European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00110.15K.0125.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Antragsgegner sind Vermieter und Eigentümer, die Antragstellerin ist Mieterin des Bestandobjekts *****, im Ausmaß von 178 m². Die Antragstellerin betreibt in dem Bestandobjekt ein Unternehmen.
Die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegnern aufzutragen, „gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG im Bestandobjekt Klimageräte einzubauen beziehungsweise für eine Klimatisierung zu sorgen, sodass in der warmen Jahreszeit von Mai bis September eine Kühlung der Räume dergestalt möglich ist, dass die Lufttemperatur im Bestandobjekt 25 Grad Celsius nicht überschreitet.“ Im Zuge durchgreifender Erhaltungsarbeiten im Juni 2012 seien die zuvor vorhandenen Klimageräte ersatzlos entfernt und die gesamte Außenfassade mit einer Glasfront versehen worden, die eine Lüftung ins Freie verhindere. Die überwiegend südseitig gelegenen Räume würden sich in den Monaten Mai bis September überdurchschnittlich aufheizen, sodass selbst an nicht heißen Tagen die Büroraumtemperatur auf über 30 Grad Celsius ansteige. Gemäß der Arbeitsstättenverordnung BGBl II Nr 368/1998 idgF dürfe in der warmen Jahreszeit die Lufttemperatur 25 Grad Celsius nicht überschreiten. Das Arbeitsinspektorat habe die Antragstellerin (als Arbeitgeberin) bereits aufgefordert, notwendige Maßnahmen zur Erreichung einer Temperaturabsenkung in den Büroräumlichkeiten zu treffen, um Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer durch die extrem hohen Raumtemperaturen hintanhalten zu können. Die evidente erhebliche Gesundheitsgefährdung für die darin arbeitenden Personen könne lediglich durch entsprechende Erhaltungsarbeiten, genauer durch den (Wieder-)Einbau von Klimaanlagen oder entsprechende Klimatisierung, beseitigt werden.
Die Antragsgegner wandten ein, sie hätten mit sämtlichen Mietern vereinbart, dass die bestehenden Klimaanlagen demontiert und die Kosten für neue Klimageräte von den Mietern selbst getragen würden. Die Temperatur steige an nicht heißen Tagen nicht über 30 Grad Celsius und es bestehe auch keine erhebliche Gesundheitsgefährdung iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG. Bestünde eine solche, ließe sie sich durch andere, der Antragstellerin zumutbare Maßnahmen, wie die Installation eigener Klimageräte oder regelmäßiges Lüften, abwenden.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es traf detaillierte Feststellungen zu Inhalt, Verlauf und Ergebnis einer am 24. April 2012 zwischen Vermietern und MieternabgehaltenenBesprechung. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht eine Anscheinsvollmacht der in dieser Besprechung für die Antragstellerin auftretenden Person. Durch die konkludente zustimmende Erklärung des Vertreters der Antragstellerin, wonach sie die Kosten für allfällige Klimaanlagen selbst zu tragen habe, sei es zu einer Abänderung des Mietvertrags gekommen. Die Antragsgegner schuldeten die Bereitstellung von Klimaanlagen nicht mehr, daher treffe sie auch keine diesbezügliche Erhaltungspflicht.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die ersatzlose Demontage der Klimageräte stelle zwar eine Änderung des Mietvertrags dar, die einen übereinstimmenden Willen der Vertragspartner bzw einen Verzicht des Mieters auf die Klimageräte voraussetze. Das Erstgericht habe aber die Anscheinsvollmacht des Vertreters zu Recht bejaht und sein Verhalten ebenso zutreffend als eine entsprechende konkludente Willenserklärung qualifiziert.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im antragsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise stellt sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.
Die Antragsgegner beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof
freigestellten Beantwortung des Revisionsrekurses,diesen zurück- oder abzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und ‑ im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrags ‑ auch berechtigt, weil dem Rekursgericht eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
1. Die Revisionsrekurswerberin rügt die „amtswegige“ Annahme einer schlüssigen Vereinbarung ohne entsprechende Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens als Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Mit diesem behaupteten Verfahrensmangel hat sich bereits das Rekursgericht auseinandergesetzt und diesen verneint. Dieser kann daher im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS‑Justiz RS0042963, RS0043144, RS0043086).
2.1 Die sich aus § 3 MRG ergebenden Erhaltungspflichten des Vermieters sind zugunsten des Mieters zwingend. Der Mieter kann also auf sein Recht, die Erhaltung des Mietgegenstands durch den Vermieter zu verlangen, im Vorhinein nicht wirksam verzichten (RIS‑Justiz RS0021223, RS0069928). Ein nachträglicher Verzicht ist hingegen zulässig (RIS‑Justiz RS0021223 [T2], RS0069928 [T9]). Die Unzulässigkeit eines Vorausverzichts des Mieters hat im Wesentlichen ihren Grund darin, dass dem Mieter nicht ein wirtschaftlich unzumutbarer Mietvertrag aufgedrängt wird, er also nur die Wahl hätte, den für ihn nachteiligen Vertrag zu akzeptieren oder das Mietobjekt eben nicht zu bekommen (RIS‑Justiz RS0021223 [T3]). Ein nachträglicher Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung der ihm entgegen anderslautenden Vereinbarungen erwachsenen Rechte ist demnach zwar zulässig, setzt aber voraus, dass der erwähnte ökonomische und soziale Druck weggefallen ist (RIS‑Justiz RS0021223 [T4]).
2.2 Die Vorinstanzen haben hier einen nachträglichen (durch einen Anscheinsbevollmächtigten konkludent erklärten) Verzicht der Antragstellerin auf Erhaltung der Klimaanlagen bejaht. Die Revisionsrekurswerberin macht in ihrer Rechtsrüge geltend, dass diese Rechtsauffassung aus mehreren Gründen unrichtig sei. Zu den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof bereits in dem zwischen den Streitteilen geführten Mietzins- und Räumungsverfahren zu 9 Ob 23/15wausführlich Stellung genommen. Den Vorinstanzen könne nicht darin gefolgt werden, dass es bei der Besprechung vom 24. April 2012 zu einer mündlichen Vereinbarung über eine Änderung des Mietvertrags gekommen sei. Der bei Anbot und Annahme erforderliche Bindungswille sei nach der redlichen Verkehrsübung aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu beurteilen. Ausgehend davon sei im konkreten Fall schon das Vorliegen eines Anbots zur Vertragsänderung zu verneinen, auf die Problematik einer konkludenten Annahme durch die Mieter oder der Anscheinsvollmacht komme es daher gar nicht mehr an. Die Vermieter hätten die Mieter zu einer Informationsveranstaltung geladen und dabei unter anderem die Sanierungsmaßnahmen an der Fassade präsentiert, die eine Entfernung der Klimageräte erforderlich machten. Wenn die Vermieter in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hätten, die Kosten allfällig neuer Geräte nicht zu übernehmen, stelle dies nur eine Darstellung der Absichten der Vermieter, aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers jedoch kein Anbot zu einer Vertragsänderung dar. Einer solchen, nicht an eine Einzelperson gerichteten Erklärung bei einer Informationsveranstaltung komme aus objektiver Sicht nur Informationscharakter über die Absichten der Vermieter zu. Auch dass bei diesem wie bei allen anderen Punkten abschließend gefragt worden sei, ob von Seiten der Mieter Widerspruch erhoben werde, bedeute letztlich nur die Aufforderung in eine Diskussion einzutreten, nicht aber die Aufforderung zur Abgabe einer verbindlichen Äußerung zu einem Anbot auf Vertragsänderung.
2.3 Der erkennende Senat teilt diese Rechtsansicht. Die von den Antragsgegnern behauptete Vereinbarung besteht demnach nicht. Damit erübrigt sich hier eine abschließende Beurteilung der Frage, ob ein an sich zulässiger nachträglicher Verzicht in einem Außerstreitverfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG überhaupt zu prüfen wäre. Einwendungen, die auf Vereinbarungen gestützt sind, sind nämlich grundsätzlich auf dem Rechtsweg geltend zu machen und können nicht im Verfahren nach § 37 MRG durchgesetzt werden (RIS‑Justiz RS0117706 [T1]). Daher sind auch
Einwendungen des Vermieters gegen einen Auftrag zur Durchführ
ung von Erhaltungsarbeiten grundsätzlich auf die aus den §§ 3, 4 MRG abzuleitenden Sachverhalte beschränkt (RIS-Justiz RS0117706). In der Entscheidung 5 Ob 45/03h etwa wurde dem Vermieter deshalb in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 6 MRG der Einwand, der Mieter habe selbst die Erhaltungspflicht übernommen, verwehrt.
3.1 Der von den Vorinstanzen herangezogene Grund für die Abweisung des Antrags trägt demnach nicht. Mit den (eigentlichen) Voraussetzungen für die Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten nach den §§ 3, 6, 37 Abs 1 Z 2 MRG haben sich die Vorinstanzen in konsequenter Verfolgung ihrer ‑ vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten ‑ Rechtsansicht bisher nicht auseinandergesetzt.
3.2 Die von den Antragstellern angesprochene Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 2 MRG verpflichtet den Vermieter zur Erhaltung der allgemeinen Teile des Hauses und insoweit auch des Mietgegenstands, als entweder ein ernster Schaden des Hauses zu beheben oder eine vom Mietgegenstand ausgehende erhebliche Gesundheits-gefährdung zu beseitigen ist. Der Vermieter ist gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG zu Erhaltungsarbeiten im Inneren des Mietgegenstandes also auch dann verpflichtet, wenn von diesem eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für die Benutzer der Räumlichkeiten ausgeht. Die Erhaltungspflicht betreffend die erhebliche Gesundheitsgefährdung gilt gleichermaßen für Wohnungen wie auch für Geschäftsräume (vgl. 5 Ob 148/12v; T.
Hausmann/O.
Riss
in
Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 3 MRG Rz 17ab). In beiden Fällen können dem Vermieter Erhaltungsarbeiten zur Beseitigung einer erheblichen Gesundheitsgefährdung nur aufgetragen werden, wenn sich die Gesundheitsgefährdung nicht durch andere, den „Bewohnern“ des Hauses zumutbare Maßnahmen abwenden lässt (§ 6 Abs 1a MRG).
Eine Gesundheitsgefährdung iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht nicht nur bei extremen oder gar lebensbedrohenden Gefahren, sondern bei jedem Mangel, von dem eine signifikante Gefährdung der körperlichen Integrität ausgeht (T.
Hausmann/O.
Riss
, aaO § 3 MRG Rz 17ad). Generell wird die Überschreitung von zum Schutz der Gesundheit geschaffenen Grenzwerten ein starkes Indiz für eine derartige Gefährdung darstellen (T.
Hausmann/O.
Riss
aaO § 3 Rz 17af). Die Gesundheitsgefährdung muss allerdings nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung „vom Mietgegenstand selbst“ ausgehen, weshalb insbesondere Gefahrenquellen wie von außen eindringender Straßenlärm ausscheiden, mag dieser auch gesundheitsgefährdende Ausmaße erreichen (EB zur RV 1183 BlgNR XXII. GP 35; T.
Hausmann/O.
Riss
aaO § 3 Rz 17b).
3.3 Die vom Erstgericht in diesem Zusammenhang getroffenen, wenig aussagekräftigen Feststellungen (zu den im Sommer 2013 erreichten Raumtemperaturen und dem Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektorats) reichen zur abschließenden Beurteilung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG und deren Abwendbarkeit iSd § 6 Abs 1a MRG nicht aus. Das Verfahren ist insofern ergänzungsbedürftig.
4. Diese Erwägungen führen zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht im Hinblick auf die ‑ im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren freilich eingeschränkte (vgl dazu RIS‑Justiz RS0083783; RS0029344; RS0070480; RS0069653) ‑ Amtswegigkeit des Verfahrens die aufgezeigten Rechtsfragen mit den Parteien zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben haben, ihnen angesichts dieser Rechtslage erheblich erscheinendes Vorbringen zu erstatten und entsprechende Beweisanbote zu machen. Nach allfälliger Ergänzung des Beweisverfahrens wird es die fehlenden Feststellungen nachzuholen haben.
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG. Die nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG maßgeblichen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden (RIS‑Justiz RS0123011 [T1]).
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