OGH 5Ob115/23g

OGH5Ob115/23g30.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M* Limited, *, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.168,10 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. April 2023, GZ 70 R 22/23d‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz Ost vom 26. Jänner 2023, GZ 254 C 563/22a‑13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00115.23G.0130.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die beklagte Partei den Kapitalsbetrag samt Zinsen und den Prozesskosten binnen 14 Tagen zu zahlen hat.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 1.769,40 EUR (darin enthalten 256,90 EUR USt und 228 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Malta und bietet über eine von ihr betriebene Website Dienstleistungen auf dem Gebiet des Glücksspiels auch in Österreich an. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Der Kläger nahm in der Zeit vom 8. 7. 2017 bis 22. 5. 2018 an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen teil und verlor dabei insgesamt 12.168,12 EUR. Er begehrte mit der von ihm am 10. 10. 2022 eingebrachten europäischen Mahnklage den Rückersatz seines Verlusts samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag zunächst ab 23. 5. 2018.

[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – die Verjährung des Anspruchs auf Zinsen ein. Vergütungszinsen würden nach Ablauf von drei Jahren verjähren. Der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist sei an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft, was spätestens mit Mai 2018 der Fall gewesen sei. Da die Klage erst nach Verjährung des Zinsanspruchs eingebracht worden sei, stünden dem Kläger insgesamt keine Vergütungszinsen zu. Verzugszinsen gebührten erst ab Verzug, der die Fälligstellung des Anspruchs voraussetze und im vorliegenden Fall erst mit Zustellung der Klage am 20. 10. 2022 eintreten habe können.

[4] In Reaktion auf dieses Vorbringen schränkte der Kläger seine Klage in der Tagsatzung vom 26. 1. 2023 ein und begehrte 4 % Zinsen aus dem Klagebetrag ab 21. 10. 2022.

[5] Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der begehrten Zinsen ab 21. 10. 2022. Die Beklagte habe sich bis zuletzt in Verzug befunden.

[6] Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz teilweise Folge und wies das Zinsenbegehren zur Gänze ab. Nach § 1480 ABGB verjährten Vergütungszinsen nach drei Jahren. Verjährungsbeginn sei der Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung, bei Bezahlung einer Nichtschuld somit regelmäßig der Zeitpunkt der Zahlung.Im vorliegenden Fall habe die Verjährungsfrist daher mit der Zahlung des letzten Einsatzes im Mai 2018 zu laufen begonnen, weswegen der gesamte Anspruch auf Vergütungszinsen bei Klageeinbringung verjährt gewesen sei. Dem Kläger stünden damit insgesamt keine Zinsen zu. Die ordentliche Revision sei zulässig,weil der Frage nach der Verjährung von Vergütungszinsen im Fall der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung wegen eines Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol im Hinblick auf eine Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf; sie ist auch berechtigt.

[8] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Zinsenbegehren des Klägers.

[9] 2. Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen (dazu RIS‑Justiz RS0032078). Sie unterliegen, wie generell sowohl vertraglich bedungene als auch gesetzliche Zinsen der dreijährigen Verjährung gemäß § 1480 ABGB (RS0031939; zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach einem Spätrücktritt von einem Lebensversicherungsvertrag: RS0033829). Die Verjährungsfrist beginnt – von Ausnahmebestimmungen wie etwa § 1489 ABGB abgesehen – im Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung, weil die Möglichkeit zu klagen im objektiven Sinn zu verstehen ist; subjektive, in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse, wie ein Irrtum des Berechtigten oder überhaupt Unkenntnis des Anspruchs, haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss (RS0034337; RS0034445; RS0034248).

[10] 2.1. Für gesetzliche Zinsen aus Beträgen, die wegen der Unwirksamkeit von Glücksspielverträgen bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden, gilt nichts anderes (4 Ob 210/23w).

[11] 2.2. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze grundsätzlich zutreffend wiedergegeben; die Frage nach der Verjährung von Vergütungszinsen stellt sich im vorliegenden Fall aber nicht.

[12] 3. Alle Arten von Zinsen aus einer fälligen, zu erstattenden Geldsumme gelten ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Zahlungspflicht als Verzögerungszinsen im Sinn des § 1333 Abs 1 ABGB; darunter fallen auch Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme (RS0031939).

[13] 3.1. Der Kläger hat sein Zinsenbegehren in der Tagsatzung vom 26. 1. 2023 eingeschränkt und begehrte ab diesem Zeitpunkt Zinsen ab dem auf die Zustellung der Klage an die Beklagte folgenden Tag. Er entsprach damit dem Einwand der Beklagten, dass Vergütungszinsen verjährt seien und Verzugszinsen die Fälligkeit des Anspruchs voraussetzten. Erstützte sein Zinsenbegehren damit erkennbarauf den Verzug der Beklagten.

[14] 3.2. Nach der Bestimmung des § 1333 Abs 1 ABGB wird der Schaden, den der Schuldner seinem Gläubiger durch die Verzögerung der Zahlung einer Geldforderung zugefügt hat, durch die gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB) vergütet. Dieser Anspruch ist nach neuerer Auffassung schadenersatzrechtlicher Natur (RS0031994 [T2]; 6 Ob 56/19g [Pkt 5.2.]) und als schadenersatzrechtliche Mindestpauschale zu qualifizieren (RS0109502 [T5]). Er setzt kein Verschulden voraus, sondern gebührtschon bei bloß objektivem Verzug (6 Ob 56/19g [Pkt 5.2.] mwN; Danzl/Karner in KBB7 § 1333 Rz 3). Voraussetzung für den Anspruch auf Verzugszinsen ist daher lediglich, dass der Schuldner eine Geldschuld im Fälligkeitszeitpunkt nicht bezahlt hat (Größ, Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05§ 1333 ABGB Rz 5 mwN).

[15] 3.3. Wann ein Verzug vorliegt regelt § 1334 ABGB. Sofern die Zahlungszeit sonst nicht bestimmt ist, trägt der Schuldner die Folgen der Zahlungsverzögerung nach dem letzten Satz dieser Bestimmung, wenn er sich nach dem Tag der gerichtlichen oder außergerichtlichen Einmahnung nicht mit dem Gläubiger abgefunden hat. Die Zinsen beginnen daher erst mit der Mahnung durch den Gläubiger zu laufen (RS0017614; speziell für Bereicherungsansprüche: 1 Ob 116/23z mwN). Fehlt es an einer Mahnung, ist für den Beginn des Zinsenlaufs der Tag der Klagezustellung maßgebend (§ 1334 letzter Satz ABGB; RS0017614 [T4]).

[16] 4. Ist die Rechtsrüge – wie hier – gesetzmäßig ausgeführt, hat der Oberste Gerichtshof die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen (RS0043352). Das führt zu folgendem Ergebnis:

[17] Der Kläger begehrte nach seiner Einschränkung 4 % Zinsen aus dem Kapital ab dem auf die Zustellung der Klage an die Beklagte folgenden Tag. Zinsen in dieser Höhe stehen ihm wegen des objektiven Verzugs der Beklagten ab diesem Tag unabhängig von einem Verschulden gemäß § 1333 iVm § 1000 Abs 1 ABGB zu. Damit ist die Entscheidung des Erstgerichts mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen. Der vom Kläger in seiner Revision darüber hinaus beantragten Abänderung des Zinsenzuspruchs im Sinn seines ursprünglichen Begehrens (ab 23. 5. 2018) steht die Einschränkung vom 26. 1. 2023 entgegen.

[18] 5. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41 Abs 1, § 43 Abs 2 iVm § 50 ZPO.

Zu den Kosten in dritter Instanz:

[19] Sind nur noch Zinsen Gegenstand des Verfahrens, richtet sich die Bemessungsgrundlage nach § 12 Abs 4 RATG (analog; vgl RS0107153). Bemessungsgrundlage für die Rechtsanwaltskosten ist daher der Betrag von 200 EUR, sodass der Ansatz für den Ersatz der Revisionskosten gemäß TP 3C RATG dementsprechend 130,20 EUR beträgt.

[20] Für die Bemessung der Gerichtsgebühren des Revisionsverfahrens ist der Kapitalwert der Zinsen maßgeblich, die im Revisionsverfahren allein noch strittig sind und daher die Hauptforderung bilden (4 Ob 210/23w mwN; Obermaier, Kostenhandbuch3 [2018] Rz 1.448). Dieser Kapitalwert beträgt – berechnet für den im Revisionsverfahren relevanten Zeitraum – jedenfalls unter 2.000 EUR, sodass die Pauschalgebühren gemäß TP 3 GGG 228 EUR beträgt.

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