuzustimmen. Dessen ungeachtet kann über die Klage noch nicht abschließend abgesprochen werden.
4. Der Kläger strebt die Verurteilung der Beklagten zur Unterfertigung einer Erklärung an, nach der sie ihre Zustimmung erteilen soll, dass er an Stelle der Beklagten als „Versicherungsnehmer fungiert“. Die damit vom Kläger angestrebte Vertragsübernahme ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Sie wird nach herrschender Ansicht als einheitliches Rechtsgeschäft („Einheitstheorie“) verstanden, wodurch die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen werden und der Vertragsübernehmer an die Stelle der aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt (vgl RIS‑Justiz RS0117578; 8 Ob 34/08w; Ertl in Rummel, ABGB³ § 1406 Rz 2 mwN). Stimmt der verbleibende Vertragspartner nicht bereits im Vorhinein zu, so wird die
Vertragsübernahme in der Regel erst durch seine rechtsgeschäftliche Erklärung, dem Wechsel des Vertragspartners zuzustimmen, wirksam (RIS‑Justiz RS0115028 [T1]).
5. Losgelöst davon, dass die vom Kläger angestrebte Vertragsübernahme nur unter der bisher nicht erörterten Voraussetzung wirksam sein kann, wenn auch der verbleibende Vertragspartner ‑ hier das Versicherungs-unternehmen ‑ zustimmt, ist die Frage zu beurteilen, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber überhaupt zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung kann sich aus einer zwischen den Streitteilen aus Anlass des Abschlusses des Versicherungsvertrags entweder ausdrücklich oder konkludent zustande gekommenen Vereinbarung ergeben. Anhaltspunkte für die Behauptung einer solchen Vereinbarung lassen sich dem Vorbringen des Klägers gerade noch entnehmen, wenn er darauf hinweist, zwischen ihm und der Beklagten sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich bei der Lebensversicherung um einen Vermögenswert handle, der ihm zukommen soll. Im Ergebnis zutreffend hat auch das Berufungsgericht zur Berechtigung des Klagebegehrens auf eine Vereinbarung der Streitteile abgestellt und dem Erstgericht die ergänzende Erörterung diese Umstands und Verbreiterung der Tatsachengrundlagen dazu aufgetragen. Dieser Einschätzung der zweiten Instanz kann der Oberste Gerichtshof nach seiner Rechtsprechung nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0042179).
6. Rechte aus einem Vertrag verjähren nach §§ 1478 ff ABGB mangels einer kürzeren Verjährungsfrist in 30 Jahren (RIS‑Justiz RS0080886). Sollte sich im fortgesetzten Verfahren daher erweisen, dass sich der Kläger auf eine solche Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe der Willenserklärung berufen kann, kommt ihrem ‑ auch noch im Rekursverfahren aufrechterhaltenen ‑ Verjährungseinwand keine Berechtigung zu.
7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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