European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00116.15T.0925.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Bewilligungsbeschluss mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er zu lauten hat:
„Aufgrund der nachstehenden
Urkunden
1 Urteil vom 07. 10. 2014
(BG Innere Stadt Wien 95 C 164/14s-5)
wird folgende Eintragung bewilligt :
in EZ ***** KG *****
Einverleibung des Bestandrechts bis 30. 9. 2038 gemäß Bestandvertrag vom 5. 6. 2008 (Urteil des BG Innere Stadt Wien vom 07. 10. 2014, 95 C 164/14s‑5)
für B***** GmbH , FN *****
Verständigt werden:
1) Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH, Rahlgasse 1/15, 1060 Wien
2) B***** GmbH, *****
3) Strebinger Rechtsanwalt GmbH, Schulgasse 1, 2700 Wiener Neustadt
4) D***** GmbH, *****
5) Gemeindeamt Oberpullendorf, Hauptstraße 9, 7350 Oberpullendorf
6) Finanzamt Eisenstadt, Neusiedlerstraße 46, 7000 Eisenstadt“
Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung:
Die Liegenschaft EZ ***** GB ***** steht im Alleineigentum der D***** GmbH. Mit Anerkenntnisurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. 10. 2014, AZ 95 C 164/14s wurde sie schuldig erkannt, hinsichtlich ihrer Liegenschaft zugunsten der Antragsstellerin „in die Einverleibung des Bestandrechts bis 30. 9. 2038 gemäß dem als integrierenden Urteilsbestandteil angeschlossenen Bestandvertrag vom 5. 6. 2008“ einzuwilligen. Dieser zwischen der R***** GmbH (Rechtsvorgängerin der Liegenschaftseigentümerin und Bestandgeberin) und der Antragstellerin (als Bestandnehmerin) abgeschlossene Bestandvertrag vom 5. 6. 2008 enthält in seinem Punkt V. eine aufschiebende Bedingung. Dieser Punkt V. lautet auszugsweise wie folgt: „Das Bestandverhältnis ist […] durch die Erteilung der erforderlichen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen für die Errichtung und Betrieb des [...] Handelsgeschäftes aufschiebend bedingt. […] Sollten die Genehmigungen trotz aller möglichen Bemühungen der Bestandnehmerin nicht bis zum 15. 9. 2008 erlangt werden, wird dieser Vertrag nicht rechtswirksam. Die Bestandnehmerin hat jedoch die Möglichkeit ‑ einlangend bei der Bestandgeberin bis zum 20. 9. 2008 ‑ schriftlich gegenüber der Bestandgeberin zu erklären, auf den Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam zu verzichten, wodurch der Vertrag sofort rechtswirksam wird.“
Mit Antrag vom 16. 1. 2015 begehrte die Antragstellerin, für sie ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** aufgrund des Urteils vom 7. 10. 2014 das Bestandrecht bis 30. 9. 2038 gemäß Bestandvertrag vom 5. 6. 2008 einzuverleiben.
Das Erstgericht trug der Antragstellerin zunächst im Sinne des § 82a GBG die Beseitigung von Formgebrechen (unter anderem) durch Vorlage von Urkunden betreffend die aufschiebende Bedingung in Punkt V. des Bestandvertrags vom 5. 6. 2008 auf. Diesem Auftrag kam die Antragstellerin durch Vorlage der Bescheide der Bezirkshauptmannschaft ***** vom 30. 1. 2009 (Betriebsanlagen-genehmigung) und der Stadtgemeinde ***** vom 17. 9. 2008 (Baubescheid) fristgerecht nach. Daraufhin bewilligte das Erstgericht die Einverleibung des Bestandrechts bis 30. 9. 2038 gemäß Bestandvertrag vom 5. 6. 2008.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Liegenschaftseigentümerin Folge und wies das Grundbuchgesuch ab. Das Bestandverhältnis sei gemäß dem Bestandvertrag vom 5. 6. 2008 durch die Erteilung der erforderlichen bau- und gewerbebehördlichen Bewilligungen aufschiebend bedingt. Bedingte Rechte könnten vor Eintritt der Bedingung im Grundbuch nicht eingetragen werden. Der Eintritt einer solchen Bedingung sei durch eine den Vorschriften der §§ 26 ff GBG entsprechende Urkunde darzutun. Die Antragstellerin habe im vorliegenden Fall zwar entsprechende Genehmigungsbescheide vorgelegt, aus diesen lasse sich aber deren Rechtzeitigkeit im Sinne der getroffenen Vereinbarung, also die Genehmigungserteilung bis zum 15. 9. 2008, nicht ableiten. Auch eine bis zum 20. 9. 2008 erfolgte Erklärung der Bestandnehmerin, auf den Eintritt der aufschiebenden Bedingung zu verzichten, sei nicht nachgewiesen.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Rekursgerichts abzuändern, die begehrte Einverleibung aufgrund des Urteils vom 7. 10. 2014 und aufgrund des Plans (Lageplan zum Bestandvertrag/Urteil vom 7. 10. 2014) zu bewilligen und der Liegenschaftseigentümerin den Ersatz der Kosten des Revisionsrekurses aufzuerlegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht die Eintragungsgrundlage verkannt und das Grundbuchsgesuch daher unrichtig beurteilt hat.
1. Grundlage des Eintragungsgesuchs der Antragstellerin ist nicht der Bestandvertrag vom 5. 6. 2008, sondern das Anerkenntnisurteil vom 7. 10. 2014.
2. Gemäß § 33 Abs 1 lit d GBG können Urkunden, die die Eigenschaft eines gerichtlich vollziehbaren Ausspruchs einer öffentlichen Behörde haben, Grundlage einer bücherlichen Einverleibung sein. Das gilt insbesondere für rechtskräftige Urteile, wenn sie eine Exekutionsführung nach § 350 EO gestatten (5 Ob 55/14w; RIS‑Justiz RS0004572, RS0004550; Weigand in Kodek, Grundbuchsrecht1.01 § 33 GBG Rz 8 mwN; Klicka in Angst 2 § 350 EO Rz 1 f).
Die Exekution nach § 350 EO erfordert einen Titel, der dem betreibenden Gläubiger den Anspruch auf Einräumung, Übertragung, Beschränkung oder Aufhebung eines bücherlichen Rechts vermittelt (§ 350 Abs 1 EO). Dieser Titel wird in der Regel die Verpflichtung zur Einwilligung in die Vornahme der bücherlichen Eintragung aussprechen. Es genügen aber gleichwertige Leistungspflichten, nach denen der Verpflichtete der betreffenden Änderung der bücherlichen Rechtslage zuzustimmen hat (5 Ob 55/14w; Höllwerth in Burgstaller/Deixler‑Hübner § 350 EO Rz 6 mwN). Der Erwerber des einzutragenden Rechts hat die Wahl, direkt beim Grundbuchsgericht um die Einverleibung anzusuchen oder sie über das Exekutionsgericht zu erzwingen (5 Ob 66/01v mwN = RIS‑Justiz RS0004572 [T1]).
Aus öffentlichen Urkunden nach § 33 Abs 1 lit d GBG braucht ein Rechtsgrund nicht ersichtlich zu sein (5 Ob 20/81 = RIS‑Justiz RS0060413). Urteile, die die Grundlage einer Einverleibung bilden sollen, brauchen also den Rechtsgrund für die Leistung nicht anzuführen (RIS‑Justiz RS0004572, RS0004558; Klicka in Angst, EO² § 350 EO Rz 6). Es genügt, dass im Urteil ausgesprochen wird, dass dem Kläger das bücherliche Recht zusteht und der Beklagte schuldig ist, dieses Recht anzuerkennen (Feil/Marent/Preisl, Grundbuchsrecht2 [2010] § 33 Rz 11). Die sonst einer Verbücherung eines Rechts entgegenstehenden Hindernisse (https://rdb.manz.at/document/ris.n.NOR12025609?execution=e2s2 ) hindern allerdings auch bei § 350 EO eine Verbücherung (Klicka in Angst, EO² § 350 EO Rz 7).
3. Das (rechtskräftige und vollstreckbare) Anerkenntnisurteil vom 7. 10. 2014 ist ein Exekutionstitel im Sinne des § 1 Z 1 EO, der zur Exekutionsführung nach § 350 EO geeignet ist. Dieses Urteil verpflichtet die Liegenschaftseigentümerin zur Einwilligung in die Einverleibung eines bis 30. 9. 2038 befristeten Bestandrechts zugunsten der Antragstellerin und vermittelt dieser daher den Anspruch auf Einräumung eines bücherlichen Rechts. Dieses Bestandrecht ist zwar durch den Verweis auf den einen Urteilsbestandteil bildenden Bestandvertrag vom 5. 6. 2008 beschrieben und konkretisiert, Anspruchsgrund für das einzutragende Recht bleibt dennoch das Urteil. Auf die Rechtswirksamkeit des Bestandvertrags selbst kommt es daher schon grundsätzlich nicht an. Die in diesem Bestandvertrag enthaltene aufschiebende Bedingung macht das aufgrund des Anerkenntnisurteils einzutragende Bestandrecht also nicht zu einem aufschiebend bedingten Recht. Der fehlende Nachweis des rechtzeitigen Eintritts der Bedingung oder des Verzichts darauf stellt daher hier kein Eintragungshindernis dar. Angesichts des Umstands, dass die vereinbarte Frist für den Bedingungseintritt zum Zeitpunkt der Schaffung des die Eintragungsgrundlage bildenden Urteils längst abgelaufen war, ist das nicht das Ergebnis der Interpretation des Titels, sondern eine auch im Grundbuchsverfahren zulässige (RIS‑Justiz RS0060573 [T16]) unmittelbare logische Schlussfolgerung.
4.
Für den Revisionsrekurs gebühren ‑ ungeachtet seiner Berechtigung ‑ keine Kosten, weil nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Grundbuchsverfahren kein Kostenersatz stattfindet (RIS‑Justiz RS0035961 [T5, T6, T7]).
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