European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00098.19V.0613.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft macht Schadenersatzansprüche aus Setzungsschäden an ihrer Liegenschaft gemäß §§ 364a f ABGB geltend. Die Schäden resultieren aus einer fehlerhaften Unterfangung des Innenhofs im Dezember 2014, die die Beklagte als Bauherrin eines Neubaus auf der Nachbarliegenschaft bei der Nebenintervenientin als ausführendem Unternehmen in Auftrag gab.
Das Erstgericht wies den über den ursprünglich eingeklagten Betrag hinausgehenden und im September 2018 ausgedehnten (auf Wertminderung entfallenden) Anspruchsteil von 127.148,41 EUR sA wegen Verjährung ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und der Klage auch im Umfang des genannten Teils statt. Die Verjährungsfrist habe erst mit dem Vorliegen des eingeholten Privatgutachtens im Februar 2016 zu laufen begonnen. Es müsse einem bautechnischen Laien nicht erkennbar sein, dass über die sichtbaren Setzungsschäden hinaus auch eine Wertminderung der Liegenschaft nach Sanierung zurückbleiben werde.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin, in der keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Rechtsmittelwerberin geht in ihrer außerordentlichen Revision davon aus, dass eines der gerichtlichen Gutachten widersprüchlich und mangelhaft sei: Sie macht in diesem Zusammenhang eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend.
1.Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens bzw die Notwendigkeit einer allfälligen Ergänzung nach § 362 Abs 2 ZPO fallen in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643). Dies gilt ebenso für die Frage, ob ein von den Tatsacheninstanzen verwertetes Sachverständigengutachten die getroffenen Feststellungen stützt und das Gutachten erschöpfend ist. Auch die Grundlagen eines Sachverständigengutachtens können nicht mit Revision bekämpft werden (RS0043163; RS0040579). Mit ihren – die erfolglos vorgebrachten Argumente der Beweisrüge ihrer Berufung wiederholenden – Ausführungen, dass die Schlussfolgerungen der Sachverständigen zur Schadenshöhe von falschen Prämissen ausgingen und dafür Beweisergebnisse fehlten, weshalb eine diesbezügliche Erörterung oder die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich gewesen wäre, wird keine vom Obersten Gerichtshof überprüfbare Rechtsfrage aufgeworfen.
2. Auch die Ausführungen zum Beginn der Verjährungsfrist können die Zuständigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.
2.1 Zum Beginn der Verjährungsfrist hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt (vgl dazu zB 4 Ob 170/13y mwN):
Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen. Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten. Maßgeblich ist, ob dem Geschädigten objektiv alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände bekannt waren. Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen hingegen nicht. Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen.
Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erhält. Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Dabei ist auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen. Die Erkundigungspflicht des Geschädigten, die sich auf die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Anspruchsverfolgung schlechthin und nicht nur auf die Person des Schädigers erstreckt, darf dabei nicht überspannt werden.
Ist der Geschädigte Laie und setzt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen, Fachwissen voraus, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat. Zwar ist er im Regelfall nicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen. Ausnahmsweise kann aber, sofern eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, auch – nach einer gewissen Überlegungsfrist – die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Obliegenheit des Geschädigten angesehen werden.
2.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, erst durch ein Privatgutachten habe die Klägerin Ende Februar 2016 von der Existenz der eingetretenen Wertminderung mit einer derartigen Sicherheit Kenntnis erlangt, dass sie eine Klage als aussichtsreich einschätzen hätte können, zumal es sich bei einer Wertminderung – anders als bei sichtbaren Gebäudeschäden (Risse, Sprünge, etc) – nicht um einen durch Sinneseindrücke unmittelbar wahrnehmbaren Schaden handle, wendet die aufgezeigte Rechtsprechung vertretbar auf den Einzelfall an (RS0034524 [T10, T12, T22, T23]).
2.3 Auch die Hinweise der Revisionswerberin zur Judikatur über Wissensvertreter (vgl RS0065360 [T1, T2, T5, T9–T13]) kann die Zuständigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Diese Judikatur nimmt eine Wissenszurechnung durch jene Personen (Wissensvertreter) an, die – sowohl als selbständige Dritte als auch als Gehilfen – vom Geschäftsherrn damit betraut worden sind, Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, entgegenzunehmen oder anzuzeigen. Das (positive) Wissen des Wissensvertreters wird nach dieser Rechtsprechung dem Geschäftsherrn als dessen eigenes Wissen zugerechnet, wodurch die an das Wissen geknüpften Rechtsfolgen zum Nachteil des Geschäftsherrn eintreten (5 Ob 290/07v mwN). Abgesehen davon, dass die Frage der Wissensvertretung für die Erkundigungsobliegenheit nicht relevant ist (vgl 9 Ob 23/07h), behauptet die Revisionswerberin nur, dass die von ihr erwähnten Personen (Rechtsanwälte, Bausachverständige) von den Schäden hätten wissen müssen. Daraus lässt sich jedoch im Sinne der referierten Judikatur keine Zurechnung fremden Wissens zu Lasten der geschädigten Klägerin ableiten.
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