OGH 5Nc30/22i

OGH5Nc30/22i17.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. K*, vertreten durch die Schmidauer-Steindl-Rechtsanwälte GmbH in Grieskirchen, gegen die beklagte Partei R*, wegen Ehescheidung, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050NC00030.22I.0217.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Delegierungsantrag wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beantragt die Delegierung des Scheidungsverfahrens an ein Bezirksgericht in Niederösterreich. Die Klägerin übe das Richteramt aus und sei derzeit Gerichtsvorsteherin des angerufenen, im Sprengel des Oberlandesgerichts Linz gelegenen Bezirksgerichts. Aufgrund ihrer Tätigkeit seien der Klägerin sämtliche Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte in Oberösterreich und Salzburg persönlich bekannt. Es sei davon auszugehen, dass eine vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts aufgrund der eigenen Ausgeschlossenheit und den zu erwartenden Befangenheiten bei einer Vielzahl dieser Bezirksgerichte nicht möglich sein werde. Die Klärung der Zuständigkeitsfrage würde daher zeitlich hintereinander eine Reihe von Gerichten beschäftigen und sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Zielsetzung der Delegation nach § 31 JN sei eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens, sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit. Die beantragte Delegierung der Rechtssache sei zweckmäßig, verkürze das Verfahren, insbesondere das Verfahren über die Frage der Zuständigkeit im Vorfeld und erleichtere der Klägerin den Gerichtszugang sowie auch die Amtstätigkeit im Allgemeinen.

[2] Der zur Äußerung aufgeforderte Beklagte stimmteder Delegierung zu. Auch das den Delegierungsantrag vorlegende Bezirksgericht befürwortete diesen.

[3] Die Voraussetzungen für eine Delegierung liegen jedoch derzeit nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen – wie hier beantragt – sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN).

[5] 2. Voraussetzung für eine Delegierung nach § 31 JN ist unter anderem die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (RIS-Justiz RS0109369 [T1]; RS0046196 [T5]). Über einen Delegierungsantrag ist daher erst zu entscheiden, wenn die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts feststeht (RS0046196 [T2]; vgl auch 8 Nc 22/12w; RS0046338).

[6] 3. Gemäß § 41 Abs 1 und 2 JN hat das angerufene Gericht seine Zuständigkeit in streitigen Rechtssachen von Amts wegen anhand der Klagsangaben zu prüfen.

[7] Nach § 79 Abs 1 Satz 1 JN gehören Klagen gegen Personen, die bei dem nach den Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Bezirksgericht als Einzelrichter in Verwendung stehen, vor das Landesgericht, in dessen Sprengel sich das Bezirksgericht befindet. Nach § 79 Abs 2 JN gilt Gleiches, wenn ein Einzelrichter eine Klage erhebt, für welche an sich das Bezirksgericht, bei dem er zur Zeit tätig ist, zuständig wäre.

[8] Dieser Gerichtsstand des § 79 JN ist ein ausschließlicher Gerichtsstand und schließt seiner Zwecksetzung entsprechend nicht nur den allgemeinen Gerichtsstand des Richters, sondern auch einen allfälligen besonderen Gerichtsstand aus (Simotta in Fasching/Konecny 3 § 79 JN Rz 10; Mayr in Rechberger, ZPO5 § 79 JN Rz 2). § 79 JN geht daher auch den Vorschriften der §§ 76, 76a (Ehestreitigkeiten, Partnerschaftstreitigkeiten) vor (Stefula in Höllwerth/Ziehensack, ZPO_Praxiskommentar § 79 JN Rz 14). Eine auf ein anderes als das durch § 79 JN ausgeschlossene Gericht lautende Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN ist hingegen zulässig (Simotta in Fasching/Konecny 3 § 79 JN Rz 14; Mayr in Rechberger, ZPO5 § 79 JN Rz 2; Stefula in Höllwerth/Ziehensack, ZPO_Praxiskommentar § 79 JN Rz 14).

[9] 4. Angesichts dessen liegen nach den Klageangaben die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts offenkundig nicht vor. Eine Heilung nach § 104 Abs 3 JN kommt mangels Streiteinlassung des Beklagten nicht in Betracht. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren vorerst seine eigene Zuständigkeit zu prüfen haben; seiner Entscheidung ist nicht im Delegierungsweg vorzugreifen (vgl 8 Nc 22/12w).

[10] Die Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die vereinfachte Delegierung nach § 31a Abs 1 JN vorliegen (vgl RS0107486), ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung (RS0107459).

[11] 5. Der Delegierungsantrag war daher zurückzuweisen.

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