European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00107.15V.0619.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsteller sind schuldig, den Antragsgegnern die mit 503,71 EUR (darin enthalten 83,95 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurs-verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Antragsteller begehrten die Feststellung, dass die Antragsgegner nicht berechtigt seien, aufgrund des Umstands, dass die Urgroßmutter der Viert‑ und der Fünftantragstellerinnen am 18. 3. 2013 verstorben sei, den Mietzins zu erhöhen. Die Viert‑ und die Fünftantragstellerinnen seien bis zum Ableben ihrer Urgroßmutter gemeinsam mit dieser in der Wohnung wohnhaft gewesen und daher gemäß § 14 MRG in den Mietvertrag eingetreten, in den bereits zuvor ihr Großvater (der Erstantragsteller) sowie dessen Kinder (der Zweitantragsteller sowie die Mutter der Viert‑ und der Fünftantragstellerinnen, die Drittantragstellerin) aufgrund des Ablebens ihres Urgroßvaters mit 19. 11. 2000 eingetreten seien.
Die Vorinstanzen wiesen den Antrag übereinstimmend ab, wobei das Erstgericht einen dem Vorbringen der Antragsteller entsprechenden Sachverhalt feststellte und das nach § 14 Abs 3 MRG geforderte dringende Wohnbedürfnis der Viert‑ und der Fünftantragstellerinnen verneinte. Das Rekursgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte im Einzelnen aus, bei der Beurteilung, ob einem Minderjährigen, der aufgrund seines Unterhaltsanspruchs auch einen Anspruch auf familienrechtliche Wohnversorgung habe, ein Eintrittsrecht an einer Wohnung nach § 14 MRG zukomme, sei darauf abzustellen, ob ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung bestehe, das vom familienrechtlichen Wohnungsanspruch nicht gedeckt sei. Die Viert‑ und die Fünftantragstellerinnen hätten einen familienrechtlichen Wohnanspruch gegenüber ihrer ebenfalls in der gegenständlichen Wohnung wohnenden Mutter, der ihr dringendes Wohnbedürfnis ausschließe. Dem könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass die Minderjährigen einseitigen Entscheidungen der Erziehungsberechtigten auf Veränderung der konkreten Unterkunft folgen müssten, weil die Beurteilung der Frage, ob die Minderjährigen dort zu wohnen hätten, wo ihre Eltern dies bestimmten, nicht davon abhänge, ob sie eigene Mietrechte hätten. Gerade der Umstand, dass das Eintrittsrecht nach § 14 MRG nicht nur eine bestimmte familienrechtliche Beziehung voraussetze, sondern zusätzlich auch das Vorliegen eines dringenden Wohnbedürfnisses erfordere, ziehe eine differenzierende, sich am Einzelfall orientierende Betrachtungsweise nach sich. Dabei sei das Alter des Kindes, die zu erwartenden Entwicklungen in nächster Zukunft und die Gründe, die für die gesonderte Wohnungsnahme des Unterhaltsberechtigten bzw für die Begründung von dessen eigenen Mitmietrechten sprechen würden, zu berücksichtigen. Zweck der von § 14 MRG statuierten Sondererbfolge sei hingegen nicht, Angehörigen ohne aktuelles dringendes Wohnbedürfnis bloß für die ferne Zukunft zusätzliche Vorteile in Form einer gesicherten und günstigen Wohnmöglichkeit zu verschaffen.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht im Hinblick darauf für zulässig, dass zu 7 Ob 145/09p kein verstärkter Senat entschieden habe, weswegen nach wie vor von einer Judikaturdivergenz zur Frage der Eintrittsberechtigung minderjähriger Kinder auszugehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1 Ein dringendes Wohnbedürfnis ist grundsätzlich im Sinne eines schutzwürdigen Interesses zu verstehen und nur dann zu verneinen, wenn eine andere ausreichende (angemessene) Unterkunft zur Verfügung steht (RIS‑Justiz RS0069974). Die alternative Wohnmöglichkeit muss ausreichend und gleichartig, also rechtlich abgesichert sein (RIS‑Justiz RS0069957; RS0068181). Die Beurteilung der Frage, ob das nach § 14 Abs 3 MRG geforderte dringende Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten vorliegt oder nicht, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und begründet damit regelmäßig keine solche von erheblicher Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0042789; RS0044086).
1.2 Den Antragstellern ist darin zuzustimmen, dass die Frage nach dem dringenden Wohnbedürfnis Minderjähriger, die einen familienrechtlichen Wohnanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen haben, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unterschiedlich beantwortet wurde (vgl dazu die Darstellung in 7 Ob 145/09p). Ob die in den Einzelfällen unterschiedlich erzielten Ergebnisse die Folge einer einzelfallbezogenen Beurteilung oder ‑ wie die Antragsteller und wohl auch das Rekursgericht meinen ‑ das Resultat einer divergierenden Rechtsprechung zur Frage, ob die im Familienrecht begründete andere Wohnmöglichkeit des nahen Angehörigen eine rechtlich gleichwertige Alternative darstellt, muss aus Anlass des vorliegenden Rechtsmittels aber nicht geklärt werden.
2. Die Antragsteller begehren die Feststellung, dass das Ableben der Urgroßmutter der Viert‑ und Fünftantragstellerinnen die Antragsgegner nicht berechtigen, den Mietzins anzuheben und beziehen sich damit auf die Bestimmung des § 46 MRG.
3. Das 3. WÄG hat gegenüber der Stammfassung des § 46 MRG eine Änderung im Personenkreis der privilegiert in den Mietvertrag Eintretenden gebracht. § 46 Abs 1 MRG idF des 3. WÄG ordnet an, dass der Vermieter weiterhin nur den Hauptmietzins begehren darf, den er ohne den Eintritt begehren durfte, wenn in einem am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung der Ehegatte, der Lebensgefährte oder minderjährige Kinder (§ 42 ABGB) des bisherigen Hauptmieters allein oder gemeinsam mit anderen Angehörigen eintreten (§ 12 Abs 1 und 2, § 14 MRG). Auch im Fall des § 46 Abs 1 MRG, wenn also die dort genannten privilegierten Personen in ein bestehendes Hauptmietverhältnis eingetreten sind, ist eine Mietzinsanhebung zulässig, wenn sämtliche privilegierten Personen die Wohnung entweder auf Dauer verlassen haben oder ‑ im Fall minderjähriger Kinder ‑ volljährig geworden sind. Nach § 46 Abs 2 zweiter Satz MRG liegt daher ein Anhebungsfall auch dann vor, wenn zwar zunächst nur jeweils begünstigte Personen eingetreten sind, sodass es zu keiner Anhebung kommen konnte, diese Begünstigung aber bei allen ursprünglich begünstigten Personen weggefallen ist, weil diese entweder die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder volljährig geworden sind. Der Tod ist dabei dem „Verlassen auf Dauer“ gleichzusetzen ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet‑ und Wohnrecht 23 § 46 MRG Rz 3).
4. Nach den Feststellungen ist die Urgroßmutter der Viert‑ und Fünftantragstellerinnen nach dem Ableben ihres Ehemanns am 19. 11. 2000 gemeinsam mit ihrem Sohn (dem Erstantragsteller) und dessen Kindern (der Drittantragstellerin, die damals bereits volljährig war, und dem Zweitantragsteller, der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht 17 Jahre alt gewesen ist) in den Mietvertrag eingetreten. Indem die Antragsteller Eintrittsrechte der Viert- und Fünftantragstellerinnen thematisieren, gehen sie offensichtlich davon aus, dass das Bestehen von deren Eintrittsrechten nach ihrer Urgroßmutter einem Mietzinsanhebungsbegehren nach § 46 Abs 2 MRG entgegenstünde. Diese Rechtsansicht kann nicht geteilt werden.
5. Zweck des ‑ als lex specialis zu förderungs-rechtlichen Vorschriften und als materielles Übergangsrecht anzusehenden ‑ § 46 MRG, der keinen Vorgänger im MG hatte, ist das „schrittweise und bestmögliche Angleichen der bestehenden Altverträge“ (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 46 MRG Rz 1). Die Überbindung eines Hauptmietzinses auf Nachfolge‑Mieter stellt nach der Regierungsvorlage zum MRG ein außerordentliches Zugeständnis dar, das nur in Ausnahmefällen ‑ wie etwa bei der Ehegatten‑Nachfolge - aufgrund der diesbezüglich bestehenden besonderen Verhältnisse zugestanden werden kann (vgl RV 425 BlgNR 15. GP 45). Intention des Gesetzgebers war daher jedenfalls nicht, mit der Bestimmung des § 46 MRG für eine endlose Privilegierung durch dauerhaftes Geringhalten des Mietzinses zu sorgen, wie es den Antragstellern offensichtlich vorschwebt. Die Privilegierung des § 46 Abs 1 MRG ist daher nur beim ersten Eintritt vorgesehen (Würth in Korinek/Krejci, HbzMRG, 372; T. Hausmann aaO). Das Anhebungsrecht des § 46 Abs 2 zweiter Satz MRG ist daher schon dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn die zunächst privilegiert Eintretenden die Wohnung auf Dauer verlassen haben und/oder volljährig geworden sind. Im Fall des Ablebens eines privilegiert in den Vertrag eingetretenen Mieters ist es für das Anhebungsrecht des Vermieters ohne Belang, ob ein neuer theoretisch privilegierter Angehöriger in den Mietvertrag eintritt (vgl T. Hausmann aaO Rz 7; so wohl auch Würth/Zingher/Kovanyi aaO). Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang ausschließlich, dass bei keinem der ursprünglich privilegiert Eingetretenen die Voraussetzungen mehr vorliegen, die eine Anhebung des Mietzinses zunächst hinderten.
6. Der Zweitantragsteller ist am 24. 7. 1983 geboren und war damit im Zeitpunkt des Ablebens seiner Großmutter bereits volljährig. Damit ist mit deren Tod das letzte Hindernis für eine Anhebung des Mietzinses durch die Antragsgegner unabhängig davon weggefallen, ob die Viert- und Fünftantragstellerinnen nach ihrer Urgroßmutter eintrittsberechtigt in den Mietvertrag sind.
7. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass das Begehren der Antragsteller schon deshalb abzuweisen ist, weil eine Privilegierung im Sinne des § 46 Abs 1 MRG nur beim ersten Eintritt stattfindet und das Ableben der Urgroßmutter der Viert‑ und Fünftantragstellerinnen dem Verlassen der Wohnung auf Dauer gleichzuhalten ist, sodass mit Eintritt dieses Umstands die Voraussetzungen für die Anhebung des Mietzinses gemäß § 46 Abs 2 zweiter Satz MRG vorliegen. Der Erstantragsteller sowie die Drittantragstellerin waren bereits bei Ableben ihres Vaters bzw Großvaters am 19. 11. 2000 volljährig. Der Zweitantragsteller ist lange vor dem Ableben der Urgroßmutter der Viert‑ und Fünftantragstellerinnen volljährig geworden. Auf das Bestehen von Eintrittsrechten der Viert‑ und Fünftantragstellerinnen nach ihrer Urgroßmutter kommt es hingegen nicht an. Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit den von den Antragstellern in diesem Zusammenhang formulierten verfassungsrechtlichen Bedenken.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
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